The Universe in a Helium Droplet
Volovik
Der fast poetische Titel dieses Buches könnte den Eindruck erwecken, dass sich der Autor an eine breite Leserschaft von Nichtphysikern wendet. Tatsächlich handelt es sich aber um eine sehr anspruchsvolle theoretische Abhandlung eines Themas aus dem Grenzbereich zwischen Teilchenphysik/Kosmologie und Physik der kondensierten Materie (insbesondere 3He-A, die A-Phase des suprafluiden Helium-3). Bereits vor fast 20 Jahren konnte Volovik zeigen, dass es unvermutete Analogien zwischen den elementaren Anregungen ("Quasiteilchen") dieser Supraflüssigkeit und den chiralen Elementarteilchen des Standardmodells (Elektronen und Neutrinos) gibt. Sogar die kollektiven Anregungen lassen sich mit dem Gravitationsfeld und den elektromagnetischen und SU(2)-Eichfeldern in Verbindung bringen.
Tatsächlich ist im 3He-A in gewisser Weise sowohl das Szenario einer Grand Unified Theory (GUT) realisiert, da sich die Eigenschaften dieser Phase als Folge der Brechung einer außergewöhnlich hohen Symmetrie bei Abkühlung verstehen lassen, wie auch das einer "anti-GUT". Bei dieser entstehen im Limes verschwindender Temperatur kontinuierlich die aus der Hochenergiephysik bekannten Symmetrien (Lorentz-Invarianz, lokale Eichinvarianz und Elemente der allgemeinen Kovarianz) quasi aus dem Nichts. Da Systeme der kondensierten Materie den großen Vorteil haben, zumindest im Prinzip explizit berechenbar zu sein, besteht die Hoffnung, mit Hilfe dieser Analogien Einblicke in einige der am wenigsten verstandenen Aspekte der Hochenergiephysik und Kosmologie - den Eigenschaften des Quantenvakuums und der Physik jenseits der Planck-Skala - zu gewinnen.
Wie J. D. Bjorken in seinem Vorwort schreibt, handelt es sich hier um ein wichtiges neues Forschungsgebiet, das allerdings von Seiten der Teilchenphysik noch nicht allgemein akzeptiert ist. Insbesondere ist noch nicht klar, inwieweit die Analogien wirklich exakt sind.
Die von Volovik diskutierten Analogien zwischen suprafluidem Helium-3 und der Teilchenphysik sind übrigens keineswegs rein spekulativ, sondern konnten z. T. bereits experimentell bestätigt werden. Dazu gehört die Messung der Dichte topologischer Defekte, die bei dem schnellen Durchkreuzen eines Phasenübergangs zweiter Ordnung entstehen - einem Mechanismus, der in der Kosmologie als Kibble-Zurek-Mechanismus bekannt ist.
Das Thema der in sieben Teile gegliederten Monografie ist naturgemäß sehr anspruchsvoll. Zum einen braucht der Leser einen guten Hintergrund in Teilchenphysik und Kosmologie, zum anderen werden Vorkenntnisse in der Theorie des suprafluiden Helium-3 vorausgesetzt - dem vielleicht komplexesten System der kondensierten Materie. Es wendet sich an Theoretiker, die - wie der Autor selbst - die Einheit der Physik testen und konkret verstehen wollen. Daher ist diesem opus magnum eine möglichst große Leserschaft zu wünschen.
Prof. Dr. Dieter Vollhardt, Theoretische Physik III, Universität Augsburg
Weitere Infos:
G. E. Volovik: The Universe in a Helium Droplet
Oxford University Press, New York 2003. 536 S., Geb., ISBN 0-19-850782-8
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