Daniela Monaldi • 4/2025 • Seite 32Laura Chalk
Die kanadische Physikerin lieferte einen frühen experimentellen Nachweis der jungen Quantenmechanik, der vollkommen in Vergessenheit geriet.
Die erste neue Vorhersage der Quantenmechanik wurde von Laura Chalk, einer Doktorandin an der McGill University in Montreal, Kanada, zwischen 1926 und 1928 unter der Leitung von J. Stuart Foster experimentell überprüft. Warum ist aber das Foster-Chalk-Experiment aus der Geschichte der Quantenmechanik verschwunden? [1]
Laura Mary Chalk wurde 1904 in Montreal in eine Pädagogenfamilie hineingeboren und zeigte schon früh hervorragende akademische Leistungen, insbesondere in Mathematik. Der Leiter der Physikabteilung der McGill University, Arthur S. Eve, ermutigte sie, Physik zu studieren, und 1925 schloss sie ihr Studium in Mathematik und Physik mit Auszeichnung ab. Nachdem sie als beste Studentin des Jahres in Physik und Mathematik ausgezeichnet worden war und ein einjähriges Stipendium des National Research Council erhalten hatte, beschloss sie, in McGill zu bleiben, und wurde die erste Doktorandin von J. Stuart Foster, dem jüngsten Mitglied der Fakultät und einem aufstrebenden Experten für experimentelle Beobachtungen des Stark-Effekts. Fosters zweiter Doktorand war William Rowles, der später Physikprofessor am McGill College of Agriculture und Ehemann von Chalk werden sollte [2]. (...)
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Arne Schirrmacher • 4/2025 • Seite 28Die Quantenphysikerinnen
Eine Artikelserie porträtiert Physikerinnen, deren Beiträge zur Quantenphysik bislang kaum gewürdigt wurden.
Die Geschichte der Quantenphysik ist wie kaum eine andere Entwicklung in der modernen Wissenschaft als eine Geschichte von Männern geschrieben worden. Meist noch kombiniert mit dem Merkmal der Jugendlichkeit wird von „Knabenphysik“ und der „Drei-Männer-Arbeit“ berichtet, und es scheint, als hätten Frauen keinen Anteil daran gehabt. Persönliche und populäre Darstellungen haben lange dazu beigetragen, dieses Bild zu verfestigen, das sich – so wie das virtuelle Bild in der Optik – nicht auf der Ebene der Realität abbilden lässt.
Studierende sind oft überrascht zu erfahren, dass die erste Physikprofessorin nicht aus dem zwanzigsten, sondern aus dem achtzehnten Jahrhundert stammt. Laura Bassi wurde 1732 eine gutbezahlte Professur an der Universität Bologna verliehen. Am Ende ihres Lebens sollte sie dazu noch einen Lehrstuhl für Experimentalphysik erhalten – zu einer Zeit, als ihre fünf erwachsenen Kinder vielfach selbst Gelehrte geworden waren, ein Sohn etwa auch Physikprofessor (während ihre einzige überlebende Tochter Nonne wurde).
Über die wenigen besonders herausragenden Fälle hinaus haben Frauen in vielerlei Institutionen und Rollen Beiträge zur modernen Wissenschaft geleistet, auch wenn dies oft nur gegen beträchtliche Widerstände möglich war. Häufig waren ihre Erkenntnisse den Zeitgenossen durchaus bekannt und ihre Leistungen wurden erst später unsichtbar. (...)
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Gernot Münster • 6/2020 • Seite 30(K)eine klassische Karriere?
Lucy Mensing (1901 − 1995) war eine Pionierin der Quantenmechanik.
Nach der Formulierung der Quantenmechanik durch Heisenberg, Born und Jordan 1925/26 wandten Wolfgang Pauli und Lucy Mensing die neue Theorie erstmals auf reale physikalische Systeme an. Mensing fand dabei als erste die zulässigen Werte für den quantenmechanischen Bahndrehimpuls. Ende der Zwanzigerjahre beendete sie ihre wissenschaftliche Karriere.
In der klassischen Mechanik ist der Drehimpuls eines Teilchens oder Teilchensystems eine reelle vektorwertige Größe, die beliebige Werte annehmen kann. In der Quantenmechanik hingegen ist der Drehimpuls quantisiert. Sein Betrag ist charakterisiert durch eine Quantenzahl l, die nur gewisse diskrete Werte annehmen kann. Ausgehend von den algebraischen Beziehungen der Drehimpulskomponenten untereinander lässt sich zeigen, dass die Quantenzahl l nur ganzzahlige (0, 1, 2, 3, . . .) oder halbzahlige Werte (1/2, 3/2, 5/2, . . .) annehmen kann. Wir sind heute mit der Bedeutung der halbzahligen Werte vertraut, aber wie stand es damit in der Zeit der Entwicklung der Quantenmechanik?
Nach ersten Schritten von Max Born in Richtung einer quantentheoretischen Formulierung der Mechanik [1] gelang Werner Heisenberg während eines Aufenthalts auf der Insel Helgoland der Durchbruch. In seiner 1925 veröffentlichten berühmten Arbeit führte er die quantenmechanischen Größen ein, die an die Stelle der klassischen Variablen Ort, Impuls etc. treten und postulierte die Rechengesetze für diese Größen [2]. Born und sein Assistent Pascual Jordan in Göttingen erkannten darin die Regeln der Matrizenrechnung und bauten den Formalismus weiter aus [3]. In der „Drei-Männer-Arbeit“ von 1926 erweiterten Born, Heisenberg und Jordan die Theorie auf Systeme mit vielen Freiheitsgraden [4]. Hier findet sich insbesondere in einem von Jordan geschriebenen Kapitel die Quantisierung des elektromagnetischen Feldes, also der Beginn der Quantenfeldtheorie. Die Arbeit befasst sich auch ausführlich mit dem quantenmechanischen Drehimpuls, der bei der Deutung der Atomspektren eine wichtige Rolle spielt. Die Autoren fanden die algebraischen Beziehungen zwischen den drei Komponenten Li des Drehimpulses, deren Multiplikation von der Reihenfolge der Faktoren abhängt. Ausgehend von dieser „Drehimpuls-Algebra“
[L1, L2] = iħ L3, und zyklisch vertauscht, zeigten sie, dass das Quadrat L→2 des Drehimpulses Werte von der Form ħ2 l(l + 1) annehmen kann. Hierin ist ħ = h/2π das „reduzierte“ Plancksche Wirkungsquantum h, und die Quantenzahl l kann, wie oben gesagt, ganzzahlige und halbzahlige Werte annehmen. (...)
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