Bewegte Hologramme in Echtzeit
Elektrisch schaltbare Nanoantennen als Grundlage für holographische Videotechnologie.
Bewegte Hologramme, gar in Echtzeit, mit Daten aus einem Hochgeschwindigkeits-Internet, gibt es bisher nicht. Der begrenzende Faktor dafür ist die Auflösung der Displays: Holographische Bilder erfordern eine Auflösung von 50.000 dpi – hundert Mal mehr als die besten Smartphone-Displays derzeit leisten. Für eine solche Auflösung müsste man die Pixelgröße auf einen halben Mikrometer verkleinern. Das ist jedoch nicht möglich, da die Ansteuerung der Graustufen zwischen schwarz und weiß über die Spannung bei so schmalen Pixeln mit den üblichen Flüssigkristallen nicht mehr funktioniert.
Forscher der Uni Stuttgart haben diese fundamentale Barriere in einer interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Physik und Chemie jetzt erstmals durchbrochen und einen komplett neuen Ansatz für holographische Displays eingeführt. Sie haben dazu elektrisch schaltbare, nur wenige hundert Nanometer große metallische Nanoantennen auf Basis von leitfähigen Polymeren entwickelt.
Schon seit einigen Jahren kann man mit Nanoantennen Metaoberflächen erzeugen, die beim Betrachten den Eindruck eines dreidimensionalen Hologramms hervorriefen. Die dabei verwendeten Nanoantennen bestehen jedoch aus einem Metall wie Gold oder Aluminium und sind daher nicht wie Flüssigkristalle umschaltbar.
Nach mehrjähriger Suche identifizierte das Team um Harald Giessen und Sabine Ludwigs elektrisch leitende Kunststoffe als umschaltbare Kandidaten. Die Gruppe von Ludwigs ist spezialisiert auf die Entwicklung und das elektrochemische Schalten von leitfähigen Funktionspolymeren. Giessens Team wiederum entwickelte einen Prozess, der es ermöglichte, aus diesen metallischen Polymeren winzige Nanoantennen herzustellen.
Das Besondere daran: Bei Spannungen zwischen plus und minus einem Volt in einem Elektrolyten schalten die optischen Eigenschaften des Materials zwischen metallisch reflektierend und glasartig durchsichtig hin und her, und das mit Videoraten von dreißig Hertz. Die Nanoantennen sind weniger als vierhundert Nanometer groß und nur wenige zehn Nanometer dick, erfüllen jedoch trotzdem dieselben Aufgaben wie die viel größeren und dickeren Flüssigkristalle. Damit erreichen sie bereits jetzt die geforderten 50.000 dpi.
Die Forscher formten aus diesen Nanoantennen ein einfaches Hologramm, das bei Anlegen einer schwachen elektrischen Spannung einen infraroten Laserstrahl um zehn Grad zur Seite ablenkte. Momentan arbeitet das Team daran, diese Ablenkung variabel zu machen. Zudem arbeiten die Forscher am Hologramm einer optischen Linse, die mittels einer Spannung von einem Volt ein- und ausgeschaltet werden kann. Diese Technik wird wichtig sein, um in Smartphone-Kameras oder optischen Sensoren auf Knopfdruck eine andere Abbildung einzustellen, zum Beispiel, um in ein Bild hineinzuzoomen.
In Zukunft wollen Giessen und sein Team jeden einzelnen Pixel gezielt ansteuern, um die Hologramme nach Belieben ändern und umschalten zu können. Auch müssen die optischen Eigenschaften vom nahen infraroten Spektralbereich ins sichtbare Spektrum geschoben werden, was gezielte Forschungen zusammen mit Chemikern und Materialwissenschaftlern erfordert. Zusammen mit der Elektrotechnik sowie dem Maschinenbau sollen dann erstmals integrierte elektrisch schaltbare optische Displays und die ersten beweglichen Miniaturhologramme für AR/VR-Brillen hergestellt werden.
U. Stuttgart / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
J. Karst et al.: Electrically switchable metallic polymer nanoantennas, Science 374, 612 (2021); DOI: 10.1126/science.abj3433 - 4. Physikalisches Institut (H. Giessen), Universität Stuttgart
- Structure & Properties of Polymeric Materials (S. Ludwigs), Institut für Polymerchemie, Universität Stuttgart