08.01.2013

Grundlage für neue Krebsmedikamente

Röntgenstrukturanalyse: Stabilisierte Zellfasern hindern Krebszellen am Teilen.

Die unter dem Schlagwort „Chemotherapie“ verwendeten Krebsmedikamente hindern Zellen daran sich zu teilen. Da sich die Zellen in einem wachsenden Tumor häufiger teilen als andere, werden die Tumorzellen durch Chemotherapeutika besonders stark geschädigt. Forscher des Paul Scherrer Instituts und der ETH Zürich haben nun für eine bestimmte Klasse solcher Medikamente den genauen Wirkmechanismus aufgeklärt. Diese Medikamente „frieren“ die Beweglichkeit der Mikrotubuli – in allen Zellen auftretende feine Fasern – ein und verhindern so, dass die neugebildeten Chromosomen auf die neuen Tochterzellen verteilt werden. So vereiteln sie die Zellteilung.

Abb.: Die aufgeklärten molekularen Strukturen im Detail: Das Tubulin-Molekül (rechte Abbildung) besteht aus zwei Untereinheiten (hell- und dunkelblau). Das Molekül des Wirkstoffs Zampanolide (grün) steckt tief in der Bindungstasche (siehe Abbildung links für die molekularen Details) und bewirkt, dass für einen Teil des Tubulin-Moleküls eine bestimmte räumliche Anordnung stabilisiert wird (gelb). Diese Stabilisierung verstärkt den Zusammenhalt der Tubulin-Einheiten in den Mikrotubuli. (Bild: PSI)


Die genauen Strukturen wurden an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz des Paul Scherrer Instituts bestimmt. Die Forscher haben im Detail gezeigt, wie die Wirkstoffe in einer Vertiefung in den Bausteinen der Mikrotubuli eingebaut werden und wie sie dabei den Zusammenhalt zwischen diesen Bausteinen verstärken. Dabei wurde deutlich, dass strukturell unterschiedliche Wirkstoffmoleküle an der gleichen Stelle binden und auf ähnliche Weise wirken. Die gewonnenen Informationen über die Strukturen sind so exakt, dass man nun gezielt Medikamente entwickeln könnte, die noch besser an ihre Aufgabe angepasst sind.

Diese Resultate sind wichtig für die Entwicklung verbesserter Medikamente. Denn die untersuchten Moleküle wirken zwar, aber sie passen nicht optimal in die Bindungstasche des Tubulins. Tubulin-Moleküle sind die Bausteine der Mikrotubuli. „Wir haben jetzt erstmals so genaue Daten über den Aufbau der Bindungsstelle, dass man gezielt Medikamente mit einer Struktur entwickeln kann, die optimal an die Verhältnisse in dieser Bindungsstelle angepasst sind – so wie eine Hand an einen dazu passenden Handschuh“, erklärt Andrea Prota vom Labor für Biomolekulare Forschung des Paul Scherrer Instituts.

Einer der Wirkstoffe, der einem Tiefseeschwamm vorkommt, wurde in der Gruppe von Karl-Heinz Altmann an der ETH Zürich synthetisiert. Naturstoffe aus marinen Organismen sind in der Regel nur in winzigen Mengen verfügbar, und eine detaillierte Untersuchung solcher Substanzen wird oft erst durch deren synthetischen Nachbau im Labor ermöglicht. Die genaue Struktur der Wirkstoffe zusammen mit der der umgebenden „Bindungstasche“ im Tubulin-Molekül haben dann die Forschenden an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz des Paul Scherrer Instituts mit dem Verfahren der Proteinkristallografie bestimmt.

Dabei wird das Protein, das untersucht werden soll, zunächst in großer Menge hergestellt und anschließend in einer regelmäßigen Kristallstruktur angeordnet (mit leerer oder gefüllter „Bindungstasche“). Dieser Proteinkristall wird dann mit Synchrotronstrahlung aus der SLS durchleuchtet. Daraus, wie das Licht auf dem Weg durch den Kristall abgelenkt wird, lässt sich dann der Aufbau des Proteins bis ins letzte Detail ableiten. „Tubulin-Moleküle neigen stark dazu, sich miteinander zu Fasern zu verbinden – das sollen sie im Kristall aber gerade nicht“, erklärt Michel Steinmetz, Leiter der Arbeitsgruppe Proteinwechselwirkungen am PSI. „So war es für das Experiment eine große Herausforderung, das Tubulin gezielt so zu manipulieren, dass sich dessen Moleküle regelmäßig und höchst präzise in einen Kristall aneinanderreihen – ein Unterfangen, das uns mehr als 10 Jahre Arbeit gekostet hat.“

P. Piwnicki (PSI) / PH

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