12.06.2019

Krümmung nach Wunsch

Erster Holzturm aus sich selbst verformenden Paneelen errichtet.

Seit Mitte Mai steht im Remstal bei Stuttgart ein einzig­artiges Holzgebäude: ein Turm aus selbst-geformten Fichtenplatten. Die an der Empa und der Eid­genössischen Technischen Hochschule Zürich entwickelte Methode nutzt das natürliche Quellen und Schwinden von Holz unter Einwirkung von Feuch­tigkeit und ermöglicht so eine neue und unerwartete Archi­tektur für den Bau mit der erneuerbaren und nachhaltigen Ressource Holz.

Abb.: Der vierzehn Meter hohe Urbachturm ist aus sich selbst formenden...
Abb.: Der vierzehn Meter hohe Urbachturm ist aus sich selbst formenden Holzpaneelen gefertigt. (Bild: ICD / ITKE U. Stuttgart)

Der vierzehn Meter hohe Turm bei Urbach thront mitten im Remstal als Ausstellungs­stück im Rahmen der Remstal Gartenshow 2019. Er besteht aus insgesamt zwölf Holzpaneelen und verdankt seine geschwungene Form einer neuartigen Methode. Gekrümmte Holz­konstruktionen an sich sind nicht neu; doch wie die Einzelteile dieses Bauwerks entstanden sind, ist bahn­brechend. Die beiden Forscher Markus Rüggeberg und Philippe Grönquist der Empa-Abteilung „Cellulose and Wood Materials“ nutzen das natürliche Verhalten von Holz und dessen Reaktion auf Luftfeuchtigkeit.

Bereits vor rund hundert Jahren wurde eine erste Formel zur Biegung von Holz ausgetüftelt, erklärt Rüggeberg. Die Hoch­skalierung auf metergroße Bauteile stellte das Team jedoch vor Heraus­forderungen: „Nun können wir sogar voraussagen, wie stark sich solch große Holzelemente unter Einwirkung von Feuchtigkeit krümmen“, so Grönquist. Diese Erkenntnisse nutzte das Team zusammen mit Kollegen der Universität Stuttgart, um genau zu berechnen, wie sich welches Holz in der Trocknungs­phase verkrümmen wird. Das Prinzip sei eigentlich einfach, so Rüggeberg. Zwei Holzschichten werden zusammengeklebt. Wichtig dabei sei die Ausrichtung der Fasern. Wenn sich der Feuchtigkeitsgehalt im Holz ändert, quillt oder schrumpft die eine Schicht, während die andere starr bleibt. Da jedoch beide Lagen fest miteinander verbunden sind, biegt sich das Holz. Und je nachdem, in welchem Winkel die Fasern des Holzes aufeinander­liegen, ergibt sich eine andere Biegung.

Im Gegensatz zur „natür­lichen“ Methode der Empa und ETHZ kommen dabei jedoch in der Regel schwere Maschinen zum Einsatz, die das Holz unter großem Energie­aufwand in die gewünschte Form pressen. Im Rahmen des Architektur­projektes Urbachturm überlassen die Forscher das Biegen dagegen dem Holz selbst ganz ohne zusätzliche Kraft­einwirkung. Dabei werden die entsprechenden Holzteile so dimensioniert und zusammen­geklebt, dass gemäß Berechnung bei der Trocknung die gewünschte Krümmung entsteht. Nach der Trocknung werden mehrere gekrümmte Bauteile laminiert. Diese zweite Verklebung verhindert eine weitere Verformung und sorgt gleich­zeitig für die nötige Wandstärke der Elemente.

Das Projekt läuft noch bis Ende August; weitere Ergebnisse sollen Ende Jahr veröffent­licht werden. „Der Turm zeigt in einzig­artiger Weise, welche Innovationen im Holzbau möglich sind“, so Rüggeberg. „Holz als nachhaltige und öko­logische Ressource gewinnt dadurch immer mehr Beachtung.“ Ideen für Nachfolge­projekte seien bereits etliche vorhanden.

Empa / JOL

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