16.03.2018

Mikroben mit dem Smartphone jagen

Intelligente Algorithmen und günstige Optiken verwandeln Smartphones in Hochleistungsmikroskope.

Moderne Mobiltelefone, ausgestattet mit leistungs­fähigen Kameras, Prozessoren und Grafik­karten, können technisch wesentlich mehr als nur schöne Schnapp­schüsse liefern. Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (IPHT) nutzen das Smartphone als kompaktes Hochleistungs­mikroskop. Mittels trainierter neuronaler Netzwerke liefert das System in kurzer Zeit Bilder von biologischen Proben, für die bisher teure und große Laboraufbauten nötig waren. Die Forscher hoffen mit dem preiswerten Mikroskop, besonders in Entwicklungs­ländern Lücken in der medizinischen Diagnostik zu schließen oder es für Bildungs­zwecke in Schulen und Universitäten einsetzen zu können.

Abb.: 3D-CAD-Zeichnung des Mikroskopaufbaus mit Smartphone (oben; Bild: IPHT)

Die Ursache für verunreinigtes Trinkwasser sind häufig Bakterien oder Parasiten. Da die Mikroben fast voll­ständig transparent sind, sind sie für die üblichen Hellfeld­mikroskope nahezu unsichtbar. Mikro­skopische Verfahren, welche den Kontrast verstärken, sind außerhalb von Spezial­laboren schlecht verfügbar. Das vorherige Anfärben der Proben wäre zu teuer und aufwändig. Ein Ansatz, um die Krankheits­erreger im Wasser zuverlässig zu bestimmen, besteht darin, deren Sichtbarkeit durch einen höheren Phasen­kontrast zu verbessern. Die Jenaer Wissenschaftler haben dazu eine Beleuchtung entwickelt, die mit­denkt.

„Wir beleuchten die Proben mit einem Licht­muster, das ganz spezifisch für das untersuchte Objekt ausgewählt ist und somit dessen Kontrast optimal verstärkt“, beschreibt Benedict Diederich vom IPHT das Verfahren. „Das passende Licht­muster finden wir, indem wir die Bild­daten der Proben mit maschinellen Lern­techniken analysieren“, so Diederich weiter. Das kann beispielsweise ein „convolutional neural network“, also ein künstliches neuronales Netzwerk, sein. Es reduziert den Rechen­aufwand im Vergleich zu rein mathematischen Verfahren um ein Vielfaches, und liefert nach etwa einer halben Sekunde Rechenzeit auf dem Smartphone ein Ergebnis.

Die Forscher trainierten den Algorithmus zuvor mit einem Daten­satz aus mehr als 1000 Proben. Das neuronale Netzwerk erlernt daraus die Beziehung zwischen den untersuchten Proben und deren optimaler Beleuchtungs­form. So erhalten die Forscher Bild­daten mit hohem Kontrast, die zur Identifizierung der Mikroben dienen. Gleichzeitig erhöht das Verfahren visuell die optische Auflösung der Bilder.

„Unser Ziel ist es, ein Hochleistungs­mikroskop zu sehr niedrigen Kosten zu realisieren. Deshalb nutzen wir als Bauteile ausschließlich preiswerte und überall verfügbare Massen­produkte. Als Mikroskop­objektiv dient die Handy-Kamera und als Beleuchtungs­quelle nutzen wir LED-basierte Video­projektoren aus dem Konsumer­bereich. Gesteuert und ausgewertet wird alles über das Handy mittels einer selbst­entwickelten Smartphone-App“, so Rainer Heintz­mann, Leiter der Abteilung Mikroskopie am IPHT. Die korrekte Ausrichtung der optischen Komponenten zueinander gewährleistet ein eigens entworfenes Gehäuse, gefertigt mit einem handelsüblichen 3D Drucker. Die Material­kosten für das voll­automatische portable Gerät liegen bei weniger als 100 Euro. Momentan arbeiten die Jenaer Forscher daran, das Auflösungs­vermögen weiter zu verbessern. In Zukunft könnten so höchst­auflösende Mikroskopie­bilder von biologischen Proben mit Hilfe eines Smart­phones entstehen.

IPHT / DE

EnergyViews

EnergyViews
Dossier

EnergyViews

Die neuesten Meldungen zu Energieforschung und -technologie von pro-physik.de und Physik in unserer Zeit.

Virtuelle Jobbörse

Virtuelle Jobbörse
Eine Kooperation von Wiley-VCH und der DPG

Virtuelle Jobbörse

Innovative Unternehmen präsentieren hier Karriere- und Beschäftigungsmöglichkeiten in ihren Berufsfeldern.

Die Teilnahme ist kostenfrei – erforderlich ist lediglich eine kurze Vorab-Registrierung.

Meist gelesen

Themen