23.08.2017

Turbulenter Überriese

Atmosphäre des roten Überriesen Antares interferometrisch kartiert.

Zum ersten Mal ist es einem Forscherteam gelungen, die turbulenten Bewegungen in der Atmosphäre eines anderen Sterns als der Sonne zu kartieren. Dies gelang mit Hilfe einer innovativen Methode, die gleich drei Teleskope der europäischen Südstern­warte ESO auf dem Paranal im nördlichen Chile miteinander verbindet. Der Astronom Keiichi Ohnaka von der Universidad Católica del Norte in Antofagasta, Chile, ist der Leiter des Teams. Zusammen mit seinen Partnern Gerd Weigelt und Karl-Heinz Hofmann vom Bonner Max-Planck-Institut für Radio­astronomie hat er bisher nicht gekannte geschwindigkeits­aufgelöste Bilder von der Oberfläche und der Atmosphäre eines fernen Sterns erzielen können.

Abb.: Erstes aufgelöstes Bild des roten Überriesensterns Antares. Es zeigt die Sternscheibe in Gelb mit zwei stärker strahlenden Regionen in Weiß, dazu die ausgedehnte klumpige Atmosphäre des Sterns in Blau. Die gewaltige Ausdehnung von Antares übertrifft den der Erdbahn um das Dreifache und ist 700mal größer als unsere Sonne. (Bild: K. Ohnaka et al., NPG)

Dem Forscherteam ist es gelungen, sowohl die Intensität als auch die Geschwindigkeit des Gases über die komplette Ausdehnung der Oberfläche und der Atmosphäre des roten Überriesen­sterns Antares zu vermessen. Antares (Alpha Scorpii) liegt in einer Entfernung von zirka 600 Lichtjahren in Richtung des Sternbilds Skorpion. „Zum ersten Mal haben wir eine zwei­dimensionale Karte der Dynamik, das heißt, der Bewegungen in der Atmosphäre, eines anderen Sterns als der Sonne erhalten. Unsere Beobachtungen wurden mit dem VLTI der ESO durchgeführt, wobei die einzelnen Teleskope mit dem AMBER-Instrument miteinander verknüpft wurden. Die Geschwindigkeit des Gases konnte dabei über Verschiebungen der Frequenz von Spektral­linien aufgrund des Doppler­effekts bestimmt werden“, erklärt Keiichi Ohnaka.

Wenn Sterne das Ende ihrer Lebensdauer erreichen, beginnen sie damit, Materie von ihrer Oberfläche und aus ihrer Atmosphäre zu verlieren; dieser Prozess wird als Massen­verlust bezeichnet. Während man von roten Überriesen wie Antares seit längerem weiß, dass sie einem beträchtlichen Massen­verlust unterliegen, ist es immer noch unbekannt, wie das passiert – ein seit mehr als einem halben Jahrhundert bestehendes, noch ungelöstes Problem. Eine der besten Möglichkeiten, diesen Prozess zu untersuchen, besteht in der Beobachtung der Gas­dynamik, Bewegungen und Geschwindigkeiten in der direkten Umgebung des Sterns. Einige Bilder von Stern­oberflächen sind bereits vorher erstellt worden, aber nur für eine sehr eingeschränkte Anzahl von Sternen und ohne Informationen über die Gas­bewegung in der Atmosphäre.

Einzelteleskope sind nicht dazu in der Lage, Oberflächen­strukturen von Sternen mit Ausnahme unserer Sonne aufzulösen. Wenn man allerdings die Strahlung einer Reihe von Einzel­teleskopen inter­ferometrisch miteinander verknüpft, kann die dafür erforderliche hohe Winkel­auflösung erzielt werden. „Die damit erreichte Auflösung ist proportional zum Abstand der beteiligten Teleskope“, erklärt Karl-Heinz Hofmann. „Wie haben das AMBER-Instrument am Very Large Telescope Inter­ferometer der ESO für unsere Messungen eingesetzt, weil es Beobachtungen mit hoher spektraler Auflösung und die Messung von Gas­geschwindigkeiten ermöglicht.“

„Wenn wir Karten der Gas­bewegung in unterschiedlichen Höhen durch die Stern­atmosphäre erhalten, ergibt sich damit sogar ein drei­dimensionales Bild der Gas­bewegung in der Atmosphäre des Sterns“, betont Keiichi Ohnaka. Das Forscher­team arbeitet inzwischen an diesem Projekt des Übergangs von zwei auf drei Dimensionen. Das Ziel dabei ist, das Geheimnis hinter dem Massen­verlust­prozess zu lösen.

Die Bilder von Antares geben neue Hinweise darauf, wie der Massenverlust bei diesem Stern vor sich geht. Das Forscherteam kann zeigen, dass die Materie nicht in geordneter Form ausgeworfen wird, sondern zufällig verteilt und in turbulenter Weise.

„Diese Methode der interferometrischen Abbildung ermöglicht uns nicht nur die Untersuchung von Sternen in späten Entwicklungs­phasen, sondern auch sehr junge Sterne mit noch vorhandener zirkum­stellarer Scheibe, in der Planeten entstehen können, oder auch extra­galaktische Objekte“, schließt Gerd Weigelt. „In allen diesen Untersuchungen ist es von größter Wichtigkeit, dass wir sowohl eine hohe Winkel­auflösung als auch eine hohe spektrale Auflösung erzielen, um die Geschwindigkeits­verteilung des Gases zu erforschen.“ In der Zukunft wird das neue Inter­ferometrie-Instrument MATISSE der ESO eine einzigartige Möglichkeit bieten, solche Beobachtungen zum ersten Mal in einem ausgedehnten Wellen­längen­bereich zu erzielen.

MPIfR / DE

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