22.09.2025 • Sonnensystemforschung

Planeten halten Sonne im Zaum

HZDR-Fluiddynamik-Team führt vergleichsweise geringe solare Aktivität auf eine Synchronisation durch die Gezeitenwirkung der Planeten zurück.

Unsere Sonne ist etwa fünfmal weniger magnetisch aktiv als andere sonnenähnliche Sterne – praktisch ein Spezialfall. Der Grund dafür könnte in den Planeten unseres Sonnensystems liegen, sagen Forschende des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR). Sie haben in den letzten zehn Jahren ein Modell entwickelt, das im Prinzip alle bekannten Aktivitätszyklen der Sonne aus dem zyklischen Einfluss der Gezeitenkräfte der Planeten ableitet. Nun konnten sie darüber hinaus zeigen: Diese externe Taktung dämpft automatisch auch die Aktivität der Sonne.

Koronale Massenauswürfe hängen eng mit der magnetischen Aktivität der Sonne zusammen.
Koronale Massenauswürfe sind Ausdruck der magnetischen Aktivität der Sonne.
Quelle: NASA – GSFC – SDO

Momentan ist die Sonne nahe an einem Aktivitätsmaximum, wie es etwa alle elf Jahre auftritt. Auf der Erde beobachten wir deshalb mehr Polarlichter und Sonnenstürme sowie ein insgesamt turbulenteres Weltraumwetter. Dieses hat Auswirkungen auf Satelliten im All bis hin zu technologischer Infrastruktur auf der Erde. Trotzdem sind im Vergleich zu anderen sonnenähnlichen Sternen die stärksten beobachteten Strahlungsausbrüche unserer Sonne zehn bis hundert Mal schwächer. Diese vergleichsweise ruhige Umgebung könnte eine wichtige Voraussetzung für eine bewohnbare Erde sein. Auch aus diesem Grund möchten die Forschenden verstehen, was genau die Sonnenaktivität antreibt.

Die Sonnenaktivität folgt bekanntermaßen zahlreichen Mustern – sowohl kürzeren als auch längeren periodischen Schwankungen, die von wenigen hundert Tagen bis zu mehreren tausend Jahren reichen. Die zugrundeliegenden physikalischen Mechanismen erklären Forschende jedoch teils sehr unterschiedlich. Das von Frank Stefanis Team vom Institut für Fluiddynamik am HZDR entwickelte Modell betrachtet die Planeten als Taktgeber: Demnach vereinen Venus, Erde und Jupiter etwa alle elf Jahre ihre Gezeitenkräfte auf die Sonne. Über einen komplexen physikalischen Mechanismus geben sie dem inneren magnetischen Antrieb der Sonne dabei jedes Mal einen kleinen Schubs. In Kombination mit der rosettenförmigen Bahnbewegung der Sonne führt dies zu sich überlagernden periodischen Schwankungen unterschiedlicher Länge – genau wie bei der Sonne beobachtet.

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Henrike Fleischhack, Petra Huentemeyer • 6/2023 • Seite 267

Gammastrahlung von der Sonne

„Alle identifizierten Sonnen­zyklen sind eine logische Konsequenz unseres Modells, dessen Erklärungs­kraft und innere Konsistenz wirklich verblüffend ist. Mit jeder Verfei­nerung unseres Modells haben wir weitere Überein­stim­mungen mit beobach­teten Perioden gefunden“, sagt Stefani. In der nun veröffent­lichten Arbeit ist dies die QBO – „Quasi Bien­nial Oscil­lation“ – eine ungefähr zweijährige Schwankung verschie­dener Aspekte der Sonnen­aktivität. Der Clou: Die QBO lässt sich in Stefanis Modell nicht nur einer genauen Periode zuordnen, sondern sie führt auch auto­matisch zu einer gedämpften Sonnen­aktivität.

Bislang wurde typischer­weise von QBO-Perioden von 1,5 bis 1,8 Jahren in Sonnen­daten berichtet. Einige Forschende hatten in früheren Arbeiten einen Zusammen­hang zwischen der QBO und „Ground Level Enhance­ment“-Ereig­nissen vorge­schlagen, sporadische Vorkomm­nisse, bei denen energie­reiche solare Teilchen zu einem plötzlichen Anstieg der kosmischen Strahlung auf der Erdober­fläche führen. „Eine Arbeit aus dem Jahr 2018 zeigte, dass solche in Boden­nähe gemessenen Strahlungs­ereignisse bevorzugt in der positiven Phase einer Schwingung mit einer Periode von 1,73 Jahren auftraten. Entgegen der üblichen Annahme, dass diese Sonnen­partikel-Ausbrüche zufällige Phänomene sind, deutet diese Beobachtung auf einen zugrunde liegenden getakteten Prozess hin“, sagt Stefani.

Deshalb analysierten er und seine Kollegen deren Abfolge erneut. Sie fanden die höchste Überein­stimmung für eine Periode von 1,724 Jahren. „Dieser Wert liegt bemerkens­wert nahe an dem Wert von 1,723 Jahren, der in unserem Modell als Aktivitäts­zyklus ganz natürlich auftritt“, sagt Stefani. „Wir gehen davon aus, dass es sich dabei um die QBO handelt.“

Während das Sonnen­magnet­feld in einem Zeitraum von elf Jahren zwischen Minimum und Maximum hin- und her­pendelt, prägt die QBO der Feld­stärke ein zusätzliches, kurz­periodisches Muster auf. Dadurch drosselt sie die Feld­stärke insgesamt, da das Sonnen­magnet­feld nicht so lange Zeit bei seinem maximalen Wert verweilt. In einem Häufigkeits­diagramm ergeben sich zwei Peaks: einer bei der maximalen Feld­stärke und ein zweiter beim Zurück­schwingen der QBO. Dieser Effekt ist als Bimodalität des Sonnen­magnet­felds bekannt. In Stefanis Modell führen die zwei Peaks – als logische Folge der QBO – zu einer im Mittel reduzierten Stärke des Sonnen­magnet­felds.

„Dieser Effekt ist so wichtig, weil die Sonne bei den höchsten Feld­stärken auch am aktivsten ist. Dann treten die stärksten Ereignisse mit riesigen geomagne­tischen Stürmen auf, wie 1859 das Carrington-Ereignis, als Polar­lichter selbst in Rom und Havanna zu sehen waren und hohe Spannungen Telegrafen­leitungen beschädigt haben. Wenn das Magnet­feld der Sonne aber nun deutlich längere Zeit bei kleineren Feld­stärken liegt, reduziert das die Wahr­scheinlich­keit für die ganz heftigen Events“, ordnet Stefani ein. [HZDR / dre]

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