Nachschub aus dem All
Die Proto-Erde bildete sich in drei Millionen Jahren, lebensnotwendige Elemente wie Wasser oder Kohlenstoffverbindungen jedoch brachte erst eine spätere planetare Kollision.
Die Erde ist bislang der einzige bekannte Planet, auf dem Leben existiert – mit flüssigem Wasser und einer stabilen Atmosphäre. Bei ihrer Entstehung waren die Bedingungen jedoch nicht lebensfreundlich. Zwar war die Gas-Staub-Wolke, aus der sich alle Planeten des Sonnensystems bildeten, reich an lebensnotwendigen flüchtigen Elementen wie Wasserstoff, Kohlenstoff oder Schwefel. Doch im inneren Sonnensystem konnten diese flüchtigen Elemente kaum bestehen: Aufgrund der hohen Temperatur der Sonne kondensierten sie nicht und verblieben zunächst weitestgehend in der Gasphase. Da diese gasförmigen Stoffe nicht in die festen Gesteinsmaterialien eingebaut wurden, aus denen die Planeten entstanden, enthielt auch die frühe Proto-Erde, nur sehr wenig von diesen lebenswichtigen Stoffen. Nur Himmelskörper, die sich weiter von der Sonne entfernt in kühleren Regionen formten, konnten diese Bestandteile auch einbauen. Wann und wie die Erde zu einem lebensfreundlichen Planeten wurde, ist bis heute nicht vollständig verstanden.

In einer neuen Studie konnten Forscher des Instituts für Geologie der Universität Bern nun erstmals aufzeigen, dass die chemische Zusammensetzung der frühen Erde spätestens drei Millionen Jahre nach der Bildung des Sonnensystems abgeschlossen war – und zwar auf eine Weise, die die Entstehung von Leben zunächst unmöglich machte. Ihre Ergebnisse legen nahe, dass Leben auf der Erde erst durch ein späteres Ereignis ermöglicht wurde.
Um den Ablauf der Erdentstehung zu rekonstruieren, nutzten Pascal Kruttasch, jetzt SNF Postdoc.Mobility Fellow am Imperial College London, und Klaus Mezger, emeritierter Professor für Geochemie am Institut für Geologie, eine Kombination aus Isotopen- und Elementdaten von Meteoriten sowie von irdischem Gestein. Mit Modellrechnungen konnten Kruttasch und Mezger zeitlich eingrenzen, wie sich die chemische Zusammensetzung der Erde im Vergleich zu anderen planetaren Bausteinen entwickelte.
Kruttasch erklärt: „Für die präzise Altersbestimmung kam ein hochpräzises Zeitmesssystem zum Einsatz, das auf dem radioaktiven Zerfall von Mangan-53 basiert. Dieses Isotop war im frühen Sonnensystem vorhanden und zerfiel mit einer Halbwertszeit von etwa 3,8 Millionen Jahren zu Chrom-53.“ Dieses Verfahren erlaubte Altersbestimmungen mit einer Genauigkeit von unter einer Million Jahre für Materialien, die mehrere Milliarden Jahre alt sind. „Diese Messungen waren nur möglich, weil die Uni Bern über Expertise und Infrastruktur zur Analyse extraterrestrischer Materialien verfügt und führend im Bereich der Isotopengeochemie ist“, so Mezger.
Mithilfe der Modellrechnungen konnte das Forschungsteam zeigen, dass die chemische Signatur der Proto-Erde, also das einzigartige Muster der chemischen Stoffe, aus denen sie besteht, schon in weniger als drei Millionen Jahren nach der Entstehung des Sonnensystems abgeschlossen war. „Unser Sonnensystem bildete sich vor rund 4.568 Millionen Jahren. Wenn man bedenkt, dass es nur bis zu 3 Millionen Jahre benötigte, um die chemischen Eigenschaften der Erde festzulegen, ist dies überraschend schnell“, so Kruttasch.
Die Ergebnisse der Studie unterstützen damit die Annahme, dass ein späterer Zusammenstoß mit einem anderen Planeten – Theia – die entscheidende Wende brachte und die Erde zu einem lebensfreundlichen Planeten machte. Theia entstand vermutlich weiter außen im Sonnensystem, wo sich flüchtige Stoffe wie Wasser anreicherten. „Dank unseren Resultaten wissen wir, dass die Proto-Erde anfangs ein trockener Gesteinsplanet war. Es ist also anzunehmen, dass erst die Kollision mit Theia flüchtige Elemente auf die Erde brachte und dort schließlich Leben ermöglichte“, sagt Kruttasch.
Die neue Studie trägt maßgeblich zum Verständnis über die Prozesse in der Frühphase des Sonnensystems bei und liefert Hinweise darauf, wann und wie Planeten, auf denen Leben möglich ist, entstehen können. „Die Erde verdankt ihre heutige Lebensfreundlichkeit nicht einem kontinuierlichen Aufbau, sondern wohl einem Zufallsereignis – dem späten Einschlag eines fremden, wasserreichen Körpers. Das macht deutlich: Lebensfreundlichkeit ist im Universum alles andere als selbstverständlich“, sagt Mezger.
In einem nächsten Schritt müsse auch das Kollisionsereignis zwischen der Proto-Erde und Theia genauer untersucht werden. „Bisher ist dieses Kollisionsereignis unzureichend verstanden. Es werden Modelle benötigt, die neben den physikalischen Eigenschaften von Erde und Mond auch deren chemische Zusammensetzung und Isotopensignaturen vollständig erklären können“, so Kruttasch abschließend. [U Bern / dre]