25.04.2022

Frostige Bildung von Sternen und Planeten

Kurz vor Einsetzen der Sternentstehung frieren schwere Moleküle in der zentralen Region einer prästellaren Wolke an Staubkörnern ein.

Eine der zentralen Fragen der modernen Astrophysik ist, wie Planeten und Sterne entstehen. Während die groben Züge bekannt sind – eine kalte Molekül­wolke kollabiert unter ihrer eigenen Schwerkraft, eine Akkretions­scheibe entsteht und in ihrem Zentrum ein Protostern – steckt der Teufel im Detail. Ein ent­scheidender Schritt ist die Phase des prästellaren Kerns, wenn sich die interstellare Gaswolke zusammenzieht und abflacht, aber noch bevor die Gravitationskraft einen zentralen Protostern erzeugt. Astronominnen und Astromonem des Max-Planck-Instituts für extra­terrestrische Physik haben nun mit den ALMA-Radio­teleskopen einen solchen prä­stellaren Kern mit der Bezeichnung L1544 im Sternbild Stier in noch nie dagewesener Auflösung beobachtet.

Abb.: Diese Infrarot­aufnahme von Herschel zeigt einen Teil der Molekülwolke...
Abb.: Diese Infrarot­aufnahme von Herschel zeigt einen Teil der Molekülwolke im Sternbild Stier, mit der hellen, kalten prästellaren Wolke L1544 unten links. Die Wolke ist etwa 450 Lichtjahre von der Erde entfernt. (Bild: ESA / Herschel / SPIRE)

„Studien von prästellaren Kernen in nahen Wolken haben bereits Hinweise auf ihre physikalische und chemische Struktur geliefert, aber es war immer noch unklar, was im Zentrum passiert“, erklärt Paola Caselli. „Jetzt können wir die Strukturen innerhalb der zentralen 2000 Astro­nomischen Einheiten (AE) untersuchen, wo das zukünftige Sternsystem entstehen wird.“ Zum Vergleich: Neptun, der äußerste bekannte Planet in unserem eigenen Sonnen­system befindet sich in einer Entfernung von dreißig AE zur Sonne, während sich der Kuiper-Gürtel und die trans­neptunischen Objekte, kurzlebige Kometen und andere Eiskörper, auf etwa 200 AE erstrecken. Die Beobachtungen umfassten sowohl die Kontinuums­emission von Staubkörnchen in diesem prästellaren Kern als auch Beobach­tungen der Spektral­linien von deuteriertem Ammoniak.

Während die Kontinuums­emission des Staubes eine kompakte zentrale Region mit einer Masse von etwa einem Sechstel der Masse unserer Sonne erkennen ließ, war die Analyse der Moleküllinien die eigentliche Überraschung. Zum ersten Mal lieferten die Beobach­tungen Beweise für ein fast vollständiges Ausfrieren: so gut wie alle Moleküle und Atome, die schwerer als Helium sind, verschwinden aus dem Gas und konden­sieren auf den Staubkörnchen in den zentralen 2000 AE. „Dies deutet auf eine vollständige Leerzone hin, in Über­einstimmung mit Vorhersagen astrochemischer Modelle für den prästellaren Kern“, führt Olli Sipilä aus, der die theoretische Modellierung durchführte. Das hochmoderne chemische Modell sagt voraus, dass das Ausfrieren bereits bei 7000 AE beginnt und dass Strahlungs­transfereffekte dafür sorgen, dass die Emission einiger Moleküle auf das Zentrum konzentriert zu sein scheint. „Dies hat verhindert, dass das Ausfrieren in früheren Beobach­tungen, bei denen das Zentrum nicht aufgelöst werden konnte, entdeckt wurde“, fügt er hinzu.

Die Staubkörner in einem solchen prästellaren Kern sind also von dicken Eishüllen umgeben, reich an Wasser und organischen Molekülen, welche die Bausteine für zukünftige Planeten bilden. Eine kürzlich durchgeführte Unter­suchung des Kometen 67P/CG zeigte tatsächlich, dass die relativen Häufigkeiten der Moleküle dort ähnlich sind zu denen von prästellaren Kernen und jungen Sternentstehungs­gebieten. „Wir konnten zeigen, dass prästellare Moleküle vor der Bildung eines Sternsystems ähnlich dem unserem im Eis gespeichert werden“, sagt Jaime Pineda. Einige dieser prästellaren Eiskörper, insbe­sondere die Eiskörnchen im äußeren Teil der Scheibe, könnten spätere Stadien der Planeten­bildung überleben und die chemische Signatur dieser frühen Phasen kurz vor dem Aufleuchten eines neuen Sterns konservieren.

„Eisige Objekte an den Rändern unseres Sonnensystems könnten tatsächlich die eingefrorene chemische Geschichte unseres präsolaren Kerns enthalten, der Wolke, aus der alles entstanden ist, was wir heute in unserem Sonnensystem sehen – ein­schließlich uns selbst“, fasst Paola Caselli zusammen. „Da wir wissen, dass im jungen Sonnensystem einige der eisigen Körnchen in Richtung der Entstehungs­zone der terres­trischen Planeten gedriftet sind, könnten diese sogar zu den flüchtigen Molekülen, ein­schließlich Wasser und organischen Stoffen, auf unserer Erde beigetragen haben. Sie könnten wertvolle Zutaten für den Ursprung des Lebens auf unserem Planeten geliefert haben.“

MPE / JOL

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