Wie Quantenuhren genauer ticken
Präzision ist nicht durch den zweiten Grundsatz der Thermodynamik limitiert.
In den Grundgesetzen der Quantenphysik ist immer auch eine gewisse Unschärfe eingebaut. Man muss sich mit Zufall oder einem gewissen statistischen Rauschen zufriedengeben. Daraus ergeben sich ganz prinzipielle Grenzen für die erreichbare Genauigkeit. Bisher schien es ein unverrückbares Gesetz zu sein, dass man für eine doppelt so genaue Uhr auch mindestens doppelt so viel Energie braucht. Doch ein Forschungsteam der TU Wien, der ÖAW, der Universität Chalmers und der Universität Malta konnte nun zeigen: Mit speziellen Tricks lässt sich die Genauigkeit exponentiell steigern. Man verwendet zwei verschiedene Zeitskalen – ähnlich wie eine Uhr einen Sekunden- und einen Minutenzeiger gleichzeitig hat.

„Man kann analysieren, welche Uhren theoretisch überhaupt möglich wären“, sagt Marcus Huber vom Atominstitut der TU Wien. „Prinzipiell braucht jede Uhr zwei Komponenten: Erstens einen Taktgeber – etwa ein Pendel in der Pendeluhr, oder eben auch eine Quanten-Schwingung. Und zweitens einen Zähler – irgendein Element, das zählt, wie viele Zeiteinheiten, die vom Taktgeber definiert werden, nun bereits vergangen sind.“ Der Taktgeber kann immer wieder in exakt denselben Zustand zurückkehren. Das Pendel einer Pendeluhr befindet sich nach einer vollen Schwingung wieder genau dort, wo es zuvor war. Das Cäsium-Atom einer Atomuhr nimmt nach einer bestimmten Zahl von Schwingungen wieder genau denselben Zustand ein, den es zuvor schon eingenommen hatte. Der Zähler hingegen muss sich verändern – sonst ist die Uhr sinnlos.
„Das bedeutet, dass jede Uhr mit einem irreversiblen Prozess in Verbindung stehen muss“, sagt Florian Meier von der TU Wien. „In der Sprache der Thermodynamik gesprochen heißt das: Jede Uhr erhöht die Entropie im Universum, sonst ist sie keine Uhr.“ Das Pendel einer Pendeluhr erzeugt ein bisschen Wärme und Unordnung unter den Luftmolekülen ringsherum, jeder Laserstrahl, der den Zustand einer Atomuhr ausliest, sorgt für Wärme, für Strahlung und damit für Entropie. „Man kann nun überlegen, wie viel Entropie eine hypothetische Uhr mit extrem hoher Präzision erzeugen müsste – und dementsprechend auch, wie viel Energie eine solche Uhr benötigen müsste“, sagt Marcus Huber. „Bisher schien es da einen linearen Zusammenhang zu geben: Will man die tausendfache Präzision, muss man mindestens tausendmal so viel Entropie erzeugen und tausendmal so viel Energie aufwenden.“
Doch nun zeigte das Forschungsteam, dass man diese scheinbare Regel überlisten kann, indem man zwei verschiedene Zeitskalen einsetzt. „Man kann für die Zeitmessung zum Beispiel Teilchen verwenden, die von einem Bereich in den anderen wechseln, ähnlich wie Sandkörner die Zeit anzeigen, indem sie vom oberen Teil des Glases in den unteren fallen“, sagt Florian Meier. Man kann eine ganze Reihe solcher Zeitmessungs-Vorrichtungen hintereinanderschalten und zählen, wie viele davon bereits durchlaufen wurden – ähnlich wie ein Minutenzeiger zählt, wie viele Runden der Sekundenzeiger bereits absolviert hat.
„Auf diese Weise kann man die Genauigkeit steigern, aber nicht ohne dabei auch mehr Energie zu investieren“, sagt Marcus Huber. „Denn jedes Mal, wenn der eine Zeiger eine volle Runde absolviert und der Zeiger an einem neuen Ort gemessen wird – man könnte auch sagen: jedes Mal, wenn die Umgebung ringsherum bemerkt, dass dieser Zeiger an einen neuen Ort gewechselt hat – steigt die Entropie. Dieses Zählen ist ein unumkehrbarer Prozess.“ Die Quantenphysik erlaubt aber auch eine andere Form von Teilchentransport: Die Teilchen können nämlich auch quantenphysikalisch durch die gesamte Struktur wandern, also quasi über das gesamte Ziffernblatt, ohne irgendwo gemessen zu werden. In gewissem Sinn befindet sich das Teilchen dann während dieses Prozesses überall gleichzeitig, es hat keinen klar definierten Aufenthaltsort, bis es dann am Ende ankommt – und erst dort wird es tatsächlich gemessen, in einem unumkehrbaren Prozess, der die Entropie erhöht.
„Wir haben damit also einen schnellen Prozess, der keine Entropie verursacht – den Quantentransport – und einen langsamen, nämlich das Ankommen des Teilchens ganz am Ende“, erklärt Yuri Minoguchi. „Das entscheidende bei unserer Methode ist, dass sich der eine Zeiger rein quantenphysikalisch benimmt, und nur der andere, langsamere Zeiger tatsächlich mit einem entropie-erzeugenden Effekt einhergeht. „Und mehr noch - die Theorie kann mit einigen der fortgeschrittensten Quanten-Systemen getestet werden, die heute gibt: Mit supraleitenden Schaltkreisen, das ist mit unserer Technologie bereits in Reichweite”, sagt Simone Gasparinetti, Leiter des Teams an der Chalmers Universität. „Das ist ein wichtiges Resultat für die Forschung an hochpräzisen Quanten-Messungen, und für die Unterdrückung unerwünschter Fluktuationen“, sagt Marcus Huber, „und gleichzeitig hilft es uns auch, eines der großen, ungelösten Rätsel der Physik besser zu verstehen: Den Zusammenhang zwischen der Quantenphysik und der Thermodynamik.“
TU Wien / JOL