10.11.2025 • Astrophysik

Schwarze Löcher in alternativen Gravitationstheorien

Gibt es unterschiedliche Arten von Schwarzen Löchern? Neue Methode zusammen mit hochaufgelösten Beobachtungen stellt Einsteins Relativitätstheorie auf den Prüfstand.

Aufnahmen von Schwarzen Löchern sind mehr als nur faszinierende Bilder: Sie könnten künftig als „Testlabor“ für alternative Gravitationstheorien dienen. Ein internationales Team um Luciano Rezzolla hat eine neue Methode entwickelt, die prüft, ob Schwarze Löcher nach der Allgemeinen Relativitätstheorie oder nach anderen, exotischen Theorien „funktionieren“. Dazu haben die Wissenschaftler hochkomplexe Simulationen durchgeführt und messbare Kriterien abgeleitet, die mit zukünftigen, noch schärferen Teleskopen getestet werden können. Die Methode könnte in den nächsten Jahren zeigen, ob Einstein auch in den extremsten Regionen des Universums Recht behält.

Mit der gegenwärtigen Auflösung von Teleskopen sehen Schwarze Löcher verschiedener Gravitationstheorien noch sehr ähnlich aus. Künftige Teleskope werden die Unterschiede deutlicher sichtbar machen und ermöglichen, Einstein'sche Schwarze Löcher von anderen zu unterscheiden
Mit der gegenwärtigen Auflösung von Teleskopen sehen Schwarze Löcher verschiedener Gravitationstheorien noch sehr ähnlich aus. Künftige Teleskope werden die Unterschiede deutlicher sichtbar machen und ermöglichen, Einstein'sche Schwarze Löcher von anderen zu unterscheiden.
Quelle: L. Rezzolla / Goethe-Universität

Die vor wenigen Jahren von der Event Horizon Teles­cope (EHT) Kolla­bora­tion veröf­fent­lichten Bilder der Schwarzen Löcher im Zentrum der Galaxie M87 und unse­rer Milch­straße waren bahn­brechend. „Was man dort sieht, ist aller­dings nicht das Schwarze Loch selbst, sondern die heiße Materie in seiner direkten Umge­bung“, erin­nert Prof. Rezzolla, der mit seiner Gruppe an der Goethe-Univer­sität Frankfurt maßgeb­lich an den Ergeb­nissen beteiligt war. „Solange die Materie noch außer­halb des Ereignis­horizonts rotiert, bevor sie unwei­ger­lich eingesogen wird, kann sie letzte Licht­signale aus­senden, die wir prinzi­piell empfangen kön­nen.“

Auf solchen Bildern sieht man sozu­sagen den Schat­ten des Schwar­zen Lochs. Das eröff­net nun die Mög­lich­keit, die Theo­rien hinter diesen extre­men kosmi­schen Objek­ten ein­ge­hend zu prüfen. Bislang gilt Ein­steins Allge­meine Relati­vitäts­theorie als Gold­standard in der Physik, wenn es um die Be­schrei­bung von Raum und Zeit geht. Sie sagt die Existenz Schwarzer Löcher voraus, mitsamt all ihren Eigen­arten. Dazu gehört der Ereig­nis­hori­zont, hinter dem alles – auch das Licht – ver­schwin­det. „Doch es gibt auch andere, bis­lang noch hypo­the­tische Theo­rien, die eben­falls die Exis­tenz Schwar­zer Löcher vorher­sagen. Einige dieser An­sätze erfor­dern die An­wesen­heit von Mate­rie mit ganz beson­deren Eigen­schaften oder die Ver­letzung der uns bekann­ten physi­kali­schen Ge­setze“, sagt Rezzolla.

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Neue Dimensionen für Schwarze Löcher

Gemeinsam mit Kollegen des Tsung-Dao Lee Instituts in Shanghai (China) hat der Frank­furter Physiker eine neue Mög­lich­keit erarbeitet, solche alterna­tiven Theorien zu über­prüfen. Denn bislang gab es keine handfesten Daten, die eine Wider­legung oder Bestätigung dieser Theorien ermöglichten. Mit den Schattenbildern der super­masse­reichen Schwarzen Löcher wollen die Forscher genau das künftig reali­sieren.

„Dazu benötigt man zweier­lei“, erläutert Rezzolla. „Einer­seits hoch­aufge­löste Schatten­bilder der Schwarzen Löcher, um daraus ihren Radius möglichst gut bestim­men zu können, und anderer­seits eine theore­tische Beschreibung, wie stark die verschie­denen Ansätze von der Einstein’schen Relativi­täts­theorie abweichen.“ Die Wissen­schaftler haben nun eine umfas­sende Beschrei­bung vorge­legt, wie sehr sich ver­schie­dene Arten hypothe­tischer Schwarzer Löcher von der Rela­tivitäts­theorie unter­scheiden und wie sich dies in den Schatten­bildern nieder­schlägt. Um dies zu unter­suchen, führte das Team hoch­komplexe drei­dimen­sio­nale Com­pu­ter­simula­tionen durch, die das Ver­halten von Materie und Magnet­feldern in der gekrümm­ten Raum­zeit in der Umge­bung der Schwarzen Löcher nach­bilden. Aus diesen Simula­tionen erzeugten die Forschenden dann synthe­tische Bilder des leuch­tenden Plasmas.

„Die zentrale Frage war: Wie stark unter­scheiden sich die Bilder von Schwarzen Löchern in verschie­denen Theorien voneinander?“, erklärt Akhil Uniyal vom Tsung-Dao Lee Institut. Daraus konnten sie eindeu­tige Kriterien ableiten, anhand derer man mit künftigen, hoch­aufge­lösten Messungen in vielen Fällen eine Ent­schei­dung für eine bestimme Theorie treffen kann. Die Bild­unter­schiede sind zwar mit der gegenwärtigen Auflösung des EHT noch zu klein, wachsen aber systematisch mit verbesserter Auflösung. Hierzu haben die Physiker eine allgemeingültige Charak­te­risie­rung von Schwarzen Löchern entwickelt, die sehr unter­schied­liche theore­tische Ansätze zusammen­fasst.

„Einer der wichtigsten Beiträge, den die EHT-Kollaboration zur Astrophysik geleistet hat, ist die Verwand­lung von Schwarzen Löchern in testbare Objekte“, betont Rezzolla. „Unsere Erwar­tung ist es, dass die Relativi­täts­theorie sich auch künftig bewährt, so wie sie es bislang immer wieder getan hat.“ Bislang passen die Ergebnisse zu Einsteins Theorie. Die Mess­unsicher­heit ist jedoch noch so groß, dass nur einige, sehr exotische Möglich­keiten ausge­schlossen werden konnten. So dürfte es sich bei den beiden Schwarzen Löchern im Zentrum von M87 und unserer Milch­straße weder um nackte Singu­laritäten noch um Wurmlöcher handeln – um nur zwei der vielen anderen theoretischen Möglich­keiten zu nennen, die es zu über­prüfen gilt. „Und auch die etablierte Theorie muss man immer wieder testen, gerade an extremen Objekten wie Schwarzen Löchern“, ergänzt der Physiker. Es wäre eine Sensation, falls sich Einsteins Theorie irgendwann als hinfällig erwiese.

Für solche Messungen bietet das EHT hervorragende Mög­lich­keiten. Dieser Zusammenschluss mehrerer großer Radioteleskope quer über den Globus erreicht eine Auflösung wie ein Teleskop von der Größe der Erde – und hat so den scharfen Blick in die unmit­telbare Umgebung der Schwarzen Löcher überhaupt erst möglich gemacht. In Zukunft sollen nicht nur weitere Teleskope auf der Erde zum EHT hinzuge­schaltet werden. Die Wissen­schaftler hoffen auch auf ein Radioteleskop im Weltall. Das würde die Gesamt­auflösung noch einmal deutlich verbessern. Mit einem so hoch­auflösenden Blick könnte man die verschie­denen Theorien zu Schwarzen Löchern einem strengen Test unterziehen. Wie die nun vorge­stellte Studie zeigt, benötigt man dazu Winkel­auflösungen von unter­halb einer mil­lionstel Bogen­sekunde – das entspricht etwa dem Blick auf eine Münze auf dem Mond von der Erde aus. Noch über­steigt das die heutigen Mög­lich­keiten, soll in einigen Jahren aber erreicht werden. [U Frankfurt / dre]

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