15.09.2025

„Schwarzloch-Sterne“ könnten JWST-Rätsel lösen

Handelt es sich bei den vom James-Webb-Weltraumteleskop beobachteten „kleinen roten Punkten“ um supermassereiche Schwarze Löcher mit einer sternartigen Atmosphäre?

Im Sommer 2022, weniger als einen Monat nachdem das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) seine ersten wissenschaftlichen Bilder geliefert hatte, fiel Astronom*innen in den Beobachtungen eine ungewöhnliche neue Art von Objekt auf: extrem kompakte, rötliche Himmelsobjekte, von denen es eine beträchtliche Anzahl zu geben schien. Das JWST hatte offenbar eine ganz neue Population astronomischer Objekte entdeckt, die dem UV-empfindlichen Hubble-Weltraumteleskop entgangen war und auf den deskriptiven Namen „kleine rote Punkte“ (little red dots) getauft wurde. Worum es sich bei diesen Objekten handelt, war lange rätselhaft. Jetzt stützen neue Beobachtungen einer Gruppe von Forschenden unter der Leitung von Anna de Graaff vom MPI für Astronomie einen neuartigen Lösungsansatz: es könnte sich um supermassereiche Schwarze Löcher handeln, deren Erscheinungsbild aufgrund eines ungewöhnlichen Gasmantels dem von einzelnen Sternen ähnelt.

Wie JWST-Beobachtungen zeigten, sind die betreffenden Objekte sehr weit von uns entfernt sind. Selbst das Licht der nächstgelegenen Exemplare hat 12 Milliarden Jahre gebraucht, um uns zu erreichen. Eine der ersten Interpretationen sah die kleinen roten Punkte als Galaxien an, die extrem reich an Sternen waren, und deren Licht durch riesige Mengen an Staub in ihrer Umgebung rötlich eingefärbt war. Dazu müsste ein Kubiklichtjahr mehrere hunderttausend Sterne enthalten, entgegen aller bisherigen Galaxien- und Sternentstehungsmodelle. Ein anderer Erklärungsversuch basierte dagegen auf aktive Galaxienkerne, die jedoch ebenfalls durch reichlich Staub verdeckt waren. Diese Interpretation erfordert jedoch extrem große Massen für die supermassereichen Schwarzen Löcher im Zentrum dieser Objekte erfordern.

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Volker Bromm • 6/2024 • Seite 20

Galaxien am Rand des Universums

Ein weiteres Beobachtungs­programm sollte anhand aufgenommener Spektren Klarheit verschaffen. In „Red Unknowns: Bright Infrared Extra­galactic Survey“ (RUBIES) fanden sich 35 kleine rote Punkte. Die meisten davon waren bereits anhand öffentlich zugänglicher JWST-Bilder entdeckt worden. Aber gerade die neu entdeckten Objekte erwiesen sich als besonderes extreme und faszinierende Vertreter. Am interes­santesten war das Spektrum eines Objekts, das den Namen „The Cliff“ erhielt, abgeleitet vom auffälligsten Merkmal seines Spektrums: einem steilen Anstieg der Strahlungs­leistung im ultra­violetten Bereich, der durch die Rotver­schiebung von z = 3,55 allerdings im Nah­infrarot­bereich liegt. Solche „Balmer-Breaks“ finden sich typischer­weise im Spektrum von Galaxien, die bis kurz zuvor noch neue Sterne gebildet haben, in denen innerhalb der letzten 100 Millionen Jahre aber nur wenige bis gar keine neuen Sterne entstanden sind. Im Falle solcher Galaxien ist der Anstieg jedoch weit weniger steil als bei The Cliff.

Mit diesem unüber­sehbaren, ungewöhn­lichen Merkmal schien The Cliff zu keiner der Interpre­tationen zu passen, die bis dahin für kleine rote Punkte vorge­schlagen worden waren. Aber de Graaff und ihre Kolleg:innen wollten sichergehen. Sie konstruierten verschie­dene Varianten aller Modelle, in denen kleine rote Punkte entweder als masse­reiche stern­bildende Galaxien oder als staubumhüllte aktive Galaxien­kerne model­liert werden, versuchten, ob sich das Spektrum von The Cliff mit den jewei­ligen Modellen reprodu­zieren ließ, aber scheiterten jedes Mal – es ähnelte eher dem Spektrum eines einzelnen Sterns als dem einer ganzen Galaxie.

Auf dieser Grundlage entwickelten de Graaff und ihre Kollegen das Modell der „Schwarzloch-Sterne“, abgekürzt als BH*. Im Inneren eines solchen Objekts sitzt ein aktiver galak­tischer Kern, also ein super­masse­reiches Schwarzes Loch mit einer Akkretions­scheibe. Dieses Zentral­objekt ist jedoch nicht von Staub umgeben, sondern von einer dicken Hülle aus Wasser­stoff­gas. Der aktive Galaxien­kern erwärmt diese, genau wie das durch Kern­fusion angetrie­bene Zentrum eines Sterns die äußeren Schichten des Sterns erwärmt. Das äußere Erschei­nungs­bild eines Schwarzloch-Sterns und eines herkömmlichen Sterns weisen daher deutliche Ähnlich­keiten auf.

Die von de Graaff und seinen Kollegen zu diesem Zeitpunkt formu­lierten Modelle sind Pionier­arbeit, und bei weitem noch nicht voll­ständig ausge­arbeitet. Dennoch beschreiben bereits die jetzigen Versionen der Schwarzloch-Stern-Modelle die Daten viel besser als die möglichen Alternativen. Insbe­sondere lässt sich die Form der namens­gebenden Klippe im Spektrum gut erklären, wenn man von einer turbulenten, dichten, kugelförmigen Gashülle um einen aktiven Galaxienkern ausgeht. Aus dieser Perspektive wäre „The Cliff“ ein extremes Beispiel, bei dem der zentrale Schwarzloch-Stern die Helligkeit des Objekts dominiert. Das Licht der anderen kleinen roten Punkte wäre eine gleichmäßigere Mischung aus der Strahlung des zentralen Schwarzloch-Sterns und dem Licht von Sternen und Gas in der den Schwarzloch-Stern umgebenden Galaxie. [MPIA / PSU / dre]

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