Neue EHT-Bilder zeigen Polarisationswechsel bei M87*
Beobachtungen bestätigen Einsteins Vorhersagen eines stabilen Schwarzen-Loch-Schattens und decken Turbulenzen im Magnetfeld und in der Jet-Bildung auf.
Die Event Horizon Telescope (EHT)-Kollaboration hat mit maßgeblicher Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) neue, detaillierte Bilder des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum der Galaxie M87 veröffentlicht. Diese zeigen eine dynamische Umgebung mit sich verändernden Polarisationsmustern in der Nähe des Schwarzen Lochs. Zum ersten Mal haben die Forscherinnen und Forscher in den EHT-Daten auch Anzeichen für eine ausgedehnte Emission in der Nähe der Jet-Basis entdeckt, wo der Jet mit dem Ring um das Schwarze Loch verbunden ist. Die aktuellen Beobachtungen bieten neue Einblicke in das Verhalten von Materie und Energie in den extremen Umgebungen um Schwarze Löcher.
Die Galaxie Messier 87 liegt etwa 55 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt und beherbergt ein Schwarzes Loch mit mehr als sechs Milliarden Mal Sonnenmassen. Das EHT – ein globales Netzwerk von Radioteleskopen, das ein virtuelles Observatorium von der Größe der Erde darstellt – hat 2019 erstmals das ikonische Bild vom Schattens des Schwarzen Lochs von M87 aufgenommen und 2021 Karten der polarisierten Radiostrahlung hinzugefügt. In der Astronomie bezieht sich Polarisation auf die Ausrichtung von Lichtwellen, die Aufschluss über die Struktur und Stärke von Magnetfeldern im Weltraum ermöglicht Durch den Vergleich der Beobachtungen aus den Jahren 2017, 2018 und 2021 sind Wissenschaftler nun einen wichtigen Schritt weiter gekommen, und können zeigen, wie sich die Magnetfelder in der Nähe des Schwarzen Lochs im Laufe der Zeit verändern.
Zwischen 2017 und 2021 kehrte sich das Muster der polarisierten Radiostrahlung unerwartet um. Im Jahr 2017 schienen sich die Magnetfelder in eine Richtung zu drehen. Bis 2018 hatten sie sich stabilisiert. Im Jahr 2021 erfolgte eine Umkehrung, worauf sie sich in entgegengesetzter Richtung drehten. Solche Veränderungen können sowohl auf die magnetische Struktur des Schwarzen Lochs selbst als auch auf dazwischenliegende Materie zurückzuführen sein, die die Polarisation des Lichts auf seinem Weg zur Erde verzerrt. Zusammengenommen deuten diese Schwankungen auf eine sich entwickelnde, turbulente Umgebung hin, in der Magnetfelder eine entscheidende Rolle dabei spielen, wie Materie in das Schwarze Loch fällt und wie Energie in den nach außen gerichteten Jet geleitet wird. Dieses überraschende Verhalten stellt bestehende Modelle in Frage und unterstreicht, wie viel über die Prozesse in der Nähe des Ereignishorizonts noch aufzuklären bleibt.
„Bemerkenswert ist, dass die Ringgröße über die Jahre hinweg konstant geblieben ist – was den von Einsteins Theorie vorhergesagten Schatten des Schwarzen Lochs bestätigt – während sich das Polarisationsmuster erheblich verändert hat“, sagt Paul Tiede, Astronom am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics und einer der Leiter der neuen Studie. „Dies zeigt uns, dass das magnetisierte Plasma, das in der Nähe des Ereignishorizonts wirbelt, alles andere als statisch ist. Es ist dynamisch und komplex und bringt unsere theoretischen Modelle an ihre Grenzen.“
Entscheidend bei den EHT-Beobachtungen 2021 war der Einsatz zwei neuer Teleskope – Kitt Peak in Arizona und NOEMA in Frankreich – die die Empfindlichkeit und Bildschärfe des Teleskop-Netzwerks nochmals verbesserten. Dadurch konnten Wissenschaftler zum ersten Mal mit dem EHT die Emissionsrichtung der Basis des relativistischen Jets von M87 eingrenzen – einem schmalen Strahl energiereicher Teilchen, der mit nahezu Lichtgeschwindigkeit vom Schwarzen Loch weg strömt. Technische Leistungsverbesserungen am Grönland-Teleskop und am James-Clerk-Maxwell-Teleskop haben die Datenqualität im Jahr 2021 weiter verbessert.
„Die verbesserte Kalibrierung hat zu einer bemerkenswerten Steigerung der Datenqualität und der Leistung des Netzwerks geführt, wobei neue kurze Basislinien – zwischen NOEMA und den 30-Meter-Teleskopen von IRAM sowie zwischen Kitt Peak und SMT – erste einschränkende Bedingungen für die schwache Emission an der Basis des Jets liefern“, sagt Sebastiano von Fellenberg, ehemals MPI für Radioastronomie und jetzt Humboldt-Lynen-Stipendiat am CITA der Universität Toronto, der sich auf die Kalibrierung für das Projekt konzentrierte. „Dieser Sprung in der Empfindlichkeit verbessert auch unsere Fähigkeit, Details in den Polarisationssignalen zu erkennen.“
Diese mehrjährigen Bilder vertiefen unser Verständnis einer der extremsten Umgebungen des Universums. Sie bestätigen Einsteins Vorhersagen und decken gleichzeitig eine neue Komplexität in Magnetfeldern und der Entstehung von Jets auf, wodurch sie einen noch nicht gekannten Einblick in die unmittelbare Umgebung des Schwarzen Lochs bieten. [MPIfR / dre]