16.05.2025

Protoplanetare Scheiben inmitten der Milchstraße

Bisher genaueste Kartierung dreier Regionen in der zentralen molekularen Zone erstellt.

In den vergangenen Jahrzehnten haben Astronominnen und Astronomen hunderte von protoplanetaren Scheiben entdeckt – Strukturen, die vermutlich die frühen Stadien unseres eigenen Sonnensystems abbilden. Die meisten dieser Scheiben spiegeln wahrscheinlich nicht die extremen Bedingungen wider, die in anderen Teilen der Milchstraße herrschen. Eine der dynamischsten und turbulentesten Regionen ist die zentrale molekulare Zone (Central Molecular Zone – CMZ) in der Nähe des Galaktischen Zentrums der Milchstraße. Der dort vorherrschende hohe Druck und eine hohe Dichte führen zu einer grundlegend anderen Art der Stern- und Planetenentstehung. Die Erforschung protoplanetarer Systeme in der CMZ bietet die einzigartige Möglichkeit, bestehende Theorien zur Entstehung von Sonnensystemen zu testen und zu präzisieren.

Abb.: Galerie von protoplanetaren Scheiben.
Abb.: Galerie von protoplanetaren Scheiben.
Quelle: ALMA / S. Orcajo et al.

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Ein internationales Team von Forschenden des Kavli-Instituts für Astronomie und Astrophysik der Universität Peking, des Shanghai Astronomical Observatory und des Instituts für Astrophysik der Universität zu Köln hat zusammen mit mehreren Kooperationspartnern die bisher genaueste und umfassendste Untersuchung mit der höchsten Auflösung von drei repräsentativen Molekülwolken in der CMZ der Milchstraße durchgeführt. Ihre Beobachtungen zeigen über fünfhundert dichte Molekülwolkenkerne: die Geburtsstätten von Sternen.

Es ist eine große Herausforderung, solche Systeme in der CMZ ausfindig zu machen, da sie weit entfernt, schwach und umhüllt von dicken Schichten interstellaren Staubs sind. Mithilfe des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in der chilenischen Atacama-Wüste gelang es dem Forschungsteam, diese Systeme zu untersuchen. ALMA erreicht eine außergewöhnliche Winkelauflösung. „Damit können wir Strukturen auflösen, die bei Entfernungen von circa siebzehn Milliarden astronomischen Einheiten – so weit weg ist die CMZ –, lediglich tausend astronomische Einheiten groß sind“, sagt Xing Lu, Forscher am Shanghai Astronomical Observatory.

Durch die Neukonfiguration des Arrays und die Beobachtung bei mehreren Frequenzen führte das Team Dual-Band-Beobachtungen durch, wobei zwei verschiedene Wellenlängen mit derselben räumlichen Auflösung erfasst werden. Die Dual-Band-Bildgebung liefert wichtige spektrale Informationen über die Temperatur, die Staubeigenschaften und die Struktur dieser entfernten Systeme. Zu ihrer Überraschung stellten die Forschenden fest, dass mehr als siebzig Prozent der dichten Kerne deutlich röter erschienen als erwartet. Nachdem sie Beobachtungsfehler und andere mögliche Erklärungen ausgeschlossen hatten, stellten sie zwei mögliche Erklärungen auf, die beide auf eine weite Verbreitung protoplanetarischer Scheiben hindeuten. 

„Wir waren erstaunt, diese kleinen roten Punkte überall in der Molekülwolke zu entdecken“, sagt Fengwei Xu, der derzeit am Institut für Astrophysik der Universität zu Köln forscht. „Sie geben uns Aufschluss über die versteckten Eigenschaften von dichten Sternentstehungskernen.“ Eine mögliche Erklärung ist, dass es sich bei diesen Kernen entgegen früheren Annahmen nicht um transparente, homogene Kugeln handelt. Stattdessen könnten sie kleinere, optisch dickere Strukturen enthalten, möglicherweise protoplanetare Scheiben, deren Selbstabsorption bei kürzeren Wellenlängen zu der beobachteten Rötung führt. „Dies stellt unsere ursprüngliche Annahme von kanonisch dichten Kernen in Frage“, sagt Astronom Ke Wang.

Eine andere Möglichkeit ist das Wachstum von Staubkörnern in diesen Systemen. „Im diffusen interstellaren Medium sind Staubkörner in der Regel nur wenige Mikrometer groß“, sagt Hauyu Baobab Liu vom Fachbereich Physik der Sun-Yat-sen-Nationaluniversität, der für die Modellierung des Strahlungstransfers in der Studie verantwortlich war. „Unsere Modelle deuten jedoch darauf hin, dass einige Kerne millimetergroße Körner enthalten könnten, die sich nur in protoplanetaren Scheiben bilden und dann möglicherweise durch protostellare Ausströmungen ausgestoßen werden.“

Unabhängig davon, welches Szenario sich als richtig erweisen wird, setzen beide die Existenz protoplanetarer Scheiben voraus. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich allein in den drei untersuchten CMZ-Wolken bereits über dreihundert solcher Systeme gebildet haben könnten. „Es ist aufregend, dass wir mögliche Vorkommen von protoplanetaren Scheiben im galaktischen Zentrum entdeckt haben. Die Bedingungen dort sind ganz anders als in unserer Nachbarschaft. Wir haben nun die Möglichkeit, die Planetenentstehung in dieser extremen Umgebung zu untersuchen“, sagt Peter Schilke von der Universität zu Köln.

U. Köln / JOL

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