Der Trailer zum kosmischen Film
Die ersten Bilder des Vera C. Rubin Observatoriums wurden veröffentlicht.
Alexander Pawlak
Was hätte wohl ein Pionier der Astrofotografie wie Max Wolf zu den ersten Bildern des Vera-Rubin-Observatoriums gesagt, die am 23. Juni der Öffentlichkeit präsentiert wurden? Vermutlich wäre er sprachlos gewesen angesichts der ersten Aufnahmen der mit 3,2 Gigapixel größten Digitalkamera der Welt.
Dabei war das erste Bild, das zu sehen war, nur ein kleiner Ausschnitt der als „Cosmic Treasure Chest“ (kosmische Schatzkiste) betitelten Aufnahme, die für eine adäquate Darstellung einen HD-Bildschirm von der Größe eines Basketballfeldes benötigen würde. Darauf sind rund 10 Millionen Galaxien zu sehen, die grob 0,05 Prozent der rund 20 Milliarden Galaxien entsprechen, die das Rubin Observatory während seiner zehnjährigen Beobachtungskampagne, die Ende des Jahres startet, erfassen wird.
Das gesamte Bild lässt sich am besten als Video zeigen oder über die online verfügbare Skyviewer-App erkunden. Hochaufgelöste Bilder finden sich in der First-Look-Galerie. Die vollständige Aufnahme des „Cosmic Treasure Chest“ in höchster Auflösung kommt dabei auf 14,1 GigaByte.




Das Vera C. Rubin Observatorium in Chile ist ein gemeinsames Projekt der US-amerikanischen National Science Foundation und des US Department of Energy’s Office of Science. Herzstück ist das 8,4-Meter Simonyi Survey Telescope mit der größten jemals gebauten Digitalkamera. Diese Kamera erfasst mit jedem Bild eine Fläche am Himmel, die mehr als der 40-fachen Fläche des Vollmonds entspricht.
Diese Bilder sind somit flächenmäßig rund 10.000-mal größer als diejenigen, die das James Webb Space Telescope (JWST) aufnimmt, das wiederum detailreichere Aufnahmen liefert und vor allem im Infrarotbereich empfindlich ist. Doch während das JWST statische Bilder liefert, ermöglicht das Vera Rubin Observatory gewissermaßen kosmische Filme bereits ab der Stundenskala, also astronomisch gesehen kurzen Zeiten. Damit gelang es bereits in einer Woche Testbetrieb über 2000 bislang unbekannte Asteroiden nachzuweisen.
Dank des schnellen Teleskopantriebs lässt sich der Südhimmel alle drei bis vier Nächte vollständig abbilden. Die Himmelsdurchmusterung – Legacy Survey of Space and Time (LSST) genannt – soll Ende des Jahres beginnen, zehn Jahre andauern und am Ende den gesamten einsehbaren Himmel etwa 800-mal abgebildet haben. Forschende erwartet ein Datensatz mit rund 40 Milliarden Himmelsobjekten, darunter Sterne der Milchstraße, ferne Galaxien und auch Objekte unseres Sonnensystems wie etwa Asteroiden.
Dabei wird es möglich sein, die kurzzeitigen Helligkeitsänderungen von veränderlichen Sternen, das Flackern aktiver Galaxienkerne oder Supernovae zu beobachten. Eine besondere Form der Explosion ist die Kilonova, hier kollidieren kompakte Neutronensterne und erzeugen dabei schwere Elemente wie etwa Gold. Bisher ließen sich nur wenige Kilonovae beobachte. Das soll das Legacy Survey of Space and Time ändern.
Die Kartierung von Milliarden von Galaxien sowie Galaxienhaufen bis in enorme Entfernungen soll neue Erkenntnisse darüber liefern, wie Dunkle Materie die Entwicklung von Galaxien und wie Dunkle Energie die Ausdehnung des Universums beeinflussen.
Hier zeigen sich Parallelen zur Forschung der Astronomin Vera Rubin, der Namensgeberin des Observatoriums. Zusammen mit ihrem Kollegen Kent Ford konnte sie nach langwierigen Beobachtungen 1970 zeigen, dass es eine unsichtbare Materie, später Dunkle Materie genannt, gibt. Diese stellt 85 Prozent der Gesamtmaterie im Universum dar und macht sich nur über ihre gravitative Wirkung bemerkbar.

Auch die Computer-Infrastruktur des Vera-Rubin-Observatoriums ist neuartig. Dank dessen enormer Rechenleistung lassen sich jede Nacht etwa 20 Terabyte an Daten verarbeiten und dabei bis zu zehn Millionen Veränderungen der beobachteten Objekte am Himmel erfassen.
In Deutschland sind unter anderem das Astronomische Rechen-Institut, das zum Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg gehört, und das Max-Planck-Institut für Astronomie am Projekt beteiligt und leisten Beiträge zur Softwareentwicklung. Sie erhalten dadurch bevorzugten Zugang zu den Daten des Teleskops.
„Wir erleben in dieser Dekade eine Transformation der Astronomie. Das Datenvolumen, das neue Teleskope aufzeichnen, ist beispiellos, auch dank eines Booms von Durchmusterungsteleskopen wie Vera Rubin“, sagt Esra Bulbul, Astronomin am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München. „Das macht es für uns Forschende der Astronomie und der theoretischen Astrophysik besonders spannend, denn die Menge an Daten und ihre immer höhere Präzision und Qualität wird uns wohl erlauben, ganz neue Physik zu entdecken.“
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