28.01.2025

Zwischen Metall und Isolator

Verbindung zwischen verschiedenen Quantenzuständen gilt für viele Materalien.

Es ist ein Grundprinzip der Quantentheorie: Manchmal können bestimmte physikalische Größen nur ganz bestimmte Werte annehmen, der Bereich dazwischen ist physikalisch einfach nicht erlaubt. Diese Tatsache spielt eine entscheidende Rolle für das Verhalten von Materialien. Für die Elektronen des Materials sind bestimmte Energiebereiche möglich, andere hingegen nicht. Dadurch lässt sich unter anderem der Unterschied zwischen elektrisch leitenden Metallen und nichtleitenden Isolatoren erklären.


Abb.: Karsten Held und Juraj Krsnik
Abb.: Karsten Held und Juraj Krsnik

Quelle: TU Wien

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Manchmal können aber überraschende Verbindungen zwischen erlaubten Bereichen entstehen, durch die Elektronen von einem Bereich in den anderen überwechseln können. Einen solchen ungewöhnlichen Übergangsbereich entdeckte man 2007 in bestimmten kupferhaltigen Materialien, den Cupraten. An der TU Wien konnte man nun zeigen: Das sind keine exotischen Spezialfälle, dieser Effekt muss sogar zwingend auftreten, wenn die Wechselwirkung zwischen den Elektronen groß genug ist. Das bedeutet: Es gibt einen zusätzlichen Zustand zwischen Metall und Isolator.

„Ein Elektron, das sich im Atom um den Atomkern bewegt, kann nur ganz bestimmte Energiewerte annehmen. Alles dazwischen ist verboten, es kann höchstens von einem erlaubten Energiewert zu einem anderen erlaubten Energiewert wechseln, das bezeichnet man dann als Quantensprung“, sagt Karsten Held vom Institut für Festkörperphysik der TU Wien. „Bei den Elektronen im Festkörper ist es etwas komplizierter, da sind nicht bloß bestimmte Energiewerte erlaubt, sondern ganze Energiebereiche – man spricht von Energiebändern.“

Sowohl die Energie als auch der Impuls der Elektronen spielt hier eine Rolle: Das Elektron kann unterschiedlich hohe Impuls-Werte annehmen, dadurch variiert auch seine Energie – aber eben nur innerhalb eines bestimmten Bereichs. Um von einem erlaubten Energiebereich in den nächsthöheren gelangen, ist eine kräftigere Portion Zusatz-Energie nötig.

Bei Isolatoren sind diese erlaubten Energiebänder durch einen breiten „verbotenen“ Bereich voneinander getrennt. Somit gelingt es den Elektronen nicht, von einem Band mit geringer Energie, bei dem jedes Elektron an seinen Atomkern gebunden bleibt, zu einem Band mit höherer Energie zu wechseln, in dem es sich von Atom zu Atom durch das Material bewegen könnte. Alle Elektronen bleiben an ihrem Platz, elektrischer Strom kann nicht fließen. In einem elektrisch leitenden Material hingegen gibt es keinen solchen „verbotenen Bereich“, die Elektronen können sich leicht bewegen.

„Wie diese erlaubten und verbotenen Energiebänder angeordnet sind, hängt vom Material ab, vor allem davon, wie stark die Elektronen in diesem Material wechselwirken“, sagt Karsten Held. Diese Stärke der Elektronen-Wechselwirkung kann man anpassen, indem man gezielt eine bestimmte Anzahl von Fremdatomen in das Material einbaut. Man spricht dann von einem dotierten Material, diese Technik wird in der Halbleiter-Herstellung routinemäßig eingesetzt.

Wenn man diese Wechselwirkungs-Stärke kontinuierlich ändert, dann kann es passieren, dass aus einem erlaubten Energie-Bereich zwei getrennte erlaubte Energie-Bereiche werden. „In diesem Fall ist es besonders interessant, welche Struktur sich hier ergibt und welche möglichen Kombinationen von Energie und Impuls sich ergeben“, sagt Karsten Held.

„Wir fanden heraus, dass beim Prozess der Trennung in zwei erlaubte Energiebänder diese beiden Bänder zunächst noch miteinander verbunden bleiben, durch eine Art Quanten-Nabelschnur“, so Karsten Held. Bei den meisten Impuls-Werten muss sich das Elektron entscheiden: Es kann sich nur entweder im oberen oder im unteren Energieband befinden. Aber es gibt einen Impuls-Wert, bei dem ein breiter Bereich von Energie-Werten möglich ist – er verbindet beide Bänder. Solche Anomalien, mit einem Impuls-Wert, aber vielen Energie-Werten wurden bereits früher in Experimenten gefunden, die Ursache blieb aber zunächst unklar.

Juraj Krsnik und Karsten Held von der TU Wien gelang es nun zu zeigen, dass dieses Phänomen kein exotischer Einzelfall ist, sondern dass es zwingendermaßen zu diesem „Nabelschnur-Effekt“ kommen muss, wenn die Wechselwirkungsstärke zwischen den Elektronen in einem bestimmten Bereich fällt. Das bedeutet, dass man bei der Kategorisierung von Festkörpern nun eine weitere Zustands-Klasse berücksichtigen muss. Das ist nicht neu in der Festkörperphysik – so wurde etwa 2016 der Physik-Nobelpreis für topologische Zustände in Supraleitern vergeben, die ebenfalls durch einen ganz bestimmten Zusammenhang zwischen Energie- und Impuls-Werten definiert sind.

Trotzdem kommt das Ergebnis durchaus überraschend: „Wir konnten ganz klar zeigen, dass diese Nabelschnur-artige Verbindung ganz natürlicherweise auftreten muss, wenn sich ein Energieband von einem anderen abspaltet“, sagt Karsten Held. „Das eröffnet einen ganz neuen Blick auf technologisch hochinteressante Materialklassen, und zeigt uns: Zwischen elektrischen Leitern und Isolatoren gibt es doch noch mehr an Materialwissenschaft, als man bisher dachte.“

TU Wien / DE


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