Einsatzmöglichkeiten von KI im Physikunterricht
DPG-Lehrkräftefortbildung
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Argentinisch-deutsches WE-Heraeus-Seminar
828. WE-Heraeus-Seminar
Physikidentität: Wege zur Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls in der Physik
Zu Beginn der Geschlechterforschung in der Physik lag der Fokus auf der generellen Unterrepräsentation von Frauen, den strukturellen Barrieren, die ihnen den Zugang zum Fach erschweren, sowie auf Exklusions-Mechanismen. Seit den 2000er-Jahren liegt der Fokus zunehmend auf den Fragen, welche Faktoren Frauen dazu motivieren, sich mit Physik zu identifizieren, und welche sozialen Prozesse beeinflussen, ob sie als Teil der physikalischen Gemeinschaft wahrgenommen werden.
Dass Frauen in der Physik unterrepräsentiert sind, beginnt schon in der Schule: So wählen nur zwei Prozent der Schülerinnen Physik als Leistungskurs in der Oberstufe, während es 2020 in Nordrhein-Westfalen zehn Prozent der Jungen waren [1]. Auch im Physikstudium sind Frauen eine Minderheit. Ihr Anteil stagniert seit einiger Zeit bei etwa 25 Prozent (22 Prozent im Fachstudium Physik und 37 Prozent mit Schwerpunkt Physik). Auf der akademischen Karriereleiter sinken diese Zahlen weiter. In der DPG liegt der Anteil an weiblichen Mitgliedern bei rund 16 Prozent [2]. Damit bleibt Physik ein männlich konnotiertes Fach, was sich auch in medialen Darstellungen von Physik und Stereotypen manifestiert.
Dies ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. Physikalische Denk- und Arbeitsweisen sowie Wissen leisten einen wichtigen Beitrag für ein umfassendes Verständnis der Welt [3] – auch für gesellschaftlich relevante Herausforderungen wie den Klimawandel. Wenn vielen Mädchen und Frauen der Zugang zur Physik fehlt, entgehen ihnen dieser Aspekt der Bildung und die Möglichkeit, sich entsprechend gesellschaftlich zu engagieren. Durch das geringe Interesse an Physik nehmen Frauen stark physikbezogene Berufe als weniger attraktiv wahr und ergreifen diese seltener. In diesen Berufsfeldern ist der Fachkräftemangel jedoch groß [4]. Auch für die Entwicklung der Physik selbst ist der geringe Frauenanteil auf den höheren Stufen der akademischen Karriereleiter problematisch. Eine (allzu) homogene Physik läuft Gefahr, blinde Flecken in Forschung und Lehre zu entwickeln, weil geteilte Annahmen und Perspektiven nicht ausreichend kritisch reflektiert werden. Umgekehrt und kurz gesagt: Diversität fördert Exzellenz [5]. (...)
In der Mittelstufe gibt es verschiedene Ansätze, um das Energiekonzept zu vermitteln.
Das Energiekonzept ist in der Physik zentral. Mit seiner Hilfe lassen sich Probleme in vielen Sachgebieten und an deren Schnittstellen von der klassischen Mechanik bis zur modernen Quantenphysik elegant lösen. Das Energiekonzept spielt aber auch darüber hinaus eine wichtige Rolle. So erfordert der angemessene Umgang mit einigen der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wie dem Klimawandel oder der Energiekrise ein entsprechendes Energieverständnis.
Der großen Bedeutung des Energiekonzepts stehen die Schwierigkeiten gegenüber, die Schülerinnen und Schüler mit seinem Verständnis haben. Dies liegt einerseits in der alltäglichen Verwendung des Begriffs Energie begründet und andererseits in der abstrakten Natur des physikalischen Energiekonzepts. Im Alltag ist oft von Energieerzeugung oder -verbrauch die Rede, oder Energie wird gleichgesetzt mit anderen physikalischen Konzepten: „Die Sonne hat viel Kraft.“ In der Folge kommen die Schülerinnen und Schüler mit einem breiten Spektrum von Vorstellungen zum Energiekonzept in den Schulunterricht. Sie setzen Energie mit menschlicher Aktivität gleich („Ich habe heute viel Energie!“), stellen sich Energie als eine Art universellen Treibstoff vor („Wir laden unser Auto mit Solarenergie!“) oder verstehen Energie als Ressource, die für unsere Gesellschaft von zentraler Bedeutung ist („Wir brauchen mehr Windenergie!“) [1].
Die zentrale Bedeutung des Energiekonzepts leitet sich vor allem aus der abstrakten Eigenschaft ab, dass die Energie eines abgeschlossenen Systems erhalten bleibt. Dies setzt ein Verständnis davon voraus, wie, beziehungsweise in welchen Formen, sich Energie in einem System manifestieren kann; was es also heißt, dass sich diese Formen ineinander umwandeln oder dass Energie in einer gegebenen Form von einem Teil des Systems in ein anderes übergehen kann; dass dabei immer ein Teil der Energie in innere Energie des Systems umgewandelt wird, die Energie des Systems insgesamt aber erhalten bleibt – sofern es abgeschlossen ist [2].
Neuere Forschung zeigt, dass sich das Verständnis der Schülerinnen und Schüler von Energie schrittweise entwickelt – von einem durch Alltagserfahrungen geprägten Verständnis über eines der unterschiedlichen Energieformen, die sich ineinander umwandeln, bis hin zu einem Verständnis, dass und unter welchen Bedingungen Energie erhalten bleibt [3]. Diese Forschung weist aber auch auf eine Reihe von Schwierigkeiten im Verlauf dieser Entwicklung hin. So haben Schülerinnen und Schüler Schwierigkeiten, Energie als Eigenschaft eines Systems zu verstehen [4], interpretieren die Dissipation von Energie als Umwandlung in Reibung [5] oder setzen Energieerhaltung mit dem Alltagskonzept des Energiesparens gleich [6]. Insgesamt erreicht in standardisierten Tests nur ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler ein Energieverständnis, das ein physikalisch korrektes Verständnis der Energieerhaltung einschließt [3].
Die Ursache für diese Schwierigkeiten liegt mutmaßlich im weit verbreiteten Ansatz begründet, Energie in der Mittelstufe als Größe einzuführen, die sich in unterschiedlichen Formen manifestiert [7]. (...)