09.10.2012

Das entehrte Geschlecht

Ralf Bönt: Das entehrte Geschlecht – Ein notwendiges Manifest für den Mann, Pantheon, München 2012, 160 S., brosch., 12,99 Euro, ISBN 9783570551851

Ralf Bönt

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Jawohl, ein notwendiges Manifest für den Mann! Das Buch des Physikers Ralf Bönt verspricht schon im Klappentext, dass „Männer Maßnahmen ergreifen, um die emotionale und physische Ausgrenzung aus der Familie zu beenden“. Wir freuen uns auf einen wünschenswerten Lebensentwurf für Physiker und Väter –­ und werden schwer enttäuscht.

Die „Ehre“ des „entehrten Geschlechts“ hat in diesem Buch vor allem mit Sexualkultur zu tun, und die Anatomie der Geschlechtsteile und dazu passende Genitalmassagen spielen eine wesentliche Rolle in der Argumentation. Der Autor geht einen sprunghaften Weg durch die historischen Bedingungen der Geschlechterdifferenzierung. Er bezieht sich auf – oft zweifelhaft korrelierte – Statistiken über Lebenserwartungen in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und auf eklektisch ausgewählte Lektüren, wie z. B. Max Frischs in der Schule gern gelesenen „Homo Faber“. Bönt gewährt uns Einblick in seine negativen Kindheitserlebnisse und das Verhältnis zu seinen Söhnen, seine sexuellen Erfahrungen und seine Krankheitsgeschichte. Bönt gründet seine Thesen dabei gleichermaßen auf Romanfiguren wie auf private Erlebnisse und leitet daraus verallgemeinerte Aussagen ab.

Auf Seite 72 von 156 formuliert der Autor endlich, was er will: Er fordert für Männer das Recht auf ein karrierefreies Leben, das Recht auf Krankheit und das Recht auf eine geehrte Sexualität. Im Nachtrag auf der letzten Seite fordert er von den Frauen, dass sie überlegen sollen, wie der neue Mann sein könnte. Leider wird während der Lektüre nur implizit deutlich, dass er sich auch das Recht auf Emotionalität für Männer und auf eine aktive Beteiligung an der Kindererziehung wünscht. Abschweifungen zu physikalischen Phänomenen wie dem Umkreisen eines gemeinsamen Massenmittelpunkts, der Hysterese oder dem Hebelgesetz lockern das Buch für physikalisch vorgebildete Leser auf.

Durch den weinerlichen und gleichzeitig angeberischen Tonfall bleibt wenig Hoffnung, „der Mann“ sei tatsächlich in der Lage, im Familienalltag zu bestehen. Es gibt allerdings bereits Männer, die ihre Karriere bewusst zugunsten ihrer Familie und ihrer persönlichen Zufriedenheit beschränken. Ob diese sich mit Bönts Forderungen identifizieren können, ist sehr zu bezweifeln.

Bönts Essay stellt leider eher eine Rechtfertigung der bestehenden Verhältnisse dar, als Ansätze für eine Veränderung der Gesellschaft aufzuzeigen. Neuere Entwicklungen bei jüngeren Männern werden zwar erwähnt, aber in der Argumentationslinie nicht weiter beachtet. Das ist schade. Wir brauchen dringend mehr Bücher zur Rolle des Mannes in einer gleichberechtigt(er)en Gesellschaft und zu den zwangsläufigen Anpassungen im Selbstverständnis des Mannes. Doch dieses Buch finden wir leider nicht lesenswert.

Dr. Christine Meyer, Schott Solar AG, Alzenau; OStR‘ Angela Weiser-Schulz, Gerlingen; beide sind Mitglied der Kommission des AKC

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