Das Märchen vom Elfenbeinernen Turm
Jost
Das Märchen vom Elfenbeinernen Turm
Von R. Jost.
Springer, Heidelberg 1995. Springer Lecture Notes in Physics, VIII + 286 S., 22 Abb., Geb.,
ISBN 3-540-59476-0
Fünf Jahre nach dem Tod des Res Jost, dem bedeutenden schweizerischen theoretischen Physiker, erscheint dieser Band mit den Manuskripten von achtzehn Reden und Aufsätzen, von den Herausgebern in drei Gruppen mit den Überschriften Essays zur Geschichte der Physik im 19. und 20. Jahrhundert, Mathematik und Physik, Wissen und Gewissen angeordnet. Die Hälfte dieser Arbeiten wird hier erstmals publiziert, die anderen sind in zum Teil schwer zugänglichen Zeitschriften und Büchern enthalten.
Die Beiträge zur Geschichte der Physik bilden das Kernstück des Buches. Sie zeugen davon, daß sich Jost in den letzten zwei Jahrzehnten seines Lebens vor allem mit historischen Fragen auseinandergesetzt hat. Seine Freunde und Schüler wissen, welch ungewöhnlich detaillierte Kenntnisse er über die Physik und Mathematik dieser Zeit hatte. Dieses Wissen, ergänzt durch sorgfältige Literaturstudien, befähigte ihn, uns in souveräner Darstellung die ihm besonders am Herzen liegenden Entdeckungen zu schildern, die mit den Namen Faraday, Gauss, Mach, Boltzmann, Planck, Einstein und Dirac verbunden sind. So wird in einem Vortrag mit dem Titel: "Mathematik und Physik seit 1800; Zerwürfnis und Zuneigung" der geniale Experimentator Faraday dem großen Mathematiker (und Physiker) Gauss gegenübergestellt. Die für die Entwicklung der Physik so wichtigen Jahre um 1900 stehen im Zentrum des Jostschen Interesses. "Zur Vorgeschichte des Planckschen Strahlungsgesetzes" und "Boltzmann und Planck: Die Krise des Atomismus um die Jahrhundertwende und ihre Überwindung durch Einstein" sind die Titel zweier Vorträge, die ich beispielhaft nenne, um einen Eindruck von den behandelten Themen zu geben. In allen Beiträgen erfahren wir viel über das Werk und auch über das Leben dieser Forscher. Ihr Ringen um die Lösung der Probleme, ihre Irrtümer und Schwächen werden deutlich. Zahlreiche Auszüge aus Briefen, die sie an Freunde und Kollegen gerichtet haben, tragen hierzu bei.
Neben den historischen Essays enthält der Band einige originelle Artikel über die Formulierung physikalischer Theorien (Thermodynamik, Lorentz-Gruppe, Symmetrien) und im letzten Abschnitt über allgemeine Fragen der Wissenschaft. Hier findet man auch einen Vortrag über das Märchen vom Elfenbeinernen Turm, der dem Band seinen Titel gegeben hat.
Man muß den Herausgebern dankbar sein, daß durch ihre Initiative diese Texte allgemein zugänglich geworden sind. Empfehlen kann ich das Buch jedem, der sich für die Entwicklung der Physik und für die Menschen interessiert, die sie gestaltet haben.
H. Lehmann, Hamburg
| Dieses Buch können Sie direkt bei amazon.de |  | |
