05.03.2019

Diffusive Spreading in Nature, Technology and Society

A. Bunde et al. (Hrsg.): Diffusive Spreading in Nature, Technology and Society, Springer, Heidelberg 2018, broschiert, 418 S., 117,69 €, ISBN 9783319677972

A. Bunde et al. (Hrsg.)

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Dem Naturwissenschaftler ist Diffusion primär als Bewegung von Atomen und Molekülen bekannt, doch sie bestimmt auch die Ausbreitung größerer Objekte wie Viren und Bakterien sowie die von Pflanzen und Tieren. Auch die Verbreitung von Menschen und ihrem Wissen, ihren Gewohnheiten und sogar die von immateriellen Entitäten wie den Sprachen unterliegen der Diffusion.


Daher sind Diffusions- oder Ausbreitungsprozesse Forschungsgegenstand in sehr vielen Zweigen der Wissenschaft. Die „Antriebskräfte“ sind jedoch verschieden und können sich über sehr unterschiedliche zeitliche und räumliche Skalen erstrecken. Daher überrascht es nicht, dass das vorliegende Buch erstmals den Versuch einer übergreifenden Sicht unternimmt. Die Herausgeber haben dazu führende Vertreter aus zahlreichen Gebieten gewonnen. Das Buch schlägt eine Brücke zwischen sehr disparaten Gebieten und versucht damit, der wachsenden Tendenz zur Spezialisierung entgegenzuwirken.


Im einführenden Kapitel sind die Grundzüge der mathematischen Behandlung von Ausbreitung und Diffusion sehr verständlich dar­gestellt. Die Fachkapitel nehmen immer wieder Bezug auf das Verbindende in den mathematischen Ansätzen, zeigen aber auch die Unterschiede auf. Die einzelnen Kapitel sind sehr verständlich und eignen sich für eine breite Leserschaft. Hierzu tragen auch die aussagekräftigen Abbildungen bei.


Für Physiker besonders interessant sind vermutlich die Kapitel, in denen die vertraute Methodik auf zunächst unerwartete Fragen wie Verdrängung von Sprache oder Ausbreitung ansteckender Krankheiten angewandt wird. Die gelungene mathematische Beschreibung des Zurückdrängens der Gälischen Sprache zugunsten des Englischen in den schottischen Highlands ist ein sehr anschauliches Beispiel des interdisziplinären Ansatzes dieses Buches. Nicht nur gelingt es mit einfachen Ratengleichungen, das Zurückgehen der Gälischen Sprache zu modellieren. Sondern im Sinne prädiktiver theoretischer Beschreibung werden den politisch Agierenden einfache Größen (Zahlen) gegeben, mit denen ein Aussterben der Sprache zu verhindern ist, nämlich durch gezielte zweisprachige Ausbildung.


In dem Kapitel „Human Mobility, Networks and Disease Dynamics on a Global Scale“ betrachtet Dirk Brockmann die Ausbreitung ansteckender Krankheiten. Während sich die Pest im Mittelalter in Form konzentrischer Kreise ausbreitete – wie dies konventionellen Diffusionsprozessen zueigen ist – zeigen die Pandemien der letzten Jahrzehnte ein über die Kontinente sehr dispers verteiltes räumliches Bild. Ersetzt man aber die geographische Distanz durch die Topologie von Flugverbindungen zwischen den Orten und ihre Frequentierung, zeigt sich wieder die konzentrische Ausbreitung. Auf faszinierende Weise transformiert Brockmann so die komplexen Verbreitungsbilder in einfache Verbreitungs­schemata und hilft so, wirksame Strategien gegen Pandemien zu entwickeln.


Wie von den Herausgebern versprochen, zeigt das Buch Gemeinsamkeiten in der methodischen Betrachtung von Verbreitung und Diffusion in Physik, Chemie, Biologie und gesellschaftlichen Phänomenen auf – wichtiger, es wirbt für interdisziplinäre Forschung. Schon allein dies ist ein gewichtiger Grund, dem Buch eine weite „Verbreitung“ zu wünschen.


Prof. Dr. Winfried Petry,
Garching

 

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