07.10.2025 • Quantum2025Nobelpreise

Makroskopisches Quantentunneln

John Clarke, Michel H. Devoret und John M. Martinis erhalten den Physik-Nobelpreis 2025 „für die Entdeckung des makroskopischen quantenmechanischen Tunnelns und der Energiequantisierung in einem elektrischen Schaltkreis“.

Alexander Pawlak

Über das Quantenjahr hinaus ist es eine der zentralen Fragen der Physik, wie groß ein System sein kann, um noch quantenmechanische Effekte zu zeigen. Quantenmechanisch ist es beispielsweise möglich, dass ein Teilchen durch eine Barriere tunneln kann, für deren Überwindung es nicht genug Energie besitzt. Auf der makroskopischen Ebene sind solche quantenmechanischen Effekte normalerweise vernachlässigbar.

Die diesjährigen Nobelpreisträger zeigten mit ihren Experimenten, dass dies nicht zwingend der Fall sein muss. In supraleitenden elektrischen Bauelementen, den etwa 20 Jahre zuvor entdeckten Josephson-Kontakten, konnten sie für einen makroskopischen Freiheitsgrad – die Phase des Josephson-Kontakts – sowohl quantenmechanisches Tunneln als auch quantisierte Energiezustände nachweisen. 

An der Phase des Josephson-Kontakts sind alle Elektronen des Supraleiters beteiligt. Für sie gelten Bewegungsgleichungen, die zu den Bewegungsgleichungen eines mathematischen Pendels analog sind. Neu war damals, dass sich die Gesetze der Quantentheorie auf das supraleitende Analogon übertragen lassen.

Mit ihrem Experiment schufen sie die Grundlage, quantenmechanische Prozesse auch auf makroskopischem Maßstab zu untersuchen – eine wichtige Grundlage für die nächste Generation von Quantentechnologien.

John Clarke, Michel Devoret und John Martinis (von links) teilen sich den...
John Clarke, Michel Devoret und John Martinis (von links) teilen sich den diesjährigen Physik-Nobelpreis.
Quelle: University of California, Berkeley / Yale University / University of California, Santa Barbara

John Clarke kam 1969 zur University of California in Berkeley (USA), wo er begann, an supraleitenden Kontakten und deren Anwendungen zu arbeiten – zum Beispiel für hochempfindliche Magnetometrie. Mit seinem Doktoranden John Martinis und dem Postdoktoranden Michel Devoret vom Centre d'Études Nucléaires de Saclay in Frankreich führte Clarke in den Jahren 1984 und 1985 eine Reihe von Experimenten durch, welche die Existenz des makroskopischen quantenmechanischen Tunnelns zweifelsfrei bestätigen sollten.

Unter bestimmten Bedingungen lassen sich Josephson-Kontakte durch einen elektrischen Strom zwischen einem supraleitenden und einem resistiven Zustand hysteretisch hin- und herschalten. Das Schalten erfolgt nicht immer beim gleichen Strom, sondern mit einer statistischen Verteilung, die klassisch allein durch die Temperatur bestimmt ist und am absoluten Nullpunkt auf die Breite Null schrumpfen sollte. Der quantenmechanische Charakter dieses Systems zeigte sich darin, dass diese Breite jedoch endlich bleibt – es besteht bis hin zu den tiefsten erreichbaren Temperaturen eine messbare Schaltwahrscheinlichkeit.

Quantisiert schalten

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Zudem zeigten die diesjährigen Physik-Nobelpreisträger, dass die Energie des Systems quantisiert ist und somit nur bestimmte Energiemengen aufnehmen oder abgeben kann. Auch diese Energiestufen wiesen sie nach.

Dies war der Ausgangspunkt für viele weitere Experimente mit supraleitenden Schaltkreisen durch andere Forschungsgruppen, die auch ein tieferes Verständnis darüber lieferten, wie sich die Wechselwirkung mit der Umgebung besser kontrollieren lässt, die normalerweise zur Unterdrückung quantenmechanischer Effekte führt.

Die Experimente von Clarke, Devoret und Martinis eröffneten den Weg für die Entwicklung komplexerer supraleitender Schaltkreise. Ein erstes Beispiel war die „Cooper Pair Box“, ein Schaltkreis, in dem sich zwei diskrete Ladungszustände als Basis für ein Quantenbit nutzen ließen. Im sogenannten Phasen-Qubit wurden kohärente Oszillationen zwischen quantisierten Zuständen in einem stromdurchflossenen Josephson-Kontakt beobachtet – dieser Qubit-Typ nutzt das makroskopische quantenmechanische Tunneln (MQT) und ist damit sehr nahe an dem ursprünglichen Experiment von 1985.

Ein bedeutender Fortschritt war die Einführung der Circuit Quantum Electrodynamics (cQED), bei der der Qubit-Schaltkreis stark mit einem Mikrowellenresonator gekoppelt ist, der wiederum schwach mit einer Übertragungsleitung verbunden ist. Damit ließ sich die Kohärenzzeit supraleitender Qubits erhöhen. Außerdem führte dies zur Entwicklung eines hochpräzisen, nicht-destruktiven Ausleseverfahrens für die Qubit-Zustände.

Mit supraleitenden Quantenschaltkreisen wurden zahlreiche weitere Qubit-Typen realisiert und deren Eigenschaften sukzessive verbessert. Darüber hinaus dienen Qubits zunehmend als ultrasensitive Detektoren. 

Der diesjährige Physik-Nobelpreis würdigt nicht nur die große Relevanz der Experimente der drei Preisträger, sondern auch das wachsende Potenzial der makroskopischen Quantenphysik mit supraleitenden Schaltkreisen für die Quantentechnologie.

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