02.09.2011

Doppelter Fortschritt für Quantenrechner

Zwei Forschergruppen haben sowohl mit supraleitenden Schaltkreisen als auch mit Ionen in Fallen komplexe Rechenoperationen durchgeführt.

Wie ein zukünftiger Quantencomputer aufgebaut ist und welche Möglichkeiten er eröffnen wird, kann man gegenwärtig nur erahnen. Doch jetzt gibt es Fortschritte, die die Vision greifbarer machen. Physiker in den USA präsentieren einen Rechner aus supraleitenden Schaltkreisen mit einer von Neumann-Architektur, während Forscher in Österreich mit einem universalen Quantensimulator aus sechs Ionen das Verhalten von Spinsystemen untersuchen.

Abb.: Der von Neumann-Quantenrechner: Die beiden Quadrate in der Bildmitte sind die Phasen-Qubits, die durch einen supraleitende Mikrowellenresonator (Schlangenlinie) zu einer Quanten-CPU verbunden werden. Zwei weitere Resonatoren bilden den Quanten-RAM. (Bild: Eric Lucero)

Herkömmliche Computer sind im Wesentlichen so aufgebaut wie es schon John von Neumann erdacht hatte: Sie haben eine Prozessoreinheit oder CPU, die die Daten verarbeitet, und einen Speicher für die Daten und das Computerprogramm. Ein Quantencomputer hat eine Quanten-CPU, die Daten in Form von Quantenbits (quantenmechanischen Überlagerungen von 0- und 1-Zuständen) verarbeitet, einen Quantenspeicher für diese Daten und schließlich einen klassischen Prozessor, der die Quanten-CPU steuert. Solch ein Gerät haben Forscher um Matteo Mariantoni und John Martinis von der University of California in Santa Barbara jetzt gebaut und getestet.

Die Quanten-CPU bestand aus zwei supraleitenden Phasen-Qubits. Das sind supraleitende Schaltkreise, die von einem nichtleitenden Josephson-Kontakt unterbrochen werden. Die Wellenfunktionen im Supraleiter auf beiden Seiten des Kontakts haben eine Phasendifferenz, die mit einem Tunnelstrom einhergeht. Die potentielle Energie eines solchen Schaltkreises hängt von der Phase ab und hat die Form eines geneigten Waschbretts mit Mulden. Die Forscher nutzten den Grundzustand und den ersten angeregten Zustand in einer der Potentialmulden, um jeweils ein Qubit zu speichern.

Ein abstimmbarer supraleitender Mikrowellenresonator koppelte die beiden Phasen-Qubits miteinander. Darüber hinaus waren diese noch mit zwei weiteren abstimmbaren supraleitenden Mikrowellenresonator verbunden, der die im Phasen-Qubit enthaltene Quanteninformation aufnehmen, speichern und auf Wunsch wieder zurückgeben konnten. Dieser Quanten-RAM enthielt außerdem noch zwei Zwei-Niveau-Systeme, mit denen sich Information löschen ließen.

Abb.: Die Quanten-von Neumann-Architektur: Blaue und rote Würfel repräsentieren 1 und 0. Auf der obersten Ebene wird die Quanteninformation verarbeitet, auf der mittleren Ebene gespeichert und nach Verwendung auf der untersten Ebene gelöscht. (Bild: Peter Allen / UCSB)

Mit diesem elementaren Quantencomputer führten die Forscher eine Reihe von Operationen durch. Zuerst speicherten sie zwei Qubits in der Quanten-CPU, koppelten sie miteinander und brachten sie durch Mikrowellenpulse in einen verschränkten Zustand. Dann speicherten sie diesen verschränkten Zustand im Quanten-RAM. In die freigewordene Quanten-CPU schrieben sie einen zweiten Zustand, den sie aber anschließend mit Hilfe des Quanten-RAM löschten. Schließlich brachten sie den ersten Zustand, der noch immer auf dem Quanten-RAM gespeichert war, in die Quanten-CPU zurück und lasen ihn aus. Es zeigte sich, dass der verschränkte Zustand im Quanten-RAM länger als 1,5 Mikrosekunden gespeichert werden konnte, während er in der Quanten-CPU schon nach 100 Nanosekunden zerfiel.

In einem zweiten Experiment realisierten die Forscher ein kontrolliertes z-Phasen-Gatter. Es bringt die beiden Qubits in der CPU in einen verschränkten Zustand, wobei jeder ihrer vier Basiszustände eine bestimmte Phase erhält. Diese Operation benötigt man, um Quanten-Fourier-Transformationen durchzuführen. Schließlich verwirklichten sie auch noch ein Toffoli-Gate, bei dem zwei Qubits ein drittes kontrollieren. Die Forscher hoffen, schon bald Quantenprozessoren mit mehr Qubits bauen zu können.

Mit sechs Kalziumionen in einer elektrischen Falle haben Forscher um Ben Lanyon und Rainer Blatt von der Universität Innsbruck einen Quantensimulator hergestellt, der sechs Qubits verarbeiten kann. Dazu nahmen die beiden Zeeman-Zustände |S1/2> und |D5/2> eines jeden Ions ein Qubit auf. Die lasergekühlten Ionen bildeten in der Falle eine Kette und waren durch ihre mechanischen Schwingungen miteinander gekoppelt. Mit Laserpulsen wurden die atomaren Qubits beschrieben und manipuliert.

Die Ionen bildeten eine Spinkette, bei der sich regeln ließ, wie stark die Spins untereinander und an ein Magnetfeld gekoppelt waren. Die Forscher verfolgten die Zeitentwicklung der Spinkette schrittweise, indem sie sie geeignet bemessenen Laserpulsen aussetzten, die in ihrer Wirkung dem unitären Zeitentwicklungsoperator der Spinkette entsprachen. Auf diese Weise simulierten sie unter anderem: zwei Spins mit gekoppelten x-Komponenten in einem Magnetfeld in z-Richtung; zwei gekoppelte Spins in einem langsam hochgefahrenen Magnetfeld, die aus einem para- in einen ferromagnetischen Zustand übergingen; drei, vier und schließlich sechs gekoppelte Spins.

Die Güte der Simulationen war umso höher, je kleiner die Simulationsschritte waren. Für drei Spins wurde eine Übereinstimmung zwischen simuliertem und exaktem Endzustand der Kette von bis zu 91 Prozent erreicht, für sechs Spins von bis 77 Prozent. Als Hauptfehlerquelle machen die Forscher die Dämpfung der Spindynamik durch Dekohärenz verantwortlich. Dahinter steckte jedoch nicht die Dekohärenz der einzelnen Qubits, da deren Kohärenzzeit mit 30 Millisekunden viel länger war als das 2 Millisekunden dauernde Experiment. Es waren die Schwankungen der Laserintensität, die die Güte der Simulationen begrenzten. Das scheint jedoch kein grundsätzliches Problem zu sein, sodass Simulationen von Systemen aus vielen Dutzenden von Qubits schon bald möglich werden könnten.

Rainer Scharf

PH

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