An der Schnittstelle von Physik, Biologie und Medizin
Jochen Guck, Direktor am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, ist am 3. Oktober nach schwerer Krankheit verstorben.
Jochen Guck wurde 1973 in Schweinfurt geboren. Er studierte Physik in Würzburg und promovierte an der University of Texas in Austin. Nach seiner Tätigkeit als Gruppenleiter an der Universität Leipzig wechselte er 2007 als Dozent an das Cavendish Laboratory der Universität Cambridge und wurde 2009 zum Reader ernannt. 2012 wurde Guck zum Alexander-von-Humboldt-Professor für Zelluläre Maschinen am Biotechnologiezentrum der TU Dresden berufen und war dort als leitender Direktor tätig. Seit Oktober 2018 war er Direktor am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts (MPL) und leitete eine Abteilung am Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin in Erlangen. Seit August 2020 hatte er eine Professur für Biologische Optomechanik im Fachbereich Physik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg inne.

Mit seinem interdisziplinären Team verfolgte Jochen Guck die Mission, einen Paradigmenwechsel in der Biologie voranzutreiben, indem er den Fokus von der molekularen Biochemie auf die Betrachtung emergenter physikalischer Phänomene auf zellulärer Ebene erweiterte. Er erforschte mit neuartigen physikalischen Methoden die spezifischen physikalischen Eigenschaften von Zellen und Geweben, die es ihnen ermöglichen, ihre biologischen Funktionen zu erfüllen.
So ermöglicht die von ihm entwickelte Echtzeit-Verformbarkeitszytometrie (Real-Time Deformability Cytometry, RT-DC), tausende Zellen in einem Tropfen Blut innerhalb weniger Sekunden zu erfassen und zu bewerten. Seine neuartigen Anwendungen in der Brillouin-Mikroskopie vertieften das fundamentale Verständnis zellmechanischer Prozesse bei unerforschten Krankheitsbildern.
Ziel seiner Arbeit war es, die Mechanobiologie als diagnostisches und therapeutisches Werkzeug in der Medizin nutzbar zu machen. Dafür gründete er, neben seiner akademischen Forschung, mehrere erfolgreiche Firmen als Bindeglied zwischen innovativer Grundlagenforschung und zertifizierter Anwendung. Beispielsweise das Start-up-Unternehmen Rivercyte, das die Deformabilitätszytometrie-Technologie in die klinische Umgebung leichter integrieren soll.
Einige der renommiertesten wissenschaftlichen Preise würdigen Jochen Gucks Beiträge an der Schnittstelle von Physik, Biologie und Medizin: Bereits 2003 wurde er mit dem Young Scientist Award in Biomedical Photonics des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg geehrt. 2008 zeichnete ihn die US-amerikanische National Academy of Sciences mit dem Cozzarelli Award für seine wegweisende Arbeit zur Untersuchung der optischen Eigenschaften der Netzhaut aus. Für seine bahnbrechende Forschung zur Rolle mechanischer Kräfte in Zellen und Geweben erhielt er 2024 den Greve-Preis der Leopoldina, eine der höchsten deutschen Ehrungen für exzellente Grundlagenforschung. Zuvor war ihm die Wilhelm-Ostwald-Medaille der Sächsischen Akademie der Wissenschaften verliehen worden, in Anerkennung seiner grundlegenden Arbeiten zur Physik lebender Materie und zur Etablierung der Mechanobiologie als eigenständigem Forschungsfeld.
Das MPL hat ein digitales Kondolenzbuch eingerichtet.