Wie dicht ist es im Inneren lebender Zellen?
Dichte als grundlegende Eigenschaft und diagnostischer Indikator – internationale und interdisziplinäre Untersuchung mit Licht im Mikromaßstab.
Das Zellinnere ist dabei dicht gepackt mit Biomolekülen wie Proteinen und Nukleinsäuren. Wie verteilt sich all dieses Material innerhalb einer Zelle? Und was reguliert ihre Verteilung? Für eine Studie haben Forschende die subzellulären Dichten einer Vielzahl von Organismen gemessen. Ihr Ziel ist es, biomolekulare Prozesse von Hefezellen bis zu menschlichen Zellen besser zu verstehen.


Lehrbücher beschreiben den Zellkern als einen Raum, der mit einer beeindruckenden Menge an DNA gewickelt um Histonproteine gefüllt ist. Nun hat ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin, Erlangen (MPZPM), des MPI für Infektionsbiologie, Berlin (MPIIB) und des MPI für die Physik des Lichts, Erlangen (MPL) entdeckt, dass der Zellkern entgegen den Erwartungen weniger dicht ist als das umgebende Zytoplasma. Trotz ihrer reichhaltigen biomolekularen Zusammensetzung enthalten Zellkerne im Vergleich zum gleichen Volumen des umgebenden Zytoplasmas weniger Trockenmasse.
„Es ist unerlässlich, die ‚reale‘ Umgebung innerhalb von Zellen zu verstehen, da sie die biomolekulare Struktur, Dynamik und Funktion beeinflusst. Die wichtigste Erkenntnis unserer Studie ist, dass verschiedene Spezies zwar in ihrer absoluten intrazellulären Dichte stark variieren. Das Verhältnis zwischen Kern- und Zytoplasmadichte (NC) bleibt jedoch gleich,“ erklärt Simone Reber, MPIIB und Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. „Obwohl jeder Organismus in seiner biomolekularen Zusammensetzung einzigartig ist, ist es wahrscheinlich, dass die grundlegenden physikalischen Prinzipien des Druckgleichgewichts die Dichte und das Volumen des Zellkerns bestimmen“, ergänzt Vasily Zaburdaev, MPZPM und Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Für die Messungen nutzen die Forschenden Licht. Es ermöglicht nicht nur die Untersuchung von Zellen, sondern auch deren Manipulation: Laserstrahlen können an Zellen „ziehen“ und mit einem „optischen Stretcher“ deren mechanische Eigenschaften messen. „Wir hatten zuvor versucht, unseren optischen Stretcher auf Zellkerne anzuwenden, waren jedoch nicht erfolgreich. Die physikalisch plausible, damals aber biologisch nicht nachvollziehbare Erklärung war, dass der Zellkern eine geringere Dichte als das ihn umgebende Material hatte“, merkt Jochen Guck, MPZPM und Direktor am MPL, Erlangen an. Daher entwickelten die Forschenden ein Setup, das optische Beugungstomographie (Optical Diffraction Tomography, ODT) und konfokale Fluoreszenzmikroskopie miteinander kombiniert. So erhalten sie eine dreidimensionale Dichteverteilung innerhalb von Zellen mit hoher Auflösung.
„Während die NC-Dichteverhältnisse von Hefe- bis zu menschlichen Zellen gleichbleiben, sehen wir bei Krankheiten Abweichungen. In Stresssituationen wie dem Altern, also der Seneszenz, werden die Zellkerne dichter als das Zytoplasma. Die Studie weist somit auf die grundlegende Bedeutung der Dichte als Variable hin, die gesunde Zellprozesse bestimmt“, sagt Reber. Die Forschenden wollen nun verstehen, wie Zellen eine bestimmte intrazelluläre Dichteverteilung aufbauen und aufrechterhalten, um weitere biophysikalische Mechanismen zu entschlüsseln, die im gesunden und im pathologischen Zustand Zellfunktionen regulieren. [MPL / dre]
Weitere Informationen
- Originalveröffentlichung
A. Biswas et al., Conserved nucleocytoplasmic density homeostasis drives cellular organization across eukaryotes, Nat. Commun. 16, 7597, 15. August 2025; DOI: 10.1038/s41467-025-62605-0 - Quantitative Biology (Reber Lab), Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, Berlin
- Physik der Zelle (Jochen Guck), Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin / Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, Erlangen
- Immunophysik (Vasily Zaburdaev), Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin / FAU Erlangen-Nürnberg, Erlangen
Anbieter
Max-Planck-Institut für die Physik des LichtsStaudtstr. 2
91058 Erlangen
Deutschland
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