05.09.2006

Skurrile Quantenwelt

Arroyo Camejo

Aus dem Springer-Verlag kommt ein weiteres Buch zur Quantenmechanik für Laien. Noch eines? Sicherlich eines der wenigen Bücher zur Quantenmechanik, das es bis in die Feuilletons großer Zeitungen gebracht hat. Ein Interesse, das weniger dem Buch als seiner Autorin gilt: Die nun 20-jährige hat das Buch über Quantenmechanik mit 17 begonnen zu schreiben! In Zeiten von Exzellenzinitiativen greift man gerne in die Schublade “Wunderkind“, schüttelt den Kopf und ist erstaunt.
Der Journalist scheitert an der Mauer, die er zwischen sich und der Physik gezogen hat. Auf der anderen Seite der Mauer lässt sich der Fokus leichter von der Autorin weg auf das Buch lenken. Hier ist es eines von vielen Büchern zum Thema. Eines, das noch gefehlt hat?
Die Autorin will mit ihrem Buch die Lücke zwischen formelfreier populärwissenschaftlicher Literatur und mathematisch anspruchsvoller Studienliteratur schließen. So verzichtet sie auf Formalismen, stützt sich aber auf Rechnungen dort, wo Formeln mehr sagen als tausend Worte. Dass sie den Leser dabei nicht verliert, stellt ihre Nähe zu dessen Situation sicher. Sie kennt die Hemmungen, die ein Schüler angesichts der Rechnungen überwinden muss. Sie reagiert darauf mit Ermunterungen und ausführlichster Darstellung der Rechenschritte. Von Autoren mit ähnlichem Anspruch unterscheidet sich die Verfasserin durch ihre Perspektive. Als jemand, die sich die Materie selbst erst zu eigen gemacht hat, befindet sie sich in nächster Nähe zum Leser, der das Gebiet noch ergründen will. Dies schlägt sich in der gesamten Buchkonzeption nieder. Zielsicher stellt sie die Fragen, über die der Leser auf dem Weg zur Erkenntnis stolpern muss. Diese untergliedern als Leitfragen die Kapitel. Auch sonst ist die didaktische Aufarbeitung zu begrüßen. Am Ende des Buches finden sich ein Glossar und ein umfangreiches Literaturverzeichnis.
Kann eine Schülerin ein solch schwieriges Themengebiet überschauen und richtig darstellen? Ist der Preis, den man für die Perspektive zahlt, nicht zwangsläufig die Qualität des Inhalts? In diesem Falle: nein. Die Zusammenhänge sind korrekt dargestellt. Das Buch gewinnt besonders durch die Bandbreite, die es abdeckt: In 17 Kapiteln spannt die Autorin den Bogen vom Wirkungsquantum zur Quantengravitation. Dabei werden interpretatorische Fragen ausführlichst behandelt. Neben der Kopenhagener Deutung werden Viele-Welten-Interpretation und Dekohärenz erläutert. Auch der Bohr-Einstein-Debatte und dem EPR-Paradoxon wird jeweils ein Kapitel gewidmet. Den Abschluss bilden Anwendungen wie z. B. Quantenkryptographie und eben die Quantengravitation. Dabei bleibt das Buch mit seinen rund 250 Seiten überschaubar. Summa summarum ist der Autorin tatsächlich etwas Neues gelungen: Ein junges Buch einer Neueinsteigerin, die andere zu begeistern versteht. Dem Anfänger ermöglicht sie einen Einblick in die Welt der Quantenphysik. Dem Studenten bietet sie einen formalismusfreien Blick auf ein Gebiet, dessen konzeptionelle Eigenheiten im Studium zwischen “Kets“ und “Bras“ zu verschwinden drohen.
Ein einziger Tadel ist an den Verlag zu richten, dessen Nachlässigkeit die zahlreichen Tipp- und Zeichensetzungsfehler geschuldet sind. Ein erfahrener Lektor hätte sicherlich auch den ein oder anderen gar zu verschachtelten Satz beherzt gestrichen. Es bleibt zu hoffen, dass die Autorin Zeit und Muße finden wird, die angekündigten Nachfolgebände zur Elementarteilchenphysik und Kosmologie zu schreiben.

Dipl.-Phys. Barbara Sandhöfer, Institut für Theoretische Physik, Universität zu Köln


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