Thermodynamik - Vom Tautropfen zum Solarkraftwerk
R. Müller: Thermodynamik - Vom Tautropfen zum Solarkraftwerk, De Gruyter, Berlin 2013, 431 S., broschiert, 39,95 €, ISBN 9783110302011
R. Müller
Gleich zu Beginn meiner Rezension des Lehrbuchs von Rainer Müller möchte ich mein Fazit bringen: Es ist das beste Lehrbuch zur Thermodynamik, welches ich jemals gelesen habe – und ich habe schon viele gelesen! Warum das? Es gibt so viele Lehrbücher auf dem Markt, und dies ist doch nur ein weiteres, könnte man denken. Aber weit gefehlt!
Rainer Müller hat einen Zugang zur Materie gefunden, der einerseits ungewöhnlich und neu ist, aber andererseits die fachliche Stringenz an keiner Stelle darunter leiden lässt. Am Anfang hat man das Gefühl, ein Kochbuch zu lesen, denn diese offensichtliche Alltagsanwendung der Thermodynamik zieht sich wie ein Roter Faden durch das Buch. Hervorragend wird die Biologie und Chemie des Kochens beschrieben, um dann im Abschnitt über Wasser und Dampf erste phänomenologische thermodynamische Prozesse kennenzulernen.
Das Buch ist durchsetzt mit ausgesprochen gut ausgewählten Beispielen, in diesem Fall etwa mit der Beschreibung der Funktionsweise eines Schnellkochtopfes. Nach und nach wird die Thermodynamik – ganz im klassischen Sinne – entwickelt, aber eben getrieben durch Beispiele des Alltags, wie die Beschreibung von Geysiren oder des „Wunderapparates“ von Cornelius Drebbel. Immer wieder beeindruckt das Buch durch kleine aber sehr feine Einschübe, wie etwa der Beschreibung, wie man mit einer genauen Waage die Geschwindigkeit von verdunstenden Isopropanol-Molekülen messen kann! Natürlich sind auch die Kapitel über die Hauptsätze und Kreisprozesse wieder gespickt von sehr anschaulichen Beispielen, wie etwa der Thermodynamik des Backofens, die wunderbar erläutert wird. Äußerst gelungen sind auch die Kapitel über die Entropie. Hier schafft es der Autor, diese doch sehr sperrige Größe zunächst anschaulich und dann physikalisch exakt einzuführen und auch den recht schwierigen Übergang von der makroskopischen zur mikroskopischen Beschreibung hervorragend durchzuführen – wieder untermauert durch zahlreiche neue Beispiele, die ich so noch nicht kannte. Das Buch endet mit zwei Kapiteln zur Wärmeleitung und einem weiteren Paukenschlag: einer Formel für das perfekte Frühstücksei!
Rainer Müller meistert den Spagat zwischen physikalischer Exaktheit in der Argumentation und Anschaulichkeit der gewählten Beispiele in einer Art und Weise, wie ich sie vorher noch niemals in einem Lehrbuch der Thermodynamik gelesen habe. Besser geht es einfach nicht! Schon sein Lehrbuch über Mechanik ist außergewöhnlich gut gelungen, aber mit diesem Lehrbuch über Thermodynamik hat er sich nochmals übertroffen. Es sei nicht nur allen Lehrenden an Universitäten und Fachhochschulen wärmstens empfohlen, sondern auch Physiklehrkräften an Gymnasien und Gesamtschulen, die das äußerst unanschauliche Gebiet der Thermodynamik ihren Schülerinnen und Schülern mit Hilfe von wunderbaren Beispielen näher bringen möchten. Ich freue mich schon auf das nächste Lehrbuch von Rainer Müller, dann hoffentlich zur Elektrodynamik.
Prof. Dr. Metin Tolan, Fakultät Physik & DELTA, Experimentelle Physik I, Technische Universität Dortmund