Galaxien am Rand des Universums
Hat das James Webb Space Telescope die Quellen der kosmischen Reionisation gefunden?
Hat das James Webb Space Telescope die Quellen der kosmischen Reionisation gefunden?
Verschiedene Messungen liefern unterschiedliche Werte für die Hubble-Konstante: ein ewiges Problem der Kosmologie?
Wir leben in einem dynamischen, expandierenden Universum. Die Beobachtung, dass die Radialgeschwindigkeit kosmischer Objekte mit ihrer Entfernung zunimmt, stellt eine der Säulen des kosmologischen Modells eines heißen Urknalls dar. Die anderen sind die Mikrowellen-Hintergrundstrahlung und die Häufigkeiten leichter Elemente: Damit Deuterium, Helium und Lithium aus Wasserstoff fusionieren, muss es eine sehr heiße Phase gegeben haben, die heute als Mikrowellen-Hintergrund beobachtet wird. Wenige Parameter reichen aus, um die Eigenschaften des expandierenden Universums zu beschreiben. Seine energetischen Inhalte bestimmen die Ausdehnung, und die momentane Ausdehnungsrate, die Hubble-Konstante, ist einer der wichtigsten Parameter. Im nahen Universum folgt sie dem Hubble-Lemaître-Gesetz; mit einem kosmologischen Modell ergibt sie sich aus der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung.
Mit der Annahme von räumlicher Homogenität und Isotropie (Robertson-Walker-Metrik) lassen sich die Einsteinschen Feldgleichungen auf die Friedmann-Gleichung reduzieren, um das beobachtbare Universum zu beschreiben. Die Friedmann-Gleichung gibt die kosmische Ausdehnung als Funktion von Hubble-Konstante, Raumkrümmung und den mittleren Energiedichten an. Letztere bestimmen die Dynamik der Expansion, zum Beispiel erzeugt eine höhere Materiedichte eine stärkere Abbremsung. Die Hubble-Konstante skaliert die kosmologischen Modelle und somit das absolute Alter des Universums.
Während der letzten zwei Jahrzehnte hat sich ein Modell des Universums mit einigen erstaunlichen Eigenschaften etabliert. Zusätzlich zur Strahlung, deren Energiedichte aufgrund der niedrigen Temperatur des Mikrowellenhintergrundes heute vernachlässigbar klein ist, und der „normalen“ (baryonischen) Materie, die etwa fünf Prozent der Gesamtenergie ausmacht, braucht es zwei „dunkle“ Komponenten, um die Beobachtungen zu erklären. Ein Großteil der Materie interagiert nur durch die Gravitation mit dem Rest der Welt: Diese Dunkle Materie macht etwa ein Viertel der Energie im Universum aus. Da die kosmische Expansion heute beschleunigt ist, sollte es eine zusätzliche, abstoßend wirkende Energiekomponente geben. Eine mögliche Erklärung dieser Dunklen Energie steckt in Einsteins kosmologischer Konstante. Die Dunkle Energie dominiert heute den Energieinhalt des Universums mit einem Anteil von 70 Prozent. Dieses kosmologische Modell heißt ΛCDM, wobei Λ für die kosmologische Konstante steht und CDM für kalte Dunkle Materie (Cold Dark Matter). Mittlerweile gibt es aber Beobachtungen, die innerhalb des ΛCDM-Modells inkonsistent erscheinen. Am deutlichsten tritt dies bei der Hubble-Konstante zutage, für die sich unterschiedliche Werte durch Beobachtungen des frühen Universums und aus der lokalen Umgebung ergeben. Die Diskussion dieses als Hubble-Spannung (Hubble tension) bezeichneten Problems soll im Folgenden erläutert werden. (...)
Der diesjährige Physik-Nobelpreis würdigt theoretische Entwicklungen in der Kosmologie und die Entdeckung des ersten Exoplaneten um einen sonnenähnlichen Stern.
Der Physik-Nobelpreis wird in diesem Jahr vergeben für Beiträge zum Verständnis der Evolution des Universums und des Platzes der Erde im Kosmos: Eine Hälfte des Preises geht an den kanadischen Kosmologen James Peebles für seine theoretischen Entdeckungen auf dem Gebiet der physikalischen Kosmologie. Die andere Hälfte teilen sich die beiden Schweizer Astronomen Michel Mayor und Didier Queloz für die Entdeckung des ersten extrasolaren Planeten, der einen sonnenähnlichen Stern umkreist.
Jim Peebles hat über viele Jahrzehnte wichtige Beiträge zur Kosmologie und zur großräumigen Struktur des Universums geliefert. Nach dem Grundstudium in seiner Heimat Manitoba in Kanada war er als Graduate Student nach Princeton gegangen. Zusammen mit seinem Doktorvater Robert Dicke sagte Peebles 1965 die Mikrowellenhintergrundstrahlung als „Echo des Urknalls“ vorher [1]. Dies geschah wohl unabhängig von den früheren Arbeiten von Gamow, Alpher und Herman und etwa zeitgleich mit der Entdeckung der 3K-Strahlung, die aus allen Richtungen des Himmels zu uns kommt, durch Arno Penzias und Robert Wilson – eine Leistung, die 1978 mit dem Physik-Nobelpreis gewürdigt wurde. Im Abstract schreibt Peebles: “There is good reason to expect the presence of black-body radiation in an evolutionary cosmology, and it may be possible to observe such radiation directly“. 1970 sagte Peebles zusammen mit Jer Yu – etwa zeitgleich, aber unabhängig von Sunyaev und Zel‘dovich – die Temperaturschwankungen im kosmischen Mikrowellenhintergrund vorher [2]. Deren detaillierte Beobachtung und Berechnung haben entscheidend dazu beigetragen, die Eigenschaften unseres Universums zu verstehen. Damit hatte Peebles ein Fenster in das sehr frühe Universum eröffnet, das experimentell und theoretisch immer präziser untersucht, beschrieben und verstanden wurde. Die Satelliten COBE (Nobelpreis 2006 für John Mather und George Smoot), WMAP und Planck haben dazu großartige Daten geliefert (Abb. 1).
Der Theoretiker Peebles beschäftigte sich zudem mit dem Modell des heißen Urknalls, er dachte nach über die primordiale Nukleosynthese und berechnete, dass in dieser frühen Phase des Universums Helium entstehen und etwa 25 % des Massenbudgets ausmachen sollte. Er war einer der ersten, die sich quantitativ mit der hierarchischen Struktur des Kosmos beschäftigten, und Mitbegründer des kosmologischen Standardmodells, in dem kalte Dunkle Materie die wesentliche Materie-Komponente ausmacht und die Kosmologische Konstante (bzw. Dunkle Energie) die dominante Energieform darstellt [3]. Um die unerwartet kleine Amplitude der Temperaturschwankungen im Universum zu erklären, schlug Peebles 1982 vor, dass die kosmische Materie zum weitaus überwiegenden Teil aus nichtrelativistischen Teilchen bestehen könnte, die nicht mit Licht wechselwirken. Damit trat die kalte Dunkle Materie auf den Plan, ohne die das kosmologische Standardmodell erfolglos wäre. Der Titel seines ersten Buches „Physical Cosmology“ aus dem Jahr 1971 beschreibt den wesentlichen Beitrag von Peebles: Er machte aus der Kosmologie eine quantitative Wissenschaft. Zuvor war die Kosmologie oft etwas abwertend als die Wissenschaft der drei Zahlen bezeichnet worden: Hubble-Konstante H0, Brems- oder Beschleunigungsparameter q0 und Dichteparameter ρ0. Dieses Lehrbuch – wie auch „The Large-Scale Structure of the Universe“ von 1980 und die „Principles of Physical Cosmology“ von 1993 – waren schon zu ihrer Zeit Standardwerke, und sie gehören auch heute noch zum Repertoire jedes Studierenden der Extragalaktik und Kosmologie. Damit hat Peebles das Denken von Generationen von Studierenden und Wissenschaftlern geprägt. Er ist ein Wegbereiter der modernen Kosmologie...
Weisen neue Diskrepanzen bei der Hubble-Konstante auf systematische Fehler oder neue Physik?
Die europäische Planck-Mission hat den Mikrowellenhintergrund mit bislang unerreichter Genauigkeit bestimmt, aber einige spannende Fragen offen gelassen.
Im Oktober 2013 wurde nach über vier Jahren Betrieb der Planck-Satellit abgeschaltet. Inzwischen gibt es die ersten Ergebnisse, in die Daten der gesamten Mission eingegangen sind. Auch wenn noch einige Probleme ungelöst bleiben, hat Planck das kosmologische Standardmodell glanzvoll bestätigt und seine Parameter mit großer Genauigkeit bestimmt. Zudem hat die Mission die letzte große Lücke im astronomisch beobachteten elektromagnetischen Spektrum geschlossen und eine Fülle astrophysikalisch bedeutender Ergebnisse geliefert.
Das Interesse am kosmischen Mikrowellenhintergrund (Cosmic Microwave Background, CMB) geht auf Arbeiten von Gamow, Alpher und Herman aus den 1940er-Jahren zurück. In diesen untersuchten sie die Möglichkeit, dass ein Großteil der leichten Elemente im Universum kurz nach dem Urknall entstanden sein könnte. So deutete die beobachtete Häufigkeit von Helium-4 in der Sonne darauf hin, dass die heutige Temperatur der Wärmestrahlung im Universum zwischen einem und fünf Kelvin liegen sollte. Mit einer Intensität, die dieser Erwartung genau entsprach, entdeckten Penzias und Wilson 1965 diese Restwärmestrahlung des Urknalls bei einer Frequenz von 4080 MHz [1]. Dass es sich dabei tatsächlich um Wärmestrahlung handelt, belegten Ergebnisse des Cobe-Satelliten 1989 und 1990. Demnach liegt die mittlere Temperatur des CMB bei 2,728 ± 0,004 K und das Intensitätsmaximum bei 160 GHz [2]. Mithilfe des Cobe-Satelliten gelang es, die lang erwarteten Temperaturschwankungen im Mikrowellenhintergrund zu finden. Die Winkelauflösung lag bei 7°, die des WMAP-Satelliten bei 15, Planck erreichte 5.
Der Mikrowellenhintergrund wurde freigesetzt, als das Universum 380 000 Jahre nach dem Urknall eine Temperatur von ca. 3500 K erreicht hatte. Zu dieser Zeit, bei dieser thermischen Energie und wegen der kleinen Amplitude der Schwankungen von Dichte, Intensität und Temperatur um ihren Mittelwert war das baryonische kosmische Material im vergleichsweise einfachen Zustand eines nichtrelativistischen, thermischen Plasmas mit kleinen Fluktuationen, dessen Wechselwirkung sich mit elektromagnetischer Strahlung durch Thomson-Streuung beschreiben lässt. Da der Thomson-Streuquerschnitt vom linearen Polarisationszustand der Streustrahlung abhängt, gehen Temperaturschwankungen im CMB mit dazu korrelierten Schwankungen seiner Stokes-Parameter Q und U einher. (...)
Quantum fluctuations played a crucial role in the formation of the structure of our universe.
On March 21, 2013 something very remarkable happened. The Planck science team released a highly precise photograph of our universe when it was only few hundred thousand years old. This photograph is so detailed that it shows some major features that the universe acquired only 10–35 seconds after creation. Most strikingly, the observed nontrivial features in the portrait of such a young universe came in exact agreement with what had been predicted by the theorists more than thirty years ago, long before the experiment was carried out. Without any exaggeration one can say that by now it is experimentally proven that quantum physics, which is normally considered to be relevant in atomic and smaller scales, also played the crucial role in determining the structure of the whole universe, including the galaxies, stars and planets.
Of course scientists and philosophers have always been interested in the origin of our universe. However, cosmology only became a natural science less than a hundred years ago. It was not until 1923 that the American astronomer Edwin Hubble was able to resolve individual stars in the Andromeda Nebula and to conclude that for sure it is located outside of our own galaxy. This was the beginning of extragalactic astronomy. Today it is well established that there are about a hundred billion galaxies in our universe. Thus, the stars form galaxies with a size of about a hundred thousand light years. Moreover, the distance between neighboring galaxies is a few million light years. Observing the spectral lines of the galaxies, Hubble discovered that they are slightly redshifted. He interpreted this as a Doppler shift due to the relative motion of the other galaxies, which try to escape from us. Hubble also found that the spectral lines of galaxies further away show higher redshift. This means that they are escaping with higher velocities, proportional to the distance (v→ = H r→) and thus the universe expands. This discovery was the beginning of scientific cosmology.
With Hubble’s discovery it became clear that our universe is evolving as a whole. This did not come as a big surprise! In 1922 the Russian physicist Alexander Friedman had found that the generic solutions of the Einstein’s equations describe either an expanding or a contracting Universe. Assuming that the total mass of the universe is about a hundred billion times larger than the mass of our galaxy, Friedman was even able to conclude that the universe must be about 10 billion years old. Thus, Hubble’s discovery can be considered as a brilliant confirmation of the theoretical prediction by Friedman. The most important conclusion from Hubble’s discovery was that the universe was created about several billions years ago. This extremely important discovery remained for many years the single experimentally established fact in cosmology. Only after more than thirty years the other piece of the puzzle was discovered. ...
Die gravitative Lichtablenkung ist zu einem unverzichtbaren Werkzeug der Kosmologie geworden.
Lichtstrahlen folgen den Nullgeodäten der Metrik und werden daher im Schwerefeld abgelenkt. Dieser Effekt besitzt wichtige astrophysikalische Anwendungen: Wenn das Licht einer entfernten Quelle durch eine Massenkonzentration („Gravitationslinse“) zwischen uns und der Quelle abgelenkt wird, lässt sich daraus viel lernen – sowohl über die Massenverteilung der Linse als auch über die Eigenschaften der Quelle und die des Raums dazwischen. Der Gravitationslinseneffekt ist inzwischen als zentrales Werkzeug der Astrophysik und Kosmologie etabliert.
Die Messung der Lichtablenkung im Gravitationsfeld der Sonne während einer Sonnenfinsternis 1919 bestätigte eine der zentralen Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie. Das verhalf ihr zur breiten Anerkennung in der Fachwelt und weit darüber hinaus. Schon bald darauf wurde über weitere spektakuläre Effekte der gravitativen Lichtablenkung spekuliert: Falls sich eine genügend massereiche und kompakte Massenverteilung zwischen einer entfernten Quelle und uns befindet, kann es mehrere Lichtstrahlen geben, die uns mit der Quelle verbinden − und damit wäre die Quelle an mehreren Positionen der Sphäre zu sehen (Abb. 1). Die ersten Mehrfachbilder eines Quasars wurden 1979 entdeckt; inzwischen ist die Zahl solcher starken Gravitationslinsensysteme auf mehrere hundert angewachsen, wobei als Quellen aktive und normale Galaxien auftreten und Galaxien oder Galaxienhaufen als Linse wirken [1].
Da Lichtbündel nicht nur als Ganzes, sondern auch differentiell abgelenkt werden, sind die beobachteten Bilder im Vergleich zum Bild der unabgelenkten Quelle verzerrt. Dies hat zwei Effekte zur Folge: Erstens ändert sich die Querschnittsfläche (bzw. der beobachtete Raumwinkel) der Lichtbündel. Da die Flächenhelligkeit aufgrund des Liouville-Theorems erhalten bleibt, ändert sich der beobachtete Fluss eines Bildes um diese Flächenverzerrung. Zweitens verändert sich die Form der Bilder. Beide Effekte können dramatische Konsequenzen haben, etwa leuchtende Bögen in Galaxienhaufen (Abb. 2). Der Fluss dieser Bögen kann den der „ungelinsten“ Quelle um einen Faktor 20 oder mehr übersteigen. Wie schon Fritz Zwicky 1937 vorhersagte, erlaubt uns der Linseneffekt daher einen besseren Blick auf leuchtschwache, sehr weit entfernte Quellen. In den meisten Fällen ist die Bildverzerrung wesentlich unspektakulärer als bei den leuchtenden Bögen und lässt sich in individuellen Bildern nicht identifizieren; wir sprechen dann vom „schwachen Gravitationslinseneffekt“. Da jedoch in unserem Universum die Dichte von schwachen und weit entfernten Galaxien an der Sphäre sehr groß ist, ist es möglich, diese Verzerrungen statistisch nachzuweisen und quantitativ zu untersuchen...
Experimente mit Neutronen ergänzen Hochenergieexperimente an Beschleunigern, um Rätsel aus dem frühen Universum zu lösen.
Unser heutiges Wissen über die Entwicklung des Universums ist geprägt durch das Standardmodell der Kosmologie und der Teilchenphysik. Neben Experimenten an Beschleunigeranlagen bzw. in Untergrundlaboren dienen vor allem Präzisionsexperimente bei sehr niedrigen Energien dazu, Aussagen zu Vorgängen im frühen Universum zu treffen. Hierbei spielt das Neutron aufgrund seiner Eigenschaften eine wichtige Rolle...
Die Standardmodelle der Kosmologie und der Teilchenphysik erlauben Aussagen über die Existenz physikalischer Abläufe und ihre Zusammenhänge, die unsere Vorstellung über die Geschichte des Universums prägen. Dabei extrapolieren wir die Theorie in Bereiche der Temperatur, der Energiedichte und räumlicher Dimensionen, die experimentell direkt nicht zugänglich sind. Dieses gewagte Unterfangen wird jedoch durch Beobachtungen aus dem Labor und Betrachtungen des Himmels gestützt. Das Standardmodell beruht konzeptionell auf Annahmen zur räumlichen Dimensionalität, Brechung fundamentaler Symmetrien (z. B. CP) und Existenz Dunkler Materie. Hierzu wurden bisher keine oder nur unzureichende experimentelle Antworten gefunden. Andere Stützpfeiler der Kosmologie sind die Details der kosmischen Hintergrundstrahlung, das genaue Verständnis der primordialen Nukleosynthese sowie die Existenz des Big Bang. Alle diese Konzepte betreffen direkt oder indirekt die ersten drei Minuten unseres Universums.
Wie aber können wir diese Hypothesen stützen oder präzisere Aussagen zu Schlüsselvorgängen im sehr frühen Universum machen? Neben astronomischen Beobachtungen sind diese Fragen vor allem mit dem Verständnis des Mikrokosmos verbunden. Hier spielen Experimente an Beschleunigeranlagen (Symmetrieuntersuchungen) oder in Untergrundlaboratorien (Suche nach Dunkler Materie) sowie Präzisionsexperimente bei sehr niedrigen Energien eine Schlüsselrolle. Neutronen sind dabei aufgrund ihrer Eigenschaften – wie der elektrischen Neutralität, ihrer im Vergleich zu Atomen kleinen elektrischen Polarisierbarkeit sowie ihrer Lebensdauer von fast 15 Minuten – ideale Untersuchungsobjekte. Zudem sind sie in der Natur zahlreich vorhanden, wenn auch immer nur in gebundener Form. Wie aber können wir mit Neutronen unsere Vorstellung von den Vorgängen im frühen Universum untermauern? Wir wollen dazu im Folgenden spezifische Fragestellungen diskutieren sowie Messkonzepte und ihre experimentelle Umsetzung vorstellen. Alle diese Präzisionsmessungen unterliegen einigen Grundvoraussetzungen wie hoher Energieauflösung, hoher Sensitivität und Reduktion von Falscheffekten. Hohe Energieauflösung erfordert lange Beobachtungszeiten bei stabilen Bedingungen, hohe Sensitivität verlangt hohe Empfindlichkeit für kleine Messeffekte bei kleinem statistischen Rauschen des Messsignals, und die Vermeidung von Falscheffekten stellt höchste Anforderungen an die Apparatur...
Von der kosmologischen Konstante zur Dunklen Energie.
Mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie entwickelte Einstein vor hundert Jahren eine völlig neue Sicht auf Raum, Zeit und Gravitation. Bereits zwei Jahre danach schlug er ein kosmologisches Modell vor, das zwar nach einem Jahrzehnt überholt war, jedoch unerwartete Entwicklungen auslöste. Insbesondere zeigte sich, dass Raum und Zeit unweigerlich an der kosmischen Dynamik beteiligt sind. Mit dieser sind tiefliegende Rätsel zu Tage getreten, die für die Kosmologie und die Grundlagenphysik von größter Bedeutung sind.
Etwa ab dem Jahr 2000 haben Astronomen mit zunehmender Gewissheit nachgewiesen, dass das Universum seit langer Zeit beschleunigt expandiert.1) Seither ist die Diskussion um Einsteins kosmologische Konstante erneut entfacht worden und hat sich zum Problem der „Dunklen Energie“ ausgeweitet. Die Geschichte um diese Konstante ist nicht nur wechselvoll und interessant, vom Standpunkt der Quantentheorie aus ist ihre tatsächliche Kleinheit auch ein großes Rätsel. Eine befriedigende Deutung ist nicht in Sicht und wohl erst auf der Basis eines einheitlichen Verständnisses der fundamentalen Wechselwirkungen zu erhoffen. Es sei aber schon jetzt betont, dass in den Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie − einer klassischen Feldtheorie − zwei Konstanten frei sind und experimentell, also durch Beobachtungen, bestimmt werden müssen. Die Werte beider Konstanten sind sehr merkwürdig: Die Newtonsche Konstante G definiert eine riesig hohe Massenskala, die Planck-Skala von etwa 1019 Protonenmassen, während umgekehrt die kosmologische Konstante Λ eine Energie-Massendichte definiert, die vom Standpunkt der Elementarteilchenphysik aus gesehen winzig ist.
Die abstoßende Gravitation
In der schlimmsten Zeit des ersten Weltkrieges, am 8. Februar 1917, hielt Einstein vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften einen Vortrag über die Anwendung seiner Allgemeinen Relativitätstheorie auf das gesamte Universum. Ein paar Tage vor seinem Referat schrieb er seinem Freund und Kollegen Paul Ehrenfest nach Leiden: „Ich habe wieder etwas verbrochen in der Gravitationstheorie, was mich ein wenig in Gefahr bringt, in ein Tollhaus interniert zu werden.“
Das BICEP2-Teleskop am Südpol findet erste Hinweise auf Quantengravitation und eine neue Energieskala.
Ergebnisse der europäischen Satellitenmission festigen das Standardmodell der Kosmologie, korrigieren jedoch einige seiner Parameter und zeigen rätselhafte Anomalien.
Für die Entdeckung der beschleunigten Expansion des Universums erhalten Saul Perlmutter, Brian P. Schmidt und Adam G. Riess den Nobelpreis für Physik 2011.
Walter Baade und Fritz Zwicky, ein deutscher und ein schweizer Astrophysiker, die in Kalifornien forschten, prägten 1934 den Begriff „Supernova“ für gigantische Sternexplosionen. Diese erstrahlen so hell, dass sie über weite Bereiche des Universums zu beobachten sind. Baade und Zwicky identifizierten zwei Hauptgruppen von Supernovae – solche mit Wasserstofflinien in ihren Spektren (als Typ II bezeichnet) und solche ohne Wasserstoff (Typ I) – und schlugen bereits vor, dass sich mithilfe von Supernovae kosmologische Entfernungen bestimmen lassen.
Anfang der 1980er-Jahre griff vor allem Andreas Tamman diese Idee wieder auf und zeigte, dass sich dafür vor allem Supernovae vom Typ Ia eignen. Bei dieser wichtigen Unterkategorie handelt es sich um thermonukleare Explosionen von Weißen Zwergen, erloschenen Sternen mit etwa 1,4 Sonnenmassen, die kurzzeitig sogar eine ganze Galaxie überstrahlen können. Im Verlauf der Explosion ändert sich die Helligkeit der Supernovae natürlich sehr stark und innerhalb weniger Tage. Der Helligkeitsverlauf ist aber relativ homogen, sodass die Hoffnung bestand, dass sie immer dieselbe Leuchtkraft am Maximum ihrer Lichtkurve erreichen würden. Damit würden sich Entfernungen einfach aus der beobachteten Helligkeit ableiten. Diese Hoffnung zerschlug sich 1991 gründlich, als einige Typ-Ia-Supernovae mit sehr unterschiedlichen Leuchtkräften beobachtet wurden. Zwei Jahre später zeigte allerdings Mark Phillips, dass sich die Form der Lichtkurve eignet, um die Leuchtkraft zu normieren. Seitdem gelten Typ-Ia-Supernovae als beste kosmische „Zollstöcke“.
Zu dieser Zeit bestand die Hauptaufgabe der beobachtenden Kosmologie darin, den Wert der momentanen Expansionsrate des Universums und der Abbremsung aufgrund der Gravitationsanziehung der Materie zu bestimmen. Die Expansionsrate, also die Hubble-Konstante, muss im nahen Universum gemessen werden. Aufgrund der Abbremsung hat sich diese „Konstante“ als Funktion der Zeit verändert, man spricht daher vom Hubble-Parameter. In der Vergangenheit hatte er einen größeren Wert als heute. Diese Abbremsung lässt sich nur über große Distanzen messen. ...
Die Inflationstheorie erklärt erfolgreich die großräumigen Eigenschaften unseres Universums.
Die Tatsache, dass unser Universum so gleichförmig ist, lässt sich damit erklären, dass es sich kurz nach seiner Entstehung innerhalb eines winzigen Zeitraums gewaltig ausdehnte. Anders als in der klassischen Urknalltheorie bildet diese „Inflationsphase“ den Auftakt zum „heißen Urknall“. Der „Fingerabdruck“ der Inflation könnte sich in den Fluktuationen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds verbergen, die sich dank neuer Satellitenmissionen immer präziser messen lassen.
Im ganz großen Maßstab betrachtet ist unser Universum ein sehr eintöniger Ort. Blickt man nachts in eine beliebige Richtung des Weltalls, so sieht man, abgesehen von lokalen Strukturen wie der Milchstraße und einer Handvoll naher Galaxien, überall praktisch das Gleiche. Zählt man beispielsweise die Galaxien pro Winkelelement in einem festen Abstand von der Erde, findet man bei ausreichend großen Abständen und Winkelelementen Werte, die nur geringfügig vom jeweiligen Mittelwert abweichen. Mit anderen Worten, das Universum erscheint isotrop, es hat keine ausgezeichnete Richtung. Ausgehend von der überaus plausiblen (und bescheidenen) Annahme, dass sich unsere Milchstraße nicht zufällig im Zentrum des Universums befindet, sollten Astronomen in allen anderen Galaxien ebenfalls ein isotropes Universum beobachten. In diesem Fall ist das Universum zusätzlich noch homogen, besitzt also keine ausgezeichneten Punkte. Bei alledem beschränken wir uns natürlich nur auf den sichtbaren Bereich des Universums − es gibt zunächst keine Gründe für die Annahme, dass diese Eigenschaften bis in unendliche räumliche Entfernungen gelten sollten.
Auch die Tatsache, dass sich das Universum mit der Zeit immer weiter ausdehnt, ändert nichts an seiner Gleichförmigkeit. Die von Edwin Hubble entdeckte kosmische Expansion äußert sich darin, dass sich der Abstand aller Galaxien im Mittel mit der gleichen Rate vergrößert. Bei kleinen Abständen überwiegt zwar die gegenseitige Anziehungskraft und es bilden sich gebundene Strukturen wie Galaxiengruppen und -haufen, aber über große Abstände gemittelt bleibt die Verteilung der Materie im Universum homogen und isotrop....
Gut zwei Jahre nach dem Start des Planck-Satelliten liegen nun erste Ergebnisse vor, welche die Vordergrundstrahlung genau analysieren.
Wie nach der Schleifenquantengravitation aus dem absoluten Vakuum die Raumzeit entsteht.
Eine Quantentheorie der Gravitation ist ein noch unerreichtes Ziel der Physik. Ein Ansatz ist die so genannte Schleifenquantengravitation. Diese startet von einer absoluten Leere und versucht sich an der mathematischen Konstruktion des gesamten Universums. Konkrete kosmologische Testmöglichkeiten sind in den letzten Jahren in Reichweite gerückt.
Das Vakuum der modernen Physik ist keinesfalls vollkommen leer, denn dank der Unschärfe geborgter Energie blitzen selbst im leeren Raum immer Teilchenpaare auf, um rasch wieder zu vergehen. Im Mittel ist und bleibt das Vakuum dennoch leer. Aber stimmt das wirklich? Leerer Raum hat immerhin noch etwas: Raum. Und Raum, samt Zeit, ist nach der Allgemeinen Relativitätstheorie kein absolut gegebenes Gerüst und immun gegenüber physikalischem Geschehen, sondern selbst ein wandelbares Objekt. Im expandierenden Universum dehnt sich der Raum aus, gemäß Einsteins Gleichung der Verteilung der Materie gehorchend. Im Inneren Schwarzer Löcher kann sich der Raum dagegen gänzlich zusammenziehen. Die Zeit vergeht mal schneller, mal langsamer, je nachdem, wie groß das Gravitationspotential am Ort einer Messung im Vergleich zu dem an der Signalquelle ist. Raum und Zeit werden durch die Materie − oder auch allein durch sich selbst − verbogen und gekrümmt. Der Raum mit seinem Volumen, seiner Expansion und seinen geometrischen Eigenschaften ist damit als physikalisches Objekt anzusehen, ebenbürtig mit, wenn auch ganz verschieden von der Materie. ...
In jüngster Zeit ist es den Kosmologen gelungen, die grundlegenden Parameter unseres Weltmodells mit hoher Präzision festzulegen. Noch hat unser Weltbild aber eine entscheidende Lücke: Wann und wie haben sich die ersten Sterne und Galaxien gebildet? Deren Entstehung während der ersten Milliarde Jahre nach dem Urknall hatte dramatische Konsequenzen, führte sie doch zu einem kosmischen Phasenübergang von einem neutralen und kalten zu einem fast vollständig ionisierten und heißen Medium. Mit modernsten Beobachtungsmethoden und Computersimulationen sind wir dabei, die immer noch rätselhaften Vorgänge während dieser kosmischen ,,Epoche der Reionisation” aufzuklären.
Physik-Nobelpreis für Pionierleistungen in der Kosmologie
Die kosmische Mikrowellenstrahlung ist das älteste Relikt aus der Frühzeit des Universums. Diese etwa 400000 Jahre nach dem Urknall entstandene Wärmestrahlung mit einer Temperatur von etwa 3 Kelvin ist für Astrophysiker eine wahre Schatzkammer. Ihre Gleichförmigkeit weist auf ein ebenso gleichförmiges Universum hin. Der Satellit WMAP hat es ermöglicht, die sehr kleinen Schwankungen oder Variationen der Temperatur in verschiedenen Richtungen genau zu analysieren und dadurch das kosmologische Modell mit hoher Präzision festzulegen.
Eine uralte Frage lautet: Woraus besteht unser Universum? Diese Frage stellt sich erneut, denn eine dunkle Energie dominiert unser Universum - und wir wissen nicht, was sie ist und welchen Platz sie im Gebäude der Physik einnehmen könnte. Vielleicht ist sie die von Einstein erfundene und wieder verworfene kosmologische Konstante - oder aber ein dynamisches Quantenfeld, die ''Quintessenz''. Quintessenz war schon immer geheimnisumwittert: Die Griechen der Antike sahen in diesem Äther ein im Gegensatz zu Erde, Wasser, Luft und Feuer unfassbares fünftes Element. Im Mittelalter wollten Alchimisten die Quintessenz als reinstes Elixier destillieren. Und auch für die Kosmologen und Astrophysiker von heute ist Quintessenz die große Unbekannte.
Eine der fundamentalen Fragen der heutigen Astrophysik ist, wie aus dem außerordentlich homogenen, isotropen und einfachen Urplasma die heute beobachtete wunderbare Vielfalt von Galaxien entstehen konnte. Angesichts der kosmologischen Zeitskalen, auf denen sich Galaxien entwickeln, sind alle Beobachtungen Momentaufnahmen. Daher lassen sich nur im detaillierten Vergleich zwischen Beobachtungen und numerischen Modellen Entwicklungszusammenhänge verstehen und z. B. auf sog. tiefen Belichtungen unter den schwachen, entfernten, jungen Galaxien Vorläufer bestimmter Galaxientypen identifizieren, die wir heute in geringer Entfernung beobachten. Ein solches numerisches Modell, das erstmals die spektrale und die chemische Entwicklung von Galaxien gekoppelt auf kosmologischen Zeitskalen beschreibt, haben wir in meiner Arbeitsgruppe an der Universitätssternwarte Göttingen in den letzten Jahren entwickelt.
Diese Seiten des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik bieten vertiefende Artikel zu den wichtigsten kosmologischen Themen.
Allgemeinverständliche Einführungen und Nachrichten zur Kosmologie.
ESA-Website zum Planck-Sateilliten, der bis 2012 den kosmische Mikrowellenhintergrund vermessen hat.
Der Sloan Digital Sky Survey hat die bislang detailliertesten dreidimensionalen Karten des Universums geliefert.