Dieter Hoffmann und Raphael Schlattmann • 11/2022 • Seite 35 • DPG-MitgliederPrinzipien statt Orthodoxie
Hans-Jürgen Treder (1928 – 2006) war einer der prominentesten Physiker der DDR. Im Fokus seines Schaffens standen physikalische Prinzipienfragen und das Erbe Einsteins.
Der Physiker Hans-Jürgen Treder ist heute eher unbekannt und sein Werk weitgehend in Vergessenheit geraten, obwohl ihm manche zutrauten, in die Riege der Nobelpreisträger aufzusteigen. Darüber hinaus war Treder in der DDR aber auch wegen seines breiten Wissens und markanten Auftretens als prototypischer „Gelehrter“ eine Person der Öffentlichkeit [1], um den sich Legenden und Anekdoten ranken. Der nachfolgende Beitrag versucht, den „Einstein der DDR“ in seiner Differenziertheit und Ambivalenz zu würdigen.
Zum 100. Geburtstag Albert Einsteins fand 1979 in der DDR eine Vielzahl von Gedenkveranstaltungen statt. Den Höhepunkt bildeten ein staatlicher Festakt und eine hochkarätige Konferenz mit internationaler Wissenschaftsprominenz, beide in (Ost-)Berlin. Spiritus rector und Organisator der Tagung war der Physiker Hans-Jürgen Treder. Nach seinen Worten sollte diese nicht nur Einsteins wissenschaftliche und geschichtliche Rolle würdigen, sondern auch einen „Überblick über die Grundlagen der Wissenschaft unserer Zeit, über gesellschaftliche, philosophische und fachwissenschaftliche Leistungen, Aufgaben und Probleme, immer gesehen unter den Aspekten von Einsteins Denken“ bieten ([2], S. 7).
In diesem Diktum spiegelt sich die eigene lebenslange und konkrete Bezugnahme auf Ideen des „größten Physikers unserer Zeit“ ([3], S. 63). Treders Schaffen war in besonderer Weise auf die „Grundlagen der Wissenschaft“ gerichtet – stets unter Einbeziehung erkenntnistheoretischer und historischer Aspekte. Er pflegte einen aktiven Umgang mit dem Erbe Einsteins und dem Werk anderer bedeutender Physiker aus dem historischen Umfeld der „Großen Berliner Physik“ – ein Terminus, den er zusammen mit seinem Kollegen und Mentor Robert Rompe ab Mitte der 1970er-Jahre propagiert hatte ([4], S. 9). Sein Habitus und Denkstil machten Treder zu einem klassischen Vertreter grundlagenorientierter physikalischer Forschung, in dem die DDR-Führung eine Projektionsfläche für ihr Streben nach wissenschaftlicher und politischer Reputation fand. Der Doyen der DDR-Gesellschaftswissenschaften Jürgen Kuczynski, ein Vertrauter Treders, formulierte es gar so ([5], S. 65): „Wenn sich an unserer Akademie [der Wissenschaften der DDR] auch kein Genie befindet, so haben wir doch ihn als dem Genie am nächsten Kommenden“. (...)
weiterlesen Alexander Pawlak • 6/2019 • Seite 49„Von da an war mein Spitzname Alfons“
Interview mit Helmut Rossmann
Christian Spiering und Herwig Schopper • 6/2016 • Seite 37Superschwere Elemente und Neutrinos
Vor 60 Jahren wurde das Vereinigte Institut für Kernforschung in Dubna gegründet.
Am 26. März 1956 unterzeichneten elf Länder des damaligen Ostblocks einen Vertrag zur Gründung eines internationalen Kernforschungsinstituts, das bei den Vereinten Nationen registriert wurde. Das Institut hat auf einigen Gebieten Wissenschaftsgeschichte geschrieben und war über drei Jahrzehnte ein wichtiges Bindeglied über den eisernen Vorhang hinweg. Heute versteht es sich als Teil einer gesamteuropäischen Forschungslandschaft.
Das Vereinigte Institut für Kernforschung (engl. Joint Institute for Nuclear Research, JINR) befindet sich in Dubna, etwa 120 km nordöstlich von Moskau. Von Beginn an war es auf die friedliche Anwendung der Kernenergie sowie auf Grundlagenforschung in der Kern- und Elementarteilchenphysik ausgerichtet. Bis kurz zuvor hatte Dubna allerdings noch zu jenen auf keiner Landkarte verzeichneten Ortschaften gehört, in denen während der 1940er-Jahre im Rahmen des sowjetischen Atombombenprogramms streng geheime Forschungsinstitute angesiedelt waren. Bei der Gründung des JINR konnte die Sowjetunion darum zwei existierende (zuvor ebenfalls geheime) Institute der sowjetischen Akademie der Wissenschaften in das internationale Institut einbringen – das Laboratorium für Kernprobleme mit seinem 680-MeV-Zyklotron und das Laboratorium für hohe Energien, in dem 1957 ein 10-GeV-Synchrotron seinen Betrieb aufnehmen sollte. In den Dubnaer Teilinstituten („Laboratorien“, Abb. 1) sind über sechs Jahrzehnte hinweg viele wichtige Resultate erzielt und neuartige Methoden entwickelt worden, die wir hier natürlich nur anhand von wenigen Beispielen beleuchten können.
Am spektakulärsten ist sicherlich die Entdeckung superschwerer Elemente im Laboratorium für Kernreaktionen (LNR). Dessen Leitung übernahm 1957 Georgi Flerov, einer der wichtigen Protagonisten des sowjetischen Atomprojekts (Abb. 2). Das LNR hat sich über Jahrzehnte ein Wettrennen mit der University of California in Berkeley und später dem GSI Helmholtzzentrum in Darmstadt um den Erstnachweis von Transfermium-Elementen (Ordnungszahl > 100) geliefert. Trotz gelegentlicher Prioritätsstreitigkeiten ist der bedeutende Beitrag des LNR zu diesem Themenfeld unbestritten und wurde durch die Benennung der Elemente 101 (Mendelevium) und 105 (Dubnium) gewürdigt. Gegenwärtig wetteifert das LNR mit seinen alten Konkurrenten und dem RIKEN-Institut in Japan darum, als Erster die erwartete „Insel der Stabilität“ bei etwa 114 Protonen und 184 Neutronen im Kern zu erreichen. (...)
weiterlesen DESY / Alexander Pawlak • 3/2012 • Seite 11
Wiedervereinigung mit Hochenergie
Dieter Hoffmann • 2/2012 • Seite 39Physiker, Kommunist, Atomspion
Die drei Leben des Klaus Fuchs (1911 – 1988)
Klaus Fuchs wird gemeinhin mit einem der folgenreichsten Fälle von Wissenschaftsspionage in Verbindung gebracht: den Verrat von Geheimnissen des US-amerikanischen Atombombenprojektes an die Sowjetunion in den 1940er-Jahren. Doch Fuchs hatte auch vor und nach diesem „Verrat des Jahrhunderts“ ein Leben, das auf ganz spezifische Weise deutsche Zeitgeschichte widerspiegelt; nicht zuletzt sind seine wissenschaftlichen Leistungen keineswegs unbedeutend.
Klaus Fuchs wurde am 29. Dezember 1911 in Rüsselsheim geboren. Sein Vater war der Theologe Emil Fuchs, der als einer der ersten deutschen Pastoren schon vor dem Ersten Weltkrieg der SPD beitrat und später den Bund der Religiösen Sozialisten gründete.1) Klaus Fuchs wuchs so in einem Elternhaus auf, das gleichermaßen von protestantischen wie sozia-listischen Idealen geprägt war. Im Gymnasium, das er im thüringischen Eisenach absolvierte, fiel Fuchs durch herausragende Leistungen, besonders in Mathe-matik und den Naturwissenschaften auf. Gleichzeitig machte er durch politische Renitenz auf sich aufmerksam, die während des anschließenden Mathematikstudiums – zunächst in Leipzig und ab 1930 in Kiel – durch politische Organisationen kanalisiert wurde. 1930 folgte er seinem Vater und trat in die SPD ein. Er schloss sich auch dem Reichsbanner an, der paramilitärischen Organisation der Sozialdemokratie.
Bereits nach zwei Jahren wechselte Fuchs, wie auch seine drei Geschwister, zur Kommunistischen Partei und wurde Leiter der kommunistischen Studentenfraktion in Kiel. Dies machte ihn zum Gegenstand öffentlicher Anfeindungen und tätlicher Angriffe. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 wurde seine Lage zunehmend gefährlich, und nach dem Reichstagsbrand tauchte er in Berlin unter. Im August 1933 flüchtete er schließlich nach Paris und emigrierte im September 1933 nach England, wo er sich an der Universität Bristol ganz darauf konzentrierte, sein Studium fortzusetzen. Nicht zuletzt war Emigranten durch das Gastland jede politische Betätigung untersagt. Fuchs zeigte sich als ein ebenso ehrgeiziger wie brillianter Student. Bereits im Oktober 1935 schloss er seine Dissertation ab.2) Sein Doktorvater ist kein geringerer als der Pionier der modernen Festkörperphysik, Nevill Mott. Dies und seine glänzende Doktorarbeit, aus der mehrere Aufsätze hervorgingen, die bis heute in Standardwerken zur Festkörperphysik zitiert werden,3) wurden für Fuchs zum Eintrittsbillet in die akademische Welt. Mott hat rückblickend festgestellt, „für einen Mann solchen Kalibers habe ich eine große Karriere in der Physik vorausgesehen“.4) ...
weiterlesen Hans Joachim Meyer • 3/2011 • Seite 51Ein Kuriosum als Gottesgeschenk
Aspekte des Vereinigungsprozesses in der Forschung
Ingolf Hertel • 3/2011 • Seite 46Wer sich vereinigen will, muss teilen lernen
Festvortrag zur Entwicklung der Forschung in den neuen Bundesländern
Stefan Jorda • 3/2011 • Seite 44Unter Physikern stimmt die Chemie
Jubiläumsfeier zur Erinnerung an die Fusion der beiden Fachgesellschaften aus Ost und West
Karl Ulrich Mayer • 10/2010 • Seite 3Gelungene Integration
Leibniz-Institute haben sich als Wachstumsmotoren für Forschung und Innovation in Ostdeutschland erwiesen.
Stefan Jorda • 11/2009 • Seite 24''Sehr visionär und kühn''
Rundgespräch anlässlich des 20. Jahrestags des Mauerfalls
Dieter Hoffmann • 10/2005 • Seite 56
Robert Rompe: die Graue Eminenz der DDR-Physik
Theo Mayer-Kuckuk • 2/2002 • Seite 57Das Magnus-Haus der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Berlin
Das im kulturellen Zentrum Berlins gelegene Magnus-Haus gehört zu den wichtigsten ideellen Besitztümern der DPG. Hier haben Lagrange, Magnus, Helmholtz und viele andere gearbeitet. Das Haus wurde 1958 der Physikalischen Gesellschaft der DDR in Rechtsträgerschaft übergeben und nach der Wiedervereinigung von Berliner Senat erneut der Deutschen Physikalischen Gesellschaft zur dauernden Nutzung übertragen. Es dient heute als wissenschaftliches Begegnungszentrum und ist Sitz des Regionalverbands Physikalische Gesellschaft zu Berlin. Ende September wurde das Magnus-Haus in aller Stille vom Berliner Senat an die Siemens AG verkauft. Seither kämpft die DPG für die Wahrung ihrer Rechte. Der nachfolgende Artikel schildert Geschichte und Bedeutung des Magnus-Hauses.
Hermann Schunck • 4/2002 • Seite 23Transformation oder Urknall?
Reine Grundlagenforschung hatte in der DDR einen schweren Stand. Eines der wenigen Institute, das sich ausschließlich mit Grundlagenforschung beschäftigen konnte, war das Institut für Hochenergiephysik in Zeuthen. Eine Bilanz, zehn Jahre nach dessen Eingliederung in die westdeutsche Forschungslandschaft.