200 Jahre Fraunhofer-Linien
Das Deutsche Museum zeigt zum Jubiläum erstmals zwei Originaldrucke der Fraunhofer-Linien.
Da lag der große Dichter und Denker total daneben: „Abscheulich, wider die Natur des Lichts, letztlich unwichtig, ja sogar störend für jegliche Naturerkenntnis“, urteilte Johann Wolfgang von Goethe über die Fraunhofer-Linien. Als Joseph Fraunhofer vor genau 200 Jahren sein von hunderten schwarzen Linien durchzogenes Sonnenspektrum in München veröffentlichte, wusste er allerdings selbst noch nicht um die Tragweite seiner Entdeckung. Erst raffinierte Experimente und Ideen von Kirchhoff und Bunsen zeigten gut 40 Jahre später, dass Fraunhofer den Schlüssel für den Code der Sterne geliefert hatte. Das Deutsche Museum feiert das Jubiläum der Fraunhofer-Linien zusammen mit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften mit einer Vortragsreihe und einer kleinen Sonderausstellung, bei der ab 22. November erstmals zwei farbige Originaldrucke des Spektrums aus dem Bestand des Archivs in der Akademiesammlung gezeigt werden.
Abb.: Das Sonnenspektrum: Eines der beiden farbigen Original-Blätter mit den Fraunhofer-Linien aus dem Archiv, die jetzt zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert werden. (Bild: Deutsches Museum)
„Wir sind heute dank der allgegenwärtigen Barcodes an verschlüsselte Informationen mit Strichen gewöhnt“, sagt Jürgen Teichmann, der die Sonderausstellung kuratiert hat, „aber als Fraunhofer vor über 200 Jahren diese schwarzen Linien im Farbenspektrum der Sonne entdeckte, war das noch völlig mysteriös.“ Fraunhofer verstand und nutzte sie als Messmarken, innerhalb der sonst ineinander verschwimmenden Farben von Rot bis violett. Er wollte sie möglichst präzise und dabei ästhetisch eindrucksvoll darstellen. Wegen Fraunhofers Perfektionismus verzögerte sich die Veröffentlichung in den Denkschriften der Bayerischen Akademie der Wissenschaften erheblich, bis die Schwarz-Weiß-Abdrucke des Spektrums seinen Ansprüchen genügten. „Fraunhofer hätte das Sonnenspektrum natürlich gerne so farbensprühend dargestellt, wie es in seinen Experimenten mit Glasprisma und Fernrohr zu sehen war“, erzählt Teichmann, „aber das gab die Drucktechnik damals nicht her.“
Einige Jahre später versuchte der junge Wissenschaftler es schließlich doch in Farbe. Drei handkolorierte Einzelexemplare aus dieser Zeit sind erhalten. „Zwei davon befinden sich im Besitz des Deutschen Museums und werden jetzt zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert“, sagt Kurator Teichmann. Dazu werden einige Originalinstrumente und verschiedene Veröffentlichungen ausgestellt, die die Bedeutung der Fraunhofer-Linien für die moderne Astrophysik erläutern. Denn Gustav Robert Kirchhoff und Robert Bunsen fanden etwa 1860 heraus, dass jedes chemische Element mit einer spezifischen Anzahl und Anordnung von Spektrallinien assoziiert war. „Das heißt, dass man mit den Linien bestimmen konnte, aus welchen chemischen Elementen ein Himmelskörper besteht, indem man seine Strahlung untersuchte“, erklärt Jürgen Teichmann.
Mit der Identifikation der Fraunhofer-Linien als „Barcode der chemischen Elemente in der Sonnenatmosphäre“ begann der Siegeszug der optischen Spektroskopie. Im Laufe der Zeit wurden die Messmethoden erweitert und verfeinert, was viele herausragende Forschungsergebnisse brachte. Von Hubble und der Kosmologie um 1926 über die Entdeckung der Quasare 1964 bis zur Entdeckung des riesigen Magnetfelds eines Röntgenpulsars 1978 wird die Bedeutung der feinen schwarzen Striche in der kleinen Sonderausstellung rund um die farbenfrohen Originalblätter verdeutlicht.
Das dritte erhaltene farbige Originalblatt des Spektrums befindet sich übrigens im Goethe-Nationalmuseum in Weimar. Samuel Thomas Sömmering, ein Freund Fraunhofers und Goethes, hatte es selbst an den Dichterfürsten geschickt, mit dem Hinweis, dass die dunklen Linien „das Schattige“ der Farben nach Goethes Theorie darstellen könnten. Doch der große Denker akzeptierte letztlich dieses abscheulich „durchstrichelte“ Spektrum, wie er es nannte, nicht. In einem seiner Gedichte heißt es: „Die Sterne, die begehrt man nicht, man freut sich ihrer Pracht“. Aber dank Fraunhofer und seiner Linien wissen wir heute bis ins Kleinste, was von dort oben so prächtig auf uns scheint.
Deutsches Museum / JOL