17.11.2017

200 Jahre Fraunhofer-Linien

Das Deutsche Museum zeigt zum Jubiläum erstmals zwei Originaldrucke der Fraunhofer-Linien.

Da lag der große Dichter und Denker total daneben: „Abscheulich, wider die Natur des Lichts, letztlich unwichtig, ja sogar störend für jegliche Natur­erkenntnis“, urteilte Johann Wolfgang von Goethe über die Fraun­hofer-Linien. Als Joseph Fraun­hofer vor genau 200 Jahren sein von hunderten schwarzen Linien durch­zogenes Sonnen­spektrum in München veröffent­lichte, wusste er allerdings selbst noch nicht um die Tragweite seiner Entdeckung. Erst raffi­nierte Experimente und Ideen von Kirchhoff und Bunsen zeigten gut 40 Jahre später, dass Fraunhofer den Schlüssel für den Code der Sterne geliefert hatte. Das Deutsche Museum feiert das Jubiläum der Fraun­hofer-Linien zusammen mit der Bayerischen Akademie der Wissen­schaften mit einer Vortrags­reihe und einer kleinen Sonder­ausstellung, bei der ab 22. November erstmals zwei farbige Original­drucke des Spektrums aus dem Bestand des Archivs in der Akademie­sammlung gezeigt werden.

Abb.: Das Sonnenspektrum: Eines der beiden farbigen Original-Blätter mit den Fraunhofer-Linien aus dem Archiv, die jetzt zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert werden. (Bild: Deutsches Museum)

„Wir sind heute dank der allgegen­wärtigen Barcodes an verschlüsselte Infor­mationen mit Strichen gewöhnt“, sagt Jürgen Teichmann, der die Sonder­ausstellung kuratiert hat, „aber als Fraunhofer vor über 200 Jahren diese schwarzen Linien im Farben­spektrum der Sonne entdeckte, war das noch völlig mysteriös.“ Fraun­hofer verstand und nutzte sie als Messmarken, innerhalb der sonst ineinander verschwim­menden Farben von Rot bis violett. Er wollte sie möglichst präzise und dabei ästhetisch eindrucks­voll darstellen. Wegen Fraunhofers Perfek­tionismus verzögerte sich die Veröffent­lichung in den Denk­schriften der Bayerischen Akademie der Wissen­schaften erheblich, bis die Schwarz-Weiß-Abdrucke des Spektrums seinen Ansprüchen genügten. „Fraunhofer hätte das Sonnen­spektrum natürlich gerne so farben­sprühend dargestellt, wie es in seinen Experi­menten mit Glasprisma und Fernrohr zu sehen war“, erzählt Teichmann, „aber das gab die Druck­technik damals nicht her.“

Einige Jahre später versuchte der junge Wissen­schaftler es schließlich doch in Farbe. Drei handko­lorierte Einzel­exemplare aus dieser Zeit sind erhalten. „Zwei davon befinden sich im Besitz des Deutschen Museums und werden jetzt zum ersten Mal der Öffent­lichkeit präsen­tiert“, sagt Kurator Teichmann. Dazu werden einige Original­instrumente und verschiedene Veröffent­lichungen ausgestellt, die die Bedeutung der Fraun­hofer-Linien für die moderne Astrophysik erläutern. Denn Gustav Robert Kirchhoff und Robert Bunsen fanden etwa 1860 heraus, dass jedes chemische Element mit einer spezi­fischen Anzahl und Anordnung von Spektral­linien assoziiert war. „Das heißt, dass man mit den Linien bestimmen konnte, aus welchen chemischen Elementen ein Himmels­körper besteht, indem man seine Strahlung unter­suchte“, erklärt Jürgen Teichmann.

Mit der Identi­fikation der Fraun­hofer-Linien als „Barcode der chemischen Elemente in der Sonnen­atmosphäre“ begann der Sieges­zug der optischen Spektro­skopie. Im Laufe der Zeit wurden die Mess­methoden erweitert und verfeinert, was viele heraus­ragende Forschungs­ergebnisse brachte. Von Hubble und der Kosmologie um 1926 über die Entdeckung der Quasare 1964 bis zur Entdeckung des riesigen Magnet­felds eines Röntgen­pulsars 1978 wird die Bedeutung der feinen schwarzen Striche in der kleinen Sonder­ausstellung rund um die farbenfrohen Original­blätter verdeut­licht.

Das dritte erhaltene farbige Original­blatt des Spektrums befindet sich übrigens im Goethe-National­museum in Weimar. Samuel Thomas Sömmering, ein Freund Fraun­hofers und Goethes, hatte es selbst an den Dichter­fürsten geschickt, mit dem Hinweis, dass die dunklen Linien „das Schattige“ der Farben nach Goethes Theorie dar­stellen könnten. Doch der große Denker akzeptierte letztlich dieses abscheu­lich „durch­strichelte“ Spektrum, wie er es nannte, nicht. In einem seiner Gedichte heißt es: „Die Sterne, die begehrt man nicht, man freut sich ihrer Pracht“. Aber dank Fraun­hofer und seiner Linien wissen wir heute bis ins Kleinste, was von dort oben so prächtig auf uns scheint.

Deutsches Museum / JOL

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