Afrikas Chance auf grünen Strom
Studie untersucht Voraussetzungen für postfossiles Szenario.
Bis ins Jahr 2040 könnten achtzig Prozent der benötigten Energie in Afrika von Solar-, Wind- und Wasserkraft kommen – wenn die Leistung der vorhandenen Kraftwerke voll ausgeschöpft und alle derzeit geplanten Anlagen auch gebaut würden. Zu diesem Schluss kommt eine gemeinsame Studie der Uni Tübingen, der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung, der Uni Osnabrück und der University of Rwanda.
„Genug Sonne, Wind und Wasser sind auf dem Kontinent vorhanden. Viele afrikanische Länder könnten das fossile Zeitalter überspringen. Dazu müssten aber natürlich ein paar Weichen gestellt werden“, sagt Rebecca Peters von der Uni Tübingen, Hauptautorin der Studie. Sie hat sie alle vorhandenen Daten über Kraftwerke für erneuerbare Energien in Afrika in einer umfassenden Datenbank zusammengeführt und die einschlägigen wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Thema ausgewertet.
Stark gefallene Produktionskosten für Solar- und Windenergie machen den massiven Ausbau regenerativer Energien in Afrika möglich, obwohl der Energiebedarf auf dem Kontinent in den kommenden Dekaden massiv steigen wird. Zweidrittel der Bevölkerung hat aktuell noch gar keinen Zugang zu Elektrizität und das Bevölkerungswachstum von derzeit 2,6 Prozent südlich der Sahara ist höher als in anderen Weltgegenden.
Solar- und Windkraftwerke könnten dezentral und in lokalen Netzen ohne Anschluss an Überlandleitungen betrieben werden – darin liege ein enormer Vorteil regenerativer Energiequellen, so das Autorenteam. Ein großflächiger Ausbau des Stromnetzes auch in ländliche Regionen hinein ist laut der Auswertung teuer und nicht nötig. Weitere Potenziale für eine höhere Energieproduktion in Afrika liegen im störungsfreien Betrieb der vorhandenen Kraftwerke, in geringeren Energieverlusten bei Stromexporten und einer geeigneten Kombination verschiedener Energieformen zum Ausgleich von Schwankungen in der Solar- und Windenergie-Produktion.
„Den ungebremsten Ausbau der Wasserkraft sehen wir dagegen skeptisch“, erklärt Klement Tockner, Generaldirektor der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung. „Obwohl Afrika der Kontinent mit den weltweit noch am wenigsten ausgeschöpften Reserven für diese Energieform ist und derzeit die Wasserkraft bereits einen Anteil von 63 Prozent an der Produktion erneuerbarer Energie ausmacht, würde ein massiver Ausbau von Staudämmen und -seen die derzeit noch frei fließenden Flüsse unwiederbringlich verändern und zugleich viele Anwohnerinnen und Anwohner zur Umsiedelung zwingen.“
Das nachhaltige Elektrizitätsszenario für einen universellen Zugang zu erneuerbarer Elektrizität in Afrika setzt voraus, dass Länder mit starker Abhängigkeit von Kohle wie Südafrika oder von Gas wie Algerien, Tunesien oder Libyen auf den weiteren Ausbau von Kohle- und Gaskraftwerke verzichten und ebenfalls einen Übergang zu sauberer Energiegewinnung vollziehen. „Der Strukturwandel ist nur durch eine Verdoppelung der derzeitigen Investitionen bis 2030 möglich und durch zusätzliche Investitionen in Höhe von dreißig Milliarden Dollar jährlich, um Zugang zur Elektrizitätsversorgung für alle zu gewährleisten“, sagte Jürgen Berlekamp von der Universität Osnabrück. Investitionen aus dem Ausland seien dafür notwendig. Seit den Nullerjahren spiele neben den USA und europäischen Ländern dabei zunehmend China eine entscheidende Rolle.
U. Tübingen / RK