Das Blubbern von Ordnung
Ordnungsgrad der Flüssigkristalle reguliert Kavitation.
Kavitation beschreibt die Entstehung kleiner Blasen in Flüssigkeiten und deren anschließendem Zerfall. Problematisch ist die Kavitation, weil die Blasen plötzlich und schnell zusammenfallen und dabei enorme Kräfte freisetzen. Durchwirbeln Schiffsschrauben Meerwasser, verursachen die Blasen an den Schrauben jährliche Reparaturkosten in Millionenhöhe. Es kommt zum Kavitationsfraß, denn die Oberfläche wird durch die hohen mechanischen Beanspruchungen deformiert. Ein Forscherteam des MPI für Dynamik und Selbstorganisation, der TU Berlin und der ETH Zürich konnte nun erstmalig zeigen, dass Kavitation auch auf viel kleinerer Skala stattfindet, besonders in Flüssigkeiten mit molekularer Ordnung. So können Flüssigkristalle beim Durchströmen von Mikrokanälen sehr leicht kavitieren. Die Forscher hoffen anhand ihrer Ergebnisse zukünftig Blasenbildung in verschiedenen Flüssigkeiten, aber auch Abläufe in der Zelle besser zu verstehen, da biologische Bausteine der Zelle ähnliche Eigenschaften wie Flüssigkristalle haben.
Abb.: Wachstum einer Kavitationsdomäne. (Bild: MPI-DS)
Bewegt sich eine Flüssigkeit schnell in Bezug auf ein festes Objekt, fällt der Druck ab. Erreicht dieser Druckabfall den Dampfdruck, so tritt hydrodynamische Kavitation auf. Das Team fand nun heraus, dass Kavitation in Flüssigkristallen bereits unter sehr milden Bedingungen auftritt – im Gegensatz zu den bisher bekannten aggressiven Methoden. Auf Grund ihrer Materialeigenschaften ordnen die Moleküle der Flüssigkristalle in der Strömung parallel zueinander aus, sodass die Blasenbildung energetisch begünstigt wird.
Die Forscher entdeckten, dass Flüssigkristalle sehr leicht kavitieren, wenn sie in winzigen Kanälen fließen. Dazu haben sie in ihren Experimenten Flüssigkristalle in winzigen Kanälen mit hundert Mikrometer Durchmesser fließen lassen. Stromabwärts an einem eingebrachten Pfeiler kommt es zum Druckabfall, bei dem die Wissenschaftler Kavitation beobachteten. Die Forscher beobachteten, je mehr die Moleküle in den Flüssigkristallen ausgerichtet sind, desto leichter bildet sich Kavitation. Das bedeutet, dass der Ordnungsgrad der Flüssigkristalle den Kavitationsvorgang reguliert.
Diese Entdeckung hat Auswirkungen auf eine schwierige Begrenzung der Mikrofluidik, nämlich das Vermischen von Flüssigkeiten in mikrofluidischen Geräten. Bei Strömungen auf der Mikroskala erfolgt das Mischen vor allem durch molekulare Diffusion, in einem sehr langsamen Prozess. Das Wachstum von Kavitationsblasen und deren Zusammenbruch kann den Mischprozess erheblich beschleunigen. „Das ist eine spannende Neuentwicklung in dem mehr als hundert Jahre alten Bereich der Flüssigkristallforschung“, betont Marco Mazza vom MPI für Dynamik und Selbstorganisation. „Unsere Arbeit eröffnet neue Möglichkeiten, den hydrodynamischen Fluss durch die Ordnung und Topologie der Flüssigkristalle zu manipulieren. Das wird eine Richtung sein, die wir in Zukunft verfolgen werden.“
MPI-DS / RK