11.07.2017

Das Blubbern von Ordnung

Ordnungsgrad der Flüssigkristalle reguliert Kavitation.

Kavitation beschreibt die Entstehung kleiner Blasen in Flüssig­keiten und deren anschlie­ßendem Zerfall. Proble­matisch ist die Kavi­tation, weil die Blasen plötz­lich und schnell zusammen­fallen und dabei enorme Kräfte frei­setzen. Durch­wirbeln Schiffs­schrauben Meer­wasser, verur­sachen die Blasen an den Schrauben jähr­liche Reparatur­kosten in Millionen­höhe. Es kommt zum Kavi­tations­fraß, denn die Ober­fläche wird durch die hohen mecha­nischen Bean­spru­chungen defor­miert. Ein Forscher­team des MPI für Dynamik und Selbst­orga­ni­sation, der TU Berlin und der ETH Zürich konnte nun erst­malig zeigen, dass Kavi­tation auch auf viel klei­nerer Skala statt­findet, beson­ders in Flüssig­keiten mit mole­ku­larer Ordnung. So können Flüssig­kristalle beim Durch­strömen von Mikro­kanälen sehr leicht kavi­tieren. Die Forscher hoffen anhand ihrer Ergeb­nisse zukünftig Blasen­bildung in verschie­denen Flüssigkeiten, aber auch Abläufe in der Zelle besser zu ver­stehen, da biolo­gische Bau­steine der Zelle ähn­liche Eigen­schaften wie Flüssig­kristalle haben.

Abb.: Wachstum einer Kavitationsdomäne. (Bild: MPI-DS)

Bewegt sich eine Flüssigkeit schnell in Bezug auf ein festes Objekt, fällt der Druck ab. Erreicht dieser Druck­ab­fall den Dampf­druck, so tritt hydro­dyna­mische Kavi­tation auf. Das Team fand nun heraus, dass Kavi­tation in Flüssig­kristallen bereits unter sehr milden Bedin­gungen auf­tritt – im Gegen­satz zu den bisher bekann­ten aggres­siven Methoden. Auf Grund ihrer Material­eigen­schaften ordnen die Moleküle der Flüssig­kristalle in der Strömung parallel zuein­ander aus, sodass die Blasen­bildung ener­getisch begüns­tigt wird.

Die Forscher entdeckten, dass Flüssigkristalle sehr leicht kavi­tieren, wenn sie in winzigen Kanälen fließen. Dazu haben sie in ihren Experi­menten Flüssig­kristalle in winzigen Kanälen mit hundert Mikro­meter Durchmesser fließen lassen. Strom­ab­wärts an einem einge­brachten Pfeiler kommt es zum Druck­abfall, bei dem die Wissen­schaftler Kavi­tation beob­ach­teten. Die Forscher beob­ach­teten, je mehr die Mole­küle in den Flüssig­kristallen ausge­richtet sind, desto leichter bildet sich Kavi­tation. Das bedeutet, dass der Ordnungs­grad der Flüssig­kristalle den Kavi­tations­vor­gang regu­liert.

Diese Entdeckung hat Auswirkungen auf eine schwierige Begrenzung der Mikro­fluidik, näm­lich das Ver­mischen von Flüssig­keiten in mikro­flui­dischen Geräten. Bei Strömungen auf der Mikro­skala erfolgt das Mischen vor allem durch mole­kulare Diffu­sion, in einem sehr lang­samen Prozess. Das Wachs­tum von Kavi­tations­blasen und deren Zusammen­bruch kann den Misch­prozess erheb­lich beschleu­nigen. „Das ist eine span­nende Neu­ent­wick­lung in dem mehr als hundert Jahre alten Bereich der Flüssig­kristall­forschung“, betont Marco Mazza vom MPI für Dynamik und Selbst­orga­ni­sation. „Unsere Arbeit eröff­net neue Mög­lich­keiten, den hydro­dyna­mischen Fluss durch die Ordnung und Topo­logie der Flüssig­kristalle zu mani­pu­lieren. Das wird eine Rich­tung sein, die wir in Zukunft ver­folgen werden.“

MPI-DS / RK

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

Meist gelesen

Themen