26.03.2015

Den entscheidenden Tick schwerer

Quantenchromodynamische Berechnungen erklären den Massen­unter­schied zwischen Neu­tronen und Pro­tonen.

Nur weil das Neutron ein ganz klein wenig schwerer ist als das Proton, haben Atomkerne genau die Eigenschaften, die unsere Welt und letztlich unsere Existenz ermöglichen. Achtzig Jahre nach der Entdeckung des Neutrons ist es einem Team aus Frankreich, Deutschland und Ungarn unter Führung des Wuppertaler Forschers Zoltán Fodor nun endlich gelungen, diese winzige Massendifferenz zu berechnen. Das Ergebnis wird von vielen Physikern als Bestätigung der Theorie der starken Wechselwirkung angesehen. Entscheidend für die Simulation war Juqueen am Forschungszentrum Jülich, einer der leistungsstärksten Rechner der Welt.

Abb.: Jülicher Superrechner JUQUEEN (Bild: FZJ)

Die Existenz und Stabilität von Atomen hängt ganz entscheidend davon ab, dass Neutronen etwas schwerer sind als Protonen. Die experimentell ermittelten Massen unterscheiden sich nur um etwa 1,4 Promille. Würde die Differenz nur ein wenig davon abweichen, so ergäbe sich ein völlig anderes Universum mit zu vielen Neutronen, zu wenig Wasserstoff oder einem Mangel an schweren Elementen. Der winzige Massen­unterschied bewirkt etwa, dass freie Neutronen im Schnitt schon nach rund zehn Minuten zerfallen, während Protonen praktisch unbegrenzt lange stabil sind.

Erst etwa vierzig Jahre nach der Entdeckung des Neutrons durch Chadwick im Jahre 1932 präsentierten der Deutsche Harald Fritzsch, der Amerikaner Murray Gell-Mann und der Schweizer Heinrich Leutwyler 1972 die Quanten­chromo­dynamik. Heute geht man davon aus, dass das Proton aus zwei Up-Quarks und einem Down-Quark besteht, während das Neutron nur ein Up-Quark, dafür aber zwei Down-Quarks enthält.

Durch Simulationen auf Superrechnern weiß man seit einigen Jahren, dass der größte Teil der Masse gemäß Einsteins Formel E = m c2 von den Quarks herrührt. Allerdings sollte das elektrisch geladene Proton durch sein Feld etwa ein Promille schwerer sein als das Neutron. Offenbar wird diese Differenz von den unterschiedlichen Massen der Quarks aber mehr als aufgehoben, wie Fodor und sein Team in äußerst aufwändigen Simulationen nun gezeigt haben.

Für die Berechnung schufen sie eine neue Klasse von Simulationsverfahren. Diese vereint die Gesetze der Quanten­chromo­dynamik mit denen der Quanten­elektro­dynamik, um die Auswirkungen der elektro­magnetischen Wechsel­wirkungen präzise zu erfassen. Durch Kontrolle aller Fehlerquellen gelang es den Wissen­schaftlern zu zeigen, wie fein die Kräfte der Natur aufeinander abgestimmt sind.

Die Ergebnisse des Physikerteams um Fodor, das an der Bergischen Universität Wuppertal, am Centre de Physique Théorique de Marseille, an der Eötvös University Budapest und dem Forschungs­zentrums Jülich angesiedelt ist, stoßen die Tür zu einer neuen Generation von Simulationen auf, mit denen sich die Eigenschaften von Quarks, Gluonen und Kernteilchen bestimmen lassen. Kálmán Szabó vom Forschungszentrum Jülich: „In der Zukunft könnte das Standardmodell der Elementar­teilchen­physik mit zehnfacher Präzision auf die Probe gestellt werden. Wir hätten eine große Chance, Effekte zu finden, die auf eine neue Physik jenseits des Standardmodells hinweisen.“

„Das Forschungszentrum Jülich fördert mit seinen Supercomputern die Arbeit exzellenter Forscher auf vielen Gebieten der Wissenschaft. Die Grundlagen­forschung wie die Elementar­teilchenphysik ist eine Methoden­schmiede, deren Werkzeuge auch vielen anderen Anwendern äußerst willkommen sind“, sagt Sebastian Schmidt, Mitglied des Vorstands, der diese wissenschaftlichen Aktivitäten seit Jahren unterstützt und begleitet.

FZJ / DE

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