24.09.2012

Der Materie auf den Grund gehen

Die diesjährigen „Highlights der Physik“ fanden vom 18. bis 22. September unter dem Motto „Rätsel der Materie“ in Göttingen statt.

Das Gänseliesel ist nicht nur das Wahrzeichen von Göttingen, sondern wohl auch die meistgeküsste Frau der Stadt – ist es doch für fertig promovierte Göttinger Studenten Brauch, der zierlichen Bronzefigur einen Blumenstrauß zu bringen und sie zu küssen. Fünf Tage lang suchte man sie vor dem Alten Rathaus allerdings fast vergeblich. Riesige Zelte und eine Showbühne verdeckten das Gänseliesel nahezu vollständig, nur eine kleine Lücke gab den Blick auf das Wahrzeichen frei. Grund dafür waren die diesjährigen „Highlights der Physik“, welche die Göttinger Innenstadt für fünf Tage in eine physikalische Erlebniswelt verwandelt und insgesamt 34.000 Besucher angelockt haben. In dem riesigen Zelt waren rund 30 Exponate zu den Themen Materialforschung und Hightech-Werkstoffe ausgestellt. Hier konnten sich die Besucher von Fachleuten das Prinzip der Magnetschwebebahn erklären lassen, verschiedene Kohlenstoffmoleküle zusammen bauen oder sich „auxetische“ Materialien aus Titan anschauen, die in Tierversuchen bereits als künstliche Gelenke dienen. An den meisten Stationen bestand die Möglichkeit, selbst Hand anzulegen und kleine Experimente auszuprobieren, z. B. galt es, eine Toilettenpapierrolle so in einem Plastik­becher mit Sand zu vergraben, dass man den gefüllten Becher an der Rolle hochheben kann.

Wie in jedem Jahr öffnete auch das Juniorlabor mit Mitmach-Experimenten für Kinder von drei bis zehn Jahren seine Pforten. Hier sorgten an der Johanniskirche die Forscherstation aus Heidelberg, der „Forschercircus“ von Jörg Birkhan und die Hexe „Explorada“ von ExploHeidelberg für lehrreiche Unterhaltung. Beim Schülerwettbewerb „Exciting physics“ präsentierten rund 350 Tüftler ab der fünften Klasse einer Fachjury ihre selbstgebauten Konstruktionen. Zahlreiche Wissenschaftsshows, z. B. von Stella Nova und den Physikanten, die in diesem Jahr die Medaille für naturwissenschaftliche Publizistik von der DPG erhalten, sowie Vorträge von Experten rundeten das vielfältige und lehrreiche Programm ab, für dessen wissenschaftliche Leitung schon zum neunten Mal Eberhard Wassermann und Axel Carl verantwortlich waren. Bereits zum zweiten Mal fand im Rahmen der Highlights der „EinsteinSlam“ statt. Robert Frielinghaus vom FZ Jülich entschied diesen Vortragswettbewerb für Naturwissenschaftler für sich, indem er den Stromfluss durch mikroskopische Nanostrukturen anhand von Bierflaschen und Fahrstühlen erklärte.

Die Exponate im großen Zelt am Göttinger Gänseliesel begeisterten Jung und Alt. (Bild: M. Offer & W. Uhmeyer)

Unbestritten ein Highlight war die große Wissenschaftsshow in der Göttinger Lokhalle – souverän moderiert von Ranga Yogeshwar, der allerdings bedauerte, dass die Show in Konkurrenz zu seiner zeitgleich ausgestrahlten Sendung „Quarks und Co.“ stand. In der dreistündigen Show konnten sich die 3000 Zuschauer ein Bild davon machen, wie breitgefächert das Thema Materie bzw. Materialwissenschaften ist: Zunächst drehte sich alles um den Sport und das dort eingesetzte Material: Sandra Kiriasis, Olympia­siegerin im Bobfahren, brachte ihr „Arbeitsgerät“ mit, das bis in die Kufen aus Hightech-Materialien besteht, um in der Bahn die letzte Hundertstelsekunde rausholen zu können. Ein Rennrad, das vor wenigen Wochen noch bei der Olympiade in London zum Einsatz kam, stand ebenfalls auf der Bühne. Beeindruckend: Es wiegt gerade einmal 6,8 kg! Auch im Alltag werden wir mit allerlei Hightech-Materialien konfrontiert, beispielsweise mit der eigentlich so profanen Getränkedose, die heutzutage gerade mal 0,097 mm dünne Wände besitzt. Ganz im Gegensatz dazu das große Stahlfass, das Angela Halfar von „Stella Nova“ und Ranga Yogeshwar innerhalb weniger Minuten allein mithilfe des Luftdrucks eindrucksvoll zum Implodieren brachten.

Anschließend traten Zwillings­brüder aus Halle auf, die ihr „Jugend forscht“-Projekt präsentierten: die Untersuchung der Dynamik beim Golfabschlag mittels Beschleunigungssensoren. Die Faszination für das Experimen­tieren haben sie von ihrem Vater – dem Phy­sikpro­fessor Georg Schmidt – geerbt. Er habe in seiner Förderung alles richtig gemacht, waren sich die Brüder einig. Kurzerhand auf die Bühne geholt, verriet ­Schmidt sein Erfolgs­rezept: „Ganz wichtig ist es, die Neugierde zu wecken. Ich habe nicht versucht, meine Söhne in diese Richtung zu schieben, aber bei ihrem Projekt haben sie gemerkt, dass man mit eigener Initiative viel mehr lernen kann, als man gedacht hätte.“ Genau um die Förderung junger Talente geht es bei den Highlights der Physik, die in diesem Jahr vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, der DPG und der Universität Göttingen veranstaltet wurden. So betont denn auch Beatrix Vierkorn-Rudolph vom BMBF: „Die Highlights der Physik tragen stark dazu bei, junge Menschen dafür zu begeistern, Naturwissenschaften zu studieren, und geben einen Anreiz, sich auf Physik einzulassen.“ Deutschland müsse an der Vorfront neuer Entwicklungen stehen und beständig Innovationen liefern. Das sei nur möglich durch eine starke Grundlagenforschung und junge Menschen, die Physik studieren, ist Vierkorn-Rudolph überzeugt. Die Bedeutung der Physik unterstrich auch DPG-Präsidentin Johanna Stachel, die verdeutlichte, dass die Physik helfen könne, fundamentale Probleme der Gegenwart und Zukunft zu lösen, wie z. B. die Energie­effizienz oder den Aufbau eines geschlossenen Produktkreislaufs.

Anlass zum Staunen gaben bei der Show aber nicht nur die zahlreichen physikalischen Experimente, sondern auch der Magier Topas, der zehn Lautsprecher aus einer nicht allzu großen Kiste hervorzauberte, und Thomas Dietz, der in seinen Jonglageeinlagen stets gegen die Gravitation kämpfen musste – natürlich mit Erfolg. So verging der Abend wie im Flug und dürfte hoffentlich dazu beigetragen haben, dass einige der zahlreich anwesenden Kinder und Jugendlichen sich von der Faszination der Physik haben anstecken lassen.

Maike Pfalz

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