Die Natur macht das beste Materialdesign
Steifigkeit kristalliner Metalllegierungen ist in dem von der Natur vorgegebenen Zustand am höchsten.
Auf der Suche nach neuen Materialien haben Forscher der TU Hamburg eine weitreichende Entdeckung gemacht: Ihnen gelang der Nachweis, dass die Steifigkeit kristalliner Metalllegierungen in dem von der Natur vorgegebenen Zustand am höchsten ist. Anders gesagt: Es gibt auf diesem Sektor nichts, was besser ist als die Natur. Mit diesem Ergebnis wird die weltweite Suche nach neuen steifen Materialien zumindest auf dem Gebiet der kristallinen Metalllegierungen in Frage gestellt.
Abb.: Stefan Müller, Michaela Höfler und Sascha Maisel (v. l. n. r.; Bild: TUHH)
Wissenschaftler suchen weltweit händeringend nach neuen Materialien, von denen sie sich neue Funktionen versprechen. Ob Keramik, Kunststoff oder kristalline Metalllegierungen – stets geht es darum, Eigenschaften zu entdecken, die entweder über das hinausgehen, was die Natur liefert oder wo die Natur das Vorbild ist. Auch die TU Hamburg sucht in ihrem Sonderforschungsbereich „Maßgeschneiderte, multiskalige Materialsysteme“ nach neuen Materialien mit bis dato nicht dagewesenen Funktionen. In diesem Rahmen ist auch die Forschergruppe um Professor Müller angesiedelt, die sich speziell mit Zusammenhängen zwischen energetischen und mechanischen Eigenschaften wie der Steifigkeit von Materie beschäftigt.
Die Idee, in einem Material durch eine veränderte Zusammensetzung der Komponenten neue Eigenschaften zu generieren, ist uralt und reicht bis in die Bronzezeit. Seit den 60er-Jahren ergänzen Computersimulationen die klassischen Versuche. Egal, welches Verfahren zum Tragen kam, stets beschränkten sich die Untersuchungen auf einzelne Materialien. Die Hamburger Forscher hingegen haben von vorneherein ihre Studie einer ganzen Materialklasse gewidmet: den kristallinen Metalllegierungen.
In ihrem Fokus waren vier verschiedene Metalllegierungen: Nickel-Aluminium, Kupfer-Aluminium, Nickel-Wolfram und Nickel-Tantal. Über eine Million verschiedener atomarer Anordnungen hatten die Wissenschaftler dabei berechnet. Das Ergebnis war eindeutig und lässt sich auf die wichtigsten kristallinen Metalllegierungen übertragen. Je nach Anordnung der Atome ändert sich die Steifigkeit eines Materials. „Es hat sich gezeigt, je stabiler eine solche atomare Anordnung, desto steifer ist diese,“ sagt Müller. Außerdem wurde festgestellt, dass die Stabilität in einem direktem Verhältnis zur Steifigkeit steht, anders gesagt, wenn das Material halb so stabil ist, ist es auch halb so steif. „Die Anordnung mit der niedrigsten Energie hat die höchste Steifigkeit,“ sagt Sascha Maisel. Der Physiker hatte federführend die Berechnungen durchgeführt. Neun Monate nahmen die numerischen Berechnungen und die systematische Auswertung der riesigen Datenbasis in Anspruch.
Die Natur versuche stets, den Zustand der minimalsten Energie zu erreichen. Dies werfe eine Vielzahl weiterführender Fragen auf, wie etwa: Wie weit lassen sich die Ergebnisse auch auf andere Materialtypen übertragen? Was passiert bei Systemen, die nicht wie die kristallinen Metalllegierungen aus zwei, sondern aus drei und vier Atomarten bestehen? Nicht zuletzt stellt sich aus technischer Sicht die Frage, ob aufgrund der Ergebnisse die Suche nach synthetischen Materialien mit höherer Steifigkeit für wirklich jedes Material sinnvoll ist.
TUHH / OD