16.02.2017

Die Uhr im Anhänger

Transportable optische Strontiumuhr bereit für Messungen im Feld.

Optische Uhren sind noch genauer als die Cäsium-Atomuhren, die gegenwärtig zur Zeit­bestimmung dienen. Außerdem benötigen sie nur ein Hundertstel der Messdauer, um eine bestimmte Mess­genauigkeit zu erreichen. Damit könnten sie in Zukunft nicht nur die Grundlage für eine neue Definition der SI-Basis­einheit Sekunde liefern, sondern ganz konkret zu besseren Mess­möglichkeiten etwa in der Geodäsie führen. Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) haben jetzt erstmals eine transportable optische Strontium-Gitteruhr präsentiert und erfolgreich getestet, die für weltweite Vergleiche optischer Uhren, geodätische Anwendungen und Grundlagen­untersuchungen in der Physik geeignet ist.

Abb.: Ein Anhänger, gespickt mit Hightech-Physik: die transportable optische Uhr der PTB (Bild: PTB)

Optische Uhren gelten als heiße Kandidaten für eine neue Definition der SI-Basis­einheit Sekunde. Dass es bei der anstehenden SI-Neu­definition im Herbst 2018 vorerst noch bei den Cäsium-Atomuhren bleibt, hat nur den Grund, dass der Nachfolger noch nicht klar feststeht. Es gibt schlicht zu viele konkurrierende optische Uhren. Noch ist nicht klar, wer das Rennen machen wird – sprich, ob die Definition schließlich auf einer Eigenschaft des Strontium-, Ytterbium-, Aluminium- oder eines anderen Atoms beruhen wird. Die entsprechenden optischen Uhren liefern sich schon seit Jahren spannende Kopf-an-Kopf-Rennen in den unterschiedlichen Disziplinen: etwa bei der Genauigkeit oder bei der Stabilität.

Der gegenwärtige Sieger in der Disziplin „Transportabilität“ hat alle Konkurrenten hinter sich gelassen. „Mit einer Unsicherheit von 7,4 × 10−17 ist unsere transportable optische Strontium-Gitteruhr so nah an die besten stationären optischen Uhren heran­gekommen, wie wir es für gute Uhren­vergleiche brauchen“, erklärt Arbeits­gruppen­leiter Christian Lisdat. Und richtig gute Uhren­vergleiche sind heutzutage nur in den wenigen Fällen möglich, in denen Uhren in demselben Labor stehen oder über Glasfaser­verbindungen gekoppelt sind – wie etwa bei der Glas­faser­strecke zwischen Braunschweig und Paris. „In allen anderen Fällen müssen sie die klassischen Satelliten­vergleiche wie zwischen Cäsium-Atomuhren nutzen – aber sie verlieren den Genauigkeits­vorteil, den eine optische Uhr bietet“, erklärt Lisdat. Ab jetzt kann man eine optische Uhr im Prinzip einfach zu ihrem Gegenstück fahren und die beiden miteinander vergleichen. So etwas ist kein Selbst­zweck, sondern praktische Notwendigkeit: Nur innerhalb eines globalen Zusammen­schlusses können Uhren den weltweiten Finanz-, Kommunikations-, Satelliten­navigations- und Energie­versorgungs­systemen die benötigten genauen Zeitsignale liefern.

Abb.: Die optische Uhr im Innern des Anhängers (Bild: PTB)

Auch hinsichtlich der Stabilität (ebenfalls eine starke Seite der stationären Strontium-Gitteruhr der PTB) hat diese transportable Variante ihre Konkurrenten so weit überholt, dass sie Geodäten aufhorchen lässt: „Wir erreichen bereits nach Messungen von weniger als einer Stunde den Bereich von wenigen 10−17, der notwendig ist, um Höhen­unterschiede von ungefähr zehn Zentimetern zu messen. Mit zwei Uhren und einer Verbindung geht dies auch zwischen sehr weit entfernten Zielen, etwa über einen Kontinent“. Weil eine solche optische Uhr damit etwas in einem Schritt schafft, wofür bisherige geodätische Methoden viele Einzel­schritte benötigen, arbeiten Lisdat und seine Kollegen schon seit einigen Jahren eng mit Wissenschaftlern der Leibniz Universität Hannover im DFG-Sonder­forschungs­bereich 1128 geo-Q zusammen.

Ein Blick in den klimatisierten Auto­anhänger, in dem die transportable Uhr untergebracht ist, offenbart ein Gewirr aus Kabeln, Lasern und Computern. „Es war keine triviale Aufgabe, alle Laser­systeme zum Herunterkühlen und Einfangen der Atome mitsamt der nötigen Elektronik auf solch kleinem Raum unterzubringen“, erläutert Christian Lisdat. Als besonders kompliziert erwies sich die transportable Version des Abfrage­lasers, der die richtige Frequenz der Strontium­atome ermittelt. Aber schließlich konnten die Forscher den kleinen Anhänger, der außen die Aufschrift der verwendeten optischen Uhren­frequenz trägt, fertigstellen und bei zwei Mess­kampagnen außerhalb des PTB-Geländes testen. Obwohl noch bessere Komponenten schon in der Entwicklung sind, ist diese Uhr bereits jetzt zehnmal genauer und hundertmal stabiler als die besten transportablen Cäsium-Fontänenuhren.

Damit ist die transportable optische Uhr der PTB bereit für geodätische Höhenmessungen, internationale Uhren­vergleiche, Präzisionsmessungen von Fundamental­konstanten – und macht einen wichtigen Schritt für Anwendungen im Weltraum.

PTB / DE

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

ContentAd

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Die HiPace 10 Neo ist ein effizienter, kompakter Allrounder für den Prüfalltag, der geräuscharm und besonders energieeffizient ist.

Meist gelesen

Themen