22.04.2014

Druck senkt Widerstand in Supraleiter

Strontium-Ruthenat überträgt Strom bei höheren Temperaturen verlustfrei, wenn es gestaucht oder gedehnt wird.

Manche Supraleiter bleiben Physikern ein hartnäckiges Rätsel. Warum sie elektrischen Strom bei sehr tiefen Temperaturen ohne Widerstand leiten lässt sich mit der gängigen Theorie der Supraleitung nicht erklären. Wenn Physiker solche unkonventionellen, also „exotischen“, Supraleiter enträtseln könnten, kämen sie der Herstellung von künstlichen Materialien näher, die Strom bei Raumtemperatur verlustfrei leiten und so beim Energiesparen helfen könnten. Forscher des Max-Planck-Institutes für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden haben nun im Rahmen einer internationalen Kollaboration eine Messtechnik entwickelt, mit der sich unkonventionelle Supraleiter effizient und präzise untersuchen lassen. Bei der ersten Anwendung ihrer Druckkammer demonstrierten sie, dass Strontium-Ruthenat bei deutlich höheren Temperaturen als normalerweise supraleitend wird, wenn es gedehnt oder gestaucht wird. Dies erlaubt neue Einblicke in die Natur der Supraleitung bei diesem Material. Darüber hinaus wird die Dresdener Methode die Erforschung eines breiten Feldes von supraleitenden Materialien erleichtern, sind die Wissenschaftler überzeugt.

Abb.: Um zu untersuchen, wie der exotische Supraleiter Strontium-Ruthenat auf Dehnung und Stauchung reagiert, spannen Dresdner Max-Planck-Forscher eine Probe des Materials in einen Halter zwischen den beiden rechten Schrauben in der Bildmitte. Drei in einer Reihe angeordnete Piezokristalle (rechts) setzen die Probe unter Druck bzw. bewirken einen Zug. (Bild: MPI CPfS)

Die Dresdener Forscher um Clifford W. Hicks stauchten und dehnten eine Probe ihres Supraleiters ein Stückchen. Dadurch rückten die Atome des Materials zusammen, oder sie entfernen sich voneinander. Dies wiederum veränderte die Wechselwirkung zwischen den Elektronen im Supraleiter, welche entscheidend für die Entstehung der Supraleitung ist. Bei allen Supraleitern verbinden sich jeweils zwei Elektronen miteinander zu einem Paar. Diese so genannten Cooper-Paare bewegen sich auf andere Weise als einzelne Elektronen durch das Material, was letztlich zum Verschwinden des elektrischen Widerstandes führt.

Zwischen den Cooper-Paaren verschiedener Supraleitertypen gibt es wesentliche Unterschiede. Bei herkömmlichen Supraleitern zeigen die Cooper-Paare keinen Magnetismus, da sich die die magnetischen Momente der beiden Elektronen einander entgegengesetzt ausrichten. Bei Strontium-Ruthenat hingegen richten sich die magnetischen Momente der Elektronen parallel aus. Sie sind wie zwei Kompassnadeln, die beide in die gleiche Richtung weisen. Da sich die magnetischen Momente dadurch verstärken statt zu neutralisieren, bleiben die Cooper-Paare magnetisch und der Supraleiter reagiert anders auf äußere Magnetfelder als ein herkömmlicher.

Die Andersartigkeit drückt sich durch eine charakteristische Reaktion auf äußere Einflüsse aus. Theoretische Physiker erwarteten, dass der unkonventionelle Supraleiter stärker auf äußeren Druck reagieren sollte als konventionelle Supraleiter. Um dies zu testen, entwickelten Forscher um Andrew P. Mackenzie, der vor kurzem von der schottischen University of St. Andrews an das Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe nach Dresden wechselte, eine Druckzelle. Diese haben die Physiker so konzipiert, dass sie sich im Kühlgerät, das die für die Supraleitung nötigen Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt bereitstellt, mit geringem experimentellen Aufwand präzise regeln lässt.

Der Probenhalter enthält drei Piezokristalle, die ihre Länge bei Anlegen einer elektrischen Spannung vergrößern. Zwei davon sind über einen U-förmigen Bügel mit der Probe verbunden, sodass der Bügel unter Zug gerät, wenn die Piezokristalle länger werden. Ein dritter Piezokristall ist direkt mit der Probe gekoppelt, sodass diese bei Anlegen der Spannung einen Druck erfährt. Da Kristalle entlang verschiedener Richtungen unterschiedliche physikalische Eigenschaften aufweisen können, ist es auch wichtig, dass mit der Druckkammer auch in bestimmten Kristallrichtungen Druck ausgeübt werden kann. Bereits unter geringem Zug oder Druck steigt die Sprungtemperatur um 40 Prozent

Das überraschende Ergebnis der Dresdener Versuche: Die Sprungtemperatur stieg schon bei sehr kleinen Dehnungen und Stauchungen von wenigen Promille der Ausgangslänge um mehr als 40 Prozent, nämlich von rund 1,3 Kelvin auf über 1,9 Kelvin. Der starke Anstieg der Sprungtemperatur nahm, entgegen der Erwartung, einen parabelförmigen Verlauf. Entlang einer anderen Kristallrichtung beobachteten die Forscher hingegen eine deutlich schwächere Änderung der Sprungtemperatur. Bei Zug stieg sie in dieser Kristallrichtung leicht, bei Druck nahm sie ab.

Die Dresdener Ergebnisse geben theoretischen Physikern nun Randbedingungen für die Erklärung der exotischen Supraleitung von Strontium-Ruthenat in die Hand. Auf deren Basis können sie bestimmte Modelle verwerfen oder favorisieren. Auch dem Verständnis einer andere Form exotischer Supraleiter, der so genannten Hochtemperatur-Supraleiter, könnten sich Physiker auf diese Weise nähern.

CJM/MPG / PH

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