Ein Denkmal für Lise Meitner
Die Humboldt-Universität Berlin ehrt die große Physikerin mit einem Standbild im Ehrenhof des Hauptgebäudes.
Für die junge Lise Meitner war eine wissenschaftliche Karriere nur über den Nebeneingang möglich. In Wien konnte sie im Oktober 1901 immerhin das Studium von Mathematik, Physik und Philosophie aufnehmen, da vier Jahre zuvor Frauen in Österreich zum Universitätsstudium zugelassen worden waren. Doch als sie nach ihrer Promotion an die Universität Berlin ging und dort mit Otto Hahn im Chemischen Institut zusammen arbeiten wollte, blieb ihr der Zugang zu den Laborräumen untersagt. Stattdessen wurde ihr ein ursprünglich als Holzschuppen vorgesehener Raum für Experimente zur Verfügung gestellt. Bis 1912 muss sie warten, um von Max Planck eine Stelle angeboten zu bekommen.
Nun hat Lise Meitner einen ehrenvollen Platz am Haupteingang erhalten. Mit einem feierlichen Festakt am 10. Juli hat die Berliner Humboldt-Universität, in Anwesenheit von Bundesforschungsministerin Johanna Wanka, ein Denkmal für die bedeutende Physikerin im Ehrenhof vor dem Hauptgebäude enthüllt, gegenüber dem Standbild von Max Planck. Die Bronze der Berliner Bildhauerin Anna Franziska Schwarzbach ist das erste Denkmal für eine Wissenschaftlerin in Deutschland und konnte dank der Unterstützung vieler Spenderinnen und Spender verwirklicht werden.
Das Lise-Meitner-Denkmal steht nun vor dem Hauptportal der Berliner Humboldt-Universität. (Fotos: M. Schaaf)
„Mit diesem Denkmal ehrt die Humboldt-Universität zu Berlin eine der bedeutendsten Naturwissenschaftlerinnen des 20. Jahrhunderts und möchte gleichermaßen einen Erinnerungsort für jüdische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schaffen, die Opfer antisemitischer Verfolgung und Vertreibung wurden“, sagte HU-Präsident Jan-Hendrik Olbertz.
Lise Meitner eroberte zielstrebig die Männerdomänen der Wissenschaft. 1913 wurde sie als erste Frau Wissenschaftliches Mitglied der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. 1922 habilitierte sie sich als erste Physikerin in Deutschland und wurde 1926 als erste Frau an der Berliner Universität zur außerordentlichen Professorin berufen. Doch mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten kam der jähe Bruch: 1933 wurde Lise Meitner auf Grund ihrer jüdischen Herkunft die Lehrbefugnis entzogen. 1938 flüchtete die Physikerin ins schwedische Exil.
Trotz mehrfacher Aufforderungen verweigerte sie ihre Mitwirkung am Bau der Atombombe und engagierte sich nach Kriegsende weltweit für eine friedliche Nutzung der Kernenergie. Lise Meitner war die Entdeckerin einer Reihe neuer Isotope und trug mit ihrer experimentellen physikalischen Grundlagenforschung maßgeblich dazu bei, neue Forschungsfelder zu erschließen. Nicht zuletzt lieferte sie die korrekte theoretische Deutung der Experimente, die Hahn und Straßmann 1938 durchgeführt hatten. Zusammen mit ihren Neffen Otto R. Frisch erkannte sie, dass den beiden Forschern in Berlin der Nachweis der ersten Kernspaltung gelungen war.
Lise Meitners Leben hat auch heute noch Vorbildfunktion. „Das Denkmal wird seine Betrachter immer wieder auch zum Nachdenken darüber anregen, was wir heute tun müssen, damit sich noch mehr Frauen in der Wissenschaft auf den Weg einer Lise Meitner begeben“, betonte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka. Das haben auch die „Lise Meitner Lectures“ zum Ziel, eine jährliche Veranstaltungsreihe von DPG und der Österreichischen Physikalischen Gesellschaft, in der sich herausragende Wissenschaftlerinnen aus Deutschland und Österreich als „Role Models“ einem breiten Publikum vorstellen.
Alexander Pawlak / HU Berlin
(Mit Dank an Michael Schaaf)