28.05.2014

Elektronenwelle geblitzt

Ultraschnelle Laserpulse bilden Elektronenschwingungen in Argon-Ionen ab.

Es ist ein alter Wunschtraum vieler Physiker, die Bewegung eines Elektrons in einem Atom möglichst direkt zu vermessen. Dazu muss das Elektron aber aus seinem gebundenen Zustand befreit werden, z. B. durch Beschuss mit Elektronen oder Ionen oder mit Licht. Die Schwierigkeit liegt darin, dass dabei die anfängliche Bewegung gestört wird und diese Störung sich nicht auf einfache Weise aus dem Messergebnis herausrechnen lässt. Gemäß einem Gedankenexperiment von Heisenberg könnte man die positive Ladung des Atomkerns ausschalten und das negativ geladene Elektron würde einfach mit der Geschwindigkeit, die es in diesem Moment hat, herausfliegen. Freilich müsste man dies vielfach wiederholen, da die Geschwindigkeit im Atom als Quantensystem nicht genau bestimmt ist. Das Ergebnis wäre dann die gesuchte statistische Geschwindigkeitsverteilung des Elektrons. Anschaulich würde eine Kugel, die in einer Schüssel umherkreist, dadurch befreit, dass man die Schlüssel schlagartig verschwinden lässt. Dies ist aber in der Realität genauso wenig möglich wie das Abschalten der Kernladung. Wohl aber kann man die Schüssel kippen und die Geschwindigkeit der herauslaufenden Kugel vermessen.

Abb.: Wahrscheinlichkeitsverteilung der Elektronengeschwindigkeit senkrecht zum Laserfeld: Differenz der zeitabhängigen Verteilung zur mittleren Verteilung (rot: negative, grün: positive Abweichung; Bild: MPIK)

Analog geschieht genau das, wenn ein Atom dem starken elektrischen Feld eines intensiven Lasers ausgesetzt wird – das Elektron kann hier nicht nur über den Schüsselrand hinweglaufen, sondern sogar durch diesen hindurch tunneln. Physiker aus der Gruppe um Robert Moshammer am Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik haben als besonders interessanten Anfangszustand die Überlagerung zweier Orbitale im Edelgas Argon betrachtet. Die Bindungsenergien in beiden Orbitalen sind ähnlich, haben aber eine unterschiedliche Ausrichtung im Raum – charakterisiert durch die magnetische Quantenzahl m, welche hier die Werte –1, 0 oder +1 annehmen kann. Für verschwindendes m ist die Elektronenwolke hantelförmig entlang des Laserfeldes ausgerichtet, für endliches m dagegen reifenförmig in einer Ebene senkrecht dazu. Präpariert wird diese Überlagerung durch Tunnelionisation in einem ersten Laserimpuls, der genau ein Elektron entfernt – zurück bleibt daher eine Überlagerung zweier Lochzustände.

Wird nun das so präparierte Ar+-Ion nach einer bestimmten Verzögerung von einem zweiten Laserimpuls getroffen, so kann eines der fünf verbleibenden Valenz-Elektronen entfernt werden. Diese verhalten sich komplementär zu dem Lochzustand und sind daher auch als eine solche Überlagerung beschreibbar. Misst man die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Elektron im zweiten Laserimpuls freigesetzt wird, so schwankt sie periodisch mit der Verzögerungszeit. Dies entspricht genau dem quantenmechanischen Verhalten einer solchen Überlagerung, die zwischen den verschiedenen Orbitalen hin- und herpendelt. Für m = 0 ist das Elektron wegen der Ausrichtung des Orbitals parallel zum elektrischen Feld der angreifenden Kraft leichter zu ionisieren und es wird auch bevorzugt in diese Richtung freigesetzt. Die Geschwindigkeiten der Elektronen haben aber auch eine transversale Komponente zum Laserfeld. Da in dieser Richtung der Laser keine Kraft ausübt, könnte man erwarten, damit einen direkten Zugang zur anfänglichen Geschwindigkeitsverteilung im gebundenen Zustand zu erhalten. Es sind aber zwei Störeffekte zu berücksichtigen: Erstens wird die Tunnelstrecke bei ‚schiefer‘ Durchdringung der Barriere etwas länger. Zweitens stört die stets vorhandene Anziehungskraft des Atomkerns die beobachtete Verteilung.

Um dieses Problem zu umgehen, haben die Forscher folgenden Trick angewandt: Sie bestimmten die Differenz der transversalen Geschwindigkeitsverteilung für einen bestimmten Zeitpunkt zur zeitgemittelten Verteilung. Als Zeitpunkte wählten sie jene, wo sich das Elektron überwiegend im Orbital mit verschwindendem bzw. endlichem m befindet. Im Zustand m = 0 bewegt sich das Elektron vorzugsweise in Richtung des Laserfeldes – die Geschwindigkeiten senkrecht dazu fallen kleiner aus. Die anderen beiden Zustände hingegen lassen sich als Kreisbewegung in der Ebene senkrecht zum Laserfeld veranschaulichen – mit hier entsprechend größerer Geschwindigkeit. Pendelt das Elektron nun zwischen den beiden Zuständen, so beobachtet man abwechselnd in der Differenz ein Defizit bzw. einen Überschuss bei kleineren bzw. größeren Geschwindigkeiten.

„Durch die Differenzbildung fallen die Störeffekte weitgehend heraus, da sie zeitunabhängig sind, während die zeitabhängige Schwingung der Elektronenwolke deutlich sichtbar bleibt“, erläutert Lutz Fechner, Doktorand in der Gruppe von Robert Moshammer. „Somit sind wir in der Lage, mit unseren Messungen gängige theoretische Modelle für die Tunnelionisation zu testen. Wir waren sogar überrascht, wie gut die Übereinstimmung mit einem einfachen theoretischen Modell ist, welches die Störung durch die Kernladung gar nicht berücksichtigt.“ Von zukünftigen Experimenten erwarten die Forscher detaillierte Informationen über den Ionisationsprozess in starken Laserfeldern und über die Dynamik mehrerer gebundener Elektronen.

MPIK / DE

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