05.11.2013

Ende für Plasmaexperiment im All

Letzter Versuch mit „riesigen“ Kügelchen bringt Plasmakristall-Labor PK-3 Plus an seine Grenzen.

Sieben Jahre lang lieferte es auf der Internationalen Raumstation Ergebnisse für Wissenschaft und Technologie, jetzt kam das erfolgreiche Plasmakristall-Labor PK-3 Plus ein letztes Mal zum Einsatz. Nach dem Abdocken von der Internationalen Raumstation ISS trat der Einstein-Transporter der ESA mit dem Labor an Bord Anfang November in die Erdatmosphäre ein und verglühte – dabei erzeugte PK-3 Plus ein letztes, dann allerdings ein heißes Plasma. Bereits im Juni endete die operationelle Phase von PK-3 Plus mit einer letzten Experimentserie und mit einem spektakulären Finish, dessen Resultate die Wissenschaftler noch einige Zeit lang beschäftigen werden.

Abb.: Einige „große“ Teilchen mit etwa einem Millimeter Durchmesser, die versehentlich in die Experimentkammer gelangten, aber zu interessanten Wechselwirkungen mit den kleineren Teilchen führten. (Bild: MPE)


Die komplexe Plasmaforschung beschäftigt sich mit einem kürzlich entdeckten Zustand der Materie. Bei der Erforschung staubiger Plasmen, wie sie beispielsweise an den Grenzschichten zwischen Erdatmosphäre und dem Raum zwischen Sonne und Erde auftreten, entdeckten die Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in den 1990er Jahren, dass hier ganz neue Effekte auftreten. Obgleich ein Plasma der vierte und ungeordnetste Zustand der Materie ist, lässt sich mithilfe von kleinen Teilchen im Plasma eine Ordnung herstellen. Die Teilchen haben dabei eine Größe von einem tausendstel Millimeter und bilden Strukturen, die flüssige beziehungsweise auch kristalline Eigenschaften aufweisen können.

Mit dem komplexen Plasma entsteht dabei ein Modellsystem, das für viele Bereiche der Physik interessante Grundlagen und Einblicke liefern kann. Da die Teilchen hierbei relativ groß sind, kann man beispielsweise im Plasmakristall jedes einzelne Gitterteilchen beobachten und dynamisch verfolgen. Dadurch erhalten die Forscher Einblick auf der fundamentalsten, der kinetischen Ebene. Phasenübergänge wie das Schmelzen und die Kristallisation, oder auch die Entmischung von binären Systemen lassen sich damit im Detail untersuchen.

Auf der Erde können aufgrund der Masse der Teilchen und ihrer Sedimentation im Schwerefeld nur 2-dimensionale oder gestresste 3-dimensionale Systeme untersucht werden. Deshalb nutzte man schon früh Experimente in Schwerelosigkeit. Komplementär zu der bodengebunden Forschung konnte ein Team von russischen und deutschen Wissenschaftlern bereits 2001 das erste Labor für diese Forschung auf die Internationale Raumstation bringen. Bilateral finanziert von Russland und Deutschland (DLR/BMWi) und gebaut von der deutschen Raumfahrtfirma Kayser-Threde und dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik war diese Forschung so erfolgreich, dass umgehend das Folgelabor PK-3 Plus in Auftrag gegeben wurde. Ende 2005 löste das neue Labor auf der ISS das erste Experiment PKE-Nefedov ab.

Abb.: Die Technologie zur Erzeugung kalter Plasmen wird inzwischen auch für medizinische Zwecke verwendet. (Bild: MPE)


PK-3 Plus, welches ebenso vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und dem Münchner Raumfahrtunternehmen Kayser-Threde entwickelt, gebaut und betreut wurde, konnte den großen Erfolg des ersten Labors sogar noch ausbauen. Die Wissenschaftler konnten mit Experimenten belegen, dass das komplexe Plasma ein neuer Zustand der sogenannten weichen Materie ist, zu der auch granulare Medien oder Kolloide in flüssigen Suspensionen zählen. Diese Erkenntnis eröffnete ein großes Spektrum von neuen wissenschaftlichen Themen und deutet auf eine lange und vielversprechende Forschungszukunft hin.

Das letzte Experiment mit PK-3 Plus fand am 14. Juni 2013 auf der ISS statt; hierbei reizten die Forscher die Apparatur bis an ihre Grenzen aus. Kosmonaut Pavel Vinogradov schüttelte Teilchen in nie dagewesener Zahl in das Plasma ein und dabei gelangten auch versehentlich einige große Kügelchen von etwa einem Millimeter Durchmesser in die Experimentierkammer. Die Wechselwirkung dieser „riesigen“ Kügelchen mit den dichten Wolken der „kleinen“ Partikel war spektakulär anzusehen und lieferte interessante Informationen. Damit diese Kügelchen immer wieder durch das komplexe Plasma schwebten, war der Kosmonaut außerdem angehalten regelmäßig an das in einem Container befindliche Labor zu stoßen. So erhielten die Wissenschaftler auf der Erde immer wieder neue Bilder und Daten, die jetzt noch auf detaillierte Auswertung warten.

Neben den vielen interessanten Themen in der physikalischen Grundlagenforschung entwickelte sich aufbauend auf dem Wissen des Weltraumexperiments aber auch eine Anwendung auf einem gänzlich anderen Gebiet – eine Entwicklung, die anfangs nicht vorhersehbar war. Die technologische Entwicklung zur Erzeugung kalter Plasmen führte zu Geräten und Anwendungen in dem neu entstandenen Bereich der „Plasmamedizin“. Dies beruht auf dem keimtötenden Effekt des kalten, atmosphärischen Plasmas (CAP), das Bakterien, Viren, Pilze und Sporen jeglicher Art in kürzester Zeit abtötet. Gleichzeitig werden andere Zellen, wie beispielsweise normale Hautzellen nicht beeinflusst. In einer fächerübergreifenden Kooperation untersuchte die Gruppe am MPE in der weltweit ersten klinischen Studie die Wirkung des CAP auf chronische Wunden und konnte damit nicht nur den sterilisierenden Charakter des Plasmas nachweisen sondern auch, dass es diese Behandlung die Wundheilung unterstützt.

DLR / PH

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