Fusilli-Radiowellen ermöglichen höhere Bandbreite
Erfolgreiche Versuche in Venedig beweisen die Praxistauglichkeit einer neuen Übertragungsmethode.
Italienischen und schwedischen Forschern ist bei der Übertragung von Information über Radiowellen ein Durchbruch gelungen. Durch geschicktes Ausnutzen verschiedener Drehimpulse des elektromagnetischen Feldes konnten sie die verfügbare Bandbreite um das Mehrfache strecken. Von besonderer Bedeutung sind diese Versuche nicht nur für den Rundfunk, sondern auch für Mobilfunkanbieter, die zunehmend unter verstopften Netzen leiden.
Abb.: Eine helikoidale Antenne zur Erzeugung von Fusilli-Radiowellen. (Bild: F. Tamburini)
Genau wie die Mechanik kennt die Elektrodynamik beliebig hohe Bahndrehimpulse von elektrischen Feldern. Ein verdrilltes elektrisches Feld kann man sich vorstellen wie eine italienische Fusillinudeln. Diese Felder werden gegenwärtig in der Rundfunktechnik nicht genutzt, enthalten aber zusätzliche Freiheitsgrade, die neben Frequenz und Polarisation genutzt werden können. Im Prinzip sind also unendlich viele Bahndrehimpulse und damit zusätzliche Kanäle auf jedem Frequenzband möglich. Die Autoren gehen davon aus, dass sich bis zu fünf positive und negative Bahndrehimpulse pro elektromagnetischer Welle wirtschaftlich nutzen lassen. Zusammen mit dem üblichen unmodifizierten Kanal ergäbe sich damit ein Bandbreitengewinn vom Faktor elf.
Nachdem die Wissenschaftler der Universität Padua und des Ångström Laboratoriums in Uppsala in Laborversuchen die Funktionstüchtigkeit der neuen Technik zeigen konnten, gelang ihnen nun der Nachweis, dass auch unter den elektromagnetischen Bedingungen einer modernen Großstadt die Aufsplittung eines Radiosignals in verschiedene Bahndrehimpuls-Kanäle möglich ist. Vom Leuchtturm der Insel San Giorgio bis zum Balkon des Dogenpalastes in Venedig sind es 442 Meter, was gut 3500 Wellenlängen bei einer Frequenz von 2,414 Gigahertz entspricht. Die entsprechenden Versuche mit zunächst nur zwei verschiedenen Bahndrehimpulsen fanden im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung statt, zu der auch Presse, Künstler, Prominente und Radioamateure geladen waren.
Da die vorhandenen Kanäle durch Rundfunk und Mobilfunkverkehr zunehmend belastet werden, sind alle Entlastungsmöglichkeiten natürlich von großer Hoffnung begleitet. Auch ist auf den neuen Kanälen Multiplexing möglich. Die Ausnutzung der bislang vernachlässigten Bahndrehimpulse als fundamentaler Eigenschaft des elektromagnetischen Feldes ist allerdings nicht auf die Rundfunktechnik beschränkt. In der Grundlagenforschung erwarten die Wissenschaftler Anwendungen wie den Nachweis von Strahlung rotierender Schwarzer Löcher, die ebenfalls Bahndrehimpuls aufweist.
Dirk Eidemüller
