05.11.2019

Gelenkte Elektronen in Bismuten

Beweglichkeit von Elektronen in dem topologischen Isolator ist durch kollektive Effekte eingeschränkt.

Topo­logische Isolatoren sind Zwitter­materialien. Das bedeutet, dass sie in ihrem Inneren keinen elek­trischen Strom leiten können, sehr wohl aber an ihrem Rand. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Metallen verhalten sich topo­logische Iso­latoren grundlegend anders. Hier können sich die Elektronen nur entlang eindimen­sionaler Leitungs­kanäle am Rand des Materials frei bewegen. Aufgrund des Quanten­spinhall-Effekts können sie dabei nicht mehr an Defekten gestreut werden. Dieser topo­logische Schutz führt zu einem verlustfreien Strom.

Abb.: Aufnahme mit einem Raster­tunnel­mikroskop von Bismuten in der Nähe...
Abb.: Aufnahme mit einem Raster­tunnel­mikroskop von Bismuten in der Nähe einer atomaren Terassen­stufe der Silizium­karbid-Unterlage. (Bild: U. Würzburg)

Um das Verhalten der Elektronen in solchen Rand­kanälen besser zu verstehen, hat ein Forschungs­team der Lehrstühle Experimentelle Physik IV um Ralph Claessen und Theo­retische Physik I um Ronny Thomale der Julius-Maxi­milians-Universität Würzburg Untersuchungen an dem kürzlich erstmals synthe­tisierten topo­logischen Isolator Bismuten durchgeführt. Dabei handelt es sich um eine einzelne Lage von Bismut-Atomen, die in Form eines bienenwaben­förmigen Gitters auf dem Halbleiter Silizium­karbid aufliegt.

Das Team konnte durch ein Rastertunnel­mikroskop beobachten, dass sich das Verhalten der Elektronen bei tiefen Temperaturen auffällig verändert: „Auf unserer Elektronen­autobahn ist der Einfluss der tiefen Temperatur vergleichbar mit der Fahrbahn­verengung bei einer Baustelle. Hier ist die Gefahr von Zusammen­stößen zwischen den Elektronen deutlich erhöht. Um dies zu vermeiden und ausreichend Abstand halten zu können, vermindern die Elektronen daher ihre Geschwindigkeit“, erklärt Ralph Claessen. In Bismuten zeige sich dieses Verhalten in einer temperatur­abhängigen Energie-Verteilung der Elektronen in den Rand­kanälen. Dieses Phänomen ist bereits aus anderen eindimensionalen Elektronen­systemen als „Tomonaga-Luttinger-Verhalten“ bekannt.

Eine genauere theoretische Analyse zeigt, dass der Effekt zwischen zwei Elektronen umso stärker zu Tage tritt, je enger der Randkanal ist – wie bei einer Autobahn­baustelle mit nur einem statt zweier Fahrstreifen. „Hier müssen alle Autos Rücksicht aufeinander nehmen und die Geschwin­digkeit anpassen, um Kolli­sionen zu vermeiden. Obwohl dieser Effekt grundsätzlich in jedem verengten Leitungs­kanal auftritt, ist er unter den perfekten Autobahn­bedingungen des topo­logischen Isolators am deutlichsten zu beobachten.“, sagt Ronny Thomale. Dies sei in der vorliegenden Arbeit zum ersten Mal in beein­druckender Klarheit gelungen.

Die Elektronen­autobahnen am Rand von topo­logischen Isolatoren könnten Bauelemente künftiger Mikro­elektronik werden, in der man die besonders geschützten Leitungs­kanäle für eine verlustfreie und ultra­schnelle Computer­technologie verwendet. Dies ist auch Thema und Ziel des Exzellenz­clusters „ct.qmat" und des Sonderforschungs­bereichs „ToCoTronics“ in der Würzburger Physik. Hierfür muss jedoch zunächst das Verkehrs­verhalten der Elektronen vollständig verstanden werden.

JMU Würzburg / JOL

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