Gigantischer piezoelektrischer Effekt für Mikromaschinen
Erste Kombination aus Magnesiumniobbleititanat und Silizium gelungen.
Mehr Bewegung mit möglichst kleinen Spannungen: Dieses Ziel wird mit piezoelektrischen Modulen verfolgt, die als Stellmotoren in winzigen Mikromaschinen arbeiten können. Ein weiterer Fortschritt auf diesem Gebiet gelang nun einem amerikanischen Forscherteam, das erstmals ein Material mit sehr großem piezoelektrischen Effekt auf einem Siliziumträger deponieren konnte. Dank dieser Kombination könnte diese Art von Stellmotoren leichter in sogenannte Mems – mikroelektromechanische Systeme – oder gar in noch kleinere Nanomodule, den Nems, integriert werden.
Abb.: Dieser Hebel aus einer Heterostruktur (Silizium/Strontiumtitanat/Piezoelektrikum PMN-PT) zeigt bereits bei geringen Spannungen große Ausrenkungen, verursacht durch einen gigantischen piezoelektrischen Effekt. (Bild: Eom, University of Wisconsin / Science)
„Diese hyperaktiven Heterostrukturen mit gigantischer Piezoeletrizität reagieren stark genug, um die Mems-Aktuatoren zu revolutionieren", sagt Chang-Beom Eom, Materialforscher an der University of Wisconsin in Madison. Zusammen mit Kollegen weiterer amerikanischer Institute in Berkeley, Ann Arbor und Philadelphia wählte er eines der derzeit besten piezoelektrischen Materialien aus: Kristalle aus Magnesiumniobbleititanat, kurz PMN-PT genannt. Im Vergleich zu anderen Piezoelektrika wie Bleizirkoniumtitanat ermöglicht dieser Werkstoff bis zu zehnmal größere Bewegungen bei gleichen, elektrischen Spannungen. Nur die Integration in mikrostrukturierte Bauteile auf Siliziumbasis gelang bisher nicht.
Dieses Problem lösten Eom und Kollegen mit einer wenige Dutzend Nanometer dicken Schicht aus Strontiumtitanat, die sie auf eine Siliziumoberfläche wachsen ließen. Auf diese Schicht folgte eine rund 100 Nanometer mächtige Lage aus Strontiumruthenat. Erst diese Sandwich-Struktur bot für einen einkristallinen Film aus dem Piezoelektrikum genug Halt.
Abb.: Detailaufnahme der Heterostruktur. (Bild: Eom, University of Wisconsin / Science)
Diese gesamte, etwa 3,5 Mikrometer dicke Heterostruktur, die in Form eines Hebels aus dem Trägermaterial herausragte, analysierten die Forscher auf ihre piezoelektrischen Eigenschaften. Geringe, elektrische Spannungen von maximal 2,8 Volt reichten aus, um den Hebel um etwa einen Mikrometer auslenken zu können. Damit konnten die Forscher einen vergleichbar großen piezoelektrischen Effekt der dünnen PMN-PT-Schicht zeigen wie er auch von einem Festkörper des gleichen Materials zu erwarten gewesen wäre.
In weiteren Versuchen könnte dieses Piezo-Modul nun in verschiedene Mikromaschinen (Mems) integriert werden. Laut Chang-Beom Eom stehe nun ein Material zur Verfügung, um bessere Komponenten für Ultraschallgeräte in der Medizin oder für die Kontrolle von Flüssigkeiten in winzigen Lab-on-Chip-Systemen zu entwickeln. „Diese Forschung wird zu fundamentalen, wissenschaftlichen Erkenntnissen von neuen Phänomenen mit hyperaktiven, nanoskaligen elektromechanischen Modulen führen“, sagt Eom.
Da über den piezoelektrischen Effekt nicht nur elektrische Spannungen direkt in Bewegung, sondern umgekehrt auch aus Bewegungen elektrischer Strom erzeugt werden kann, sind nun auch effizientere Mini-Kraftwerke denkbar. Diese könnten in Textilien integriert oder gar implantiert werden, um genug Strom zum Betrieb von Sensoren beispielsweise zur Messung von Blutdruck oder Zuckerspiegel von Diabetes-Patienten zu liefern.
Jan Oliver Löfken
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