Instabil: Mehrplaneten-Systeme bei weiten Doppelsternen
Resonanzen stören Planetenbahnen – und können sogar zum Auswurf von Planeten führen.
Die Exzentrizitäten und Inklinationen der Bahnen von Exoplaneten, die um einen Stern eines weiten Doppelsystems kreisen, sind zumeist ungewöhnlich groß. Als Ursache dafür sehen die Astronomen Störungen durch die Gravitation des weiter entfernten Sterns an. Doch wie die Schwerkraft des zweiten Sterns die Architektur eines Planetensystems genau beeinflusst, ist bislang unklar. Zwar zeigen Untersuchungen an einem einfachen Modell – einem einzelnen Planeten, der einen Stern eines weiten Doppels umkreist –, dass eine ausreichend große Neigung der Umlaufbahn des Sterns gegen die Bahnebene des Planeten zu starken Oszillationen der Exzentrizität und der Inklination der Planetenbahn führt. Doch diese Kozai-Lidov-Instabilität ist ihrerseits instabil: Weitere Einflüsse, die zu einer Präzession der Planetenbahn führen, können sie unterdrücken. Dazu zählt beispielsweise die gegenseitige gravitative Wechselwirkung in einem Mehrplaneten-System.
Abb.: Künstlerische Darstellung eines Planetensystems in einem weiten Doppelsternsystem. (Bild: Nasa)
Jihad Touma von der Amerikanischen Universität Beirut und Seshadri Sridhar vom Raman Research Institute in Bangalore haben deshalb Computer-Simulationen von unterschiedlichen Konfigurationen solcher Mehrplaneten-Systeme bei weiten Doppelsternen durchgeführt. Dabei stießen sie auf ein bislang übersehenes Phänomen. Im Allgemeinen übertreffen die Perioden der orbitalen Präzessionen die Umlaufzeiten der Planeten um mehrere Größenordnungen, so dass hier keine Resonanzen möglich sind. In einem weiten Doppelstern-System ist die Situation jedoch eine andere: Die Umlaufzeit des zweiten Sterns kann sehr wohl von der gleichen Größenordnung sein wie die Präzessions-Perioden der Planeten – und deshalb auch mit ihnen in Resonanz stehen. Mehr noch: Selbst wenn eine solche Resonanz zunächst nicht vorhanden ist, kann ein Planet durch Migration in der frühen Phase des Systems in den Resonanz-Bereich hinein wandern.
Solche Resonanzen vergrößern dann die Exzentrizität und die Bahnneigung einer Planetenbahn und können in letzter Konsequenz sogar zum Auswurf eines Planeten führen. In Übereinstimmung mit den Beobachtungen ist also zu erwarten, dass weite Doppelsterne weniger Mehrplaneten-Systeme enthalten als Einzelsterne.
Touma und Sridhar haben in diesem Zusammenhang auch untersucht, ob unsere Sonne einen weit entfernten zweiten Stern als Begleiter besitzen könnte. Die Simulationen zeigen für diesen Fall jedoch eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Resonanz mit der Bahn des Planeten Saturn. Die Architektur unseres Sonnensystems spricht also gegen die Existenz eines solchen Begleiters unserer Sonne.
Rainer Kayser
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RK