Kalte und warme Asteroiden
Metallische Asteroiden geben weniger Wärmestrahlung ab als Gesteinsasteroiden.
Tausende von Datensätzen des NASA-Weltraumteleskops WISE (Wide-field Infrared Survey Explorer) haben Planetenforscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ausgewertet – und kamen dabei metallischen Asteroiden auf die Spur: Die Schwergewichte unter den Asteroiden bleiben erstaunlich kühl und geben anscheinend weniger Wärmestrahlung als die Gesteinsasteroiden ab, wenn man sie mit einem Infrarot-Teleskop beobachtet. „Das war für mich eine große Überraschung“, betont Alan Harris. „Unsere Ergebnisse deuten auf eine höhere Anzahl von metallischen Objekten im Sonnensystem hin, als wir bisher vermutet haben.“ Das Aufspüren von metallreichen Asteroiden ist aus mehreren Gründen wichtig: Sie sind besonders gefährlich, wenn sie auf die Erde einschlagen würden, und sind zugleich potenzielle Rohstofflieferanten für die Industrie in der Zukunft.
Abb.: Fragment eines metallreichen Asteroiden (Bild: DLR)
Metall leitet Wärme besser als Gestein. Dieses Prinzip der unterschiedlichen thermischen Leitfähigkeit machten sich Alan Harris und Line Drube vom DLR-Institut für Planetenforschung zunutze. Die Sonnenenergie dringt in die Oberfläche eines metallreichen Asteroiden tiefer ein und wird dort absorbiert. Bei Infrarotbeobachtungen erscheinen die Oberflächen dieser Asteroiden deshalb dann als kühler als die der steinartigen Asteroiden. Belegt werden konnte dies durch den Vergleich von Reflexionsmessungen im Radar und Messungen der infraroten Wärmestrahlung von bekannten metallischen Asteroiden. Bisher gibt es nur etwa vierzig Asteroiden, die als metallreich identifiziert werden konnten; mit der neuen Infrarot-Methode der DLR-Wissenschaftler wird diese Zahl um einiges steigen. „Im Katalog der WISE-Beobachtungen weisen noch viele Asteroiden Anzeichen von einem hohen Metallgehalt auf“, betont Alan Harris.
Der Asteroidenforscher leitet das internationale Projekt NEOShield, in dem unter anderem die Eigenschaften von Asteroiden, aber auch die Verhinderung von Asteroideneinschlägen auf der Erde untersucht werden. Seit Januar 2012 untersuchen Wissenschaftler die Eigenschaften der „Near Earth Objects“, die erdnahen Objekte, die bei einem Einschlag große Zerstörung anrichten könnten. „Metallreiche Asteroiden haben eine höhere Dichte, eine höhere Masse – und sind besonders gefährlich, wenn sie die Erde erreichen würden.“
Der etwa 20 Meter große Asteroid, der im Februar 2013 in 20 bis 30 Kilometern Höhe über Russland nahe Tscheljabinsk mit der Wucht von 500 Kilotonnen TNT zerbarst, war ein steinartiges Objekt. Ein Asteroid derselben Größenklasse aus Metall wäre bei seinem Flug durch die Lufthülle der Erde vermutlich viel widerstandsfähiger gewesen und hätte tiefer in die Atmosphäre eindringen könnten. Die Schäden wären dadurch noch erheblich schlimmer ausgefallen. Die von der Europäischen Union geförderte Forschungsarbeit im Rahmen des NEOShield-Projekts hilft den Asteroidenforschern bei der Einschätzung solcher Gefahren: Nur wenn man den Aufbau eines Asteroiden kennt, kann man ihn beispielsweise effektiv mit einem Einschlag von seiner Flugbahn in Richtung Erde ablenken.
Eine Katalogisierung von metallreichen Asteroiden könnte aber in Zukunft noch einen weiteren Nutzen bringen: für den Abbau von wertvollen Rohstoffen für die Hi-Tech-Industrie wie Osmium, Irdium, Platin oder Palladium. „Das betrifft zwar frühestens die nächste oder übernächste Generation, ist mittlerweile aber nicht mehr komplett unrealistisch“, schätzt Harris. „Amerikanische Privatfirmen arbeiten ernsthaft an der Möglichkeit, Asteroiden als Rohstoffquellen zu erschließen. Und die NASA plant, einen etwa sechs Meter großen Asteroiden einzufangen, ihn in eine Umlaufbahn um den Mond zu bringen und dort zu erforschen.“ Eines der Probleme derzeit ist es aber noch, geeignete Objekte unter den Asteroiden dafür zu finden. Harris‘ und Drubes Methode der Infrarot-Beobachtung bietet eine neue Möglichkeit, metallreiche Kandidaten unter den erdnahen Objekten herauszufiltern.
DLR / DE