12.08.2024

Kontinente heben sich in Zeitlupe

Neue Antwort auf eine der rätselhaftesten Fragen der Plattentektonik.

Ein Forschungsteam unter Mitwirkung der GFZ-Forschenden Sascha Brune, Jean Braun und Anne Glerum hat sich mit einer der rätselhaftesten Fragen der Platten­tektonik beschäftigt: Warum heben sich die tektonisch äußerst stabilen Kerngebiete der Kontinente allmählich an und wie bilden sich einige der größten topo­grafischen Merkmale unseres Planeten? In der neuen Forschungsarbeit unter Leitung von Thomas Gernon, Professor an der Universität Southampton, wurden die Auswirkungen tektonischer Kräfte auf die Landschaftsentwicklung der „Großen Randstufe“ über Hunderte von Millionen Jahren untersucht. Die Forschenden haben heraus­gefunden, dass beim Auseinander­brechen tektonischer Platten tief im Erdinneren starke wellenartige Prozesse ausgelöst werden, die die Kontinental­oberfläche um mehr als einen Kilometer anheben können. Ihre Ergebnisse helfen zu erklären, warum Teile der Kontinente, die bisher als stabil galten, erhebliche Hebungen und dadurch ausgelöste Erosion erfahren und wie solche Prozesse Hunderte oder sogar Tausende von Kilometern ins Landes­innere wandern und weitläufige, als Plateaus bekannte Regionen wie die Zentrale Hochebene in Südafrika bilden können.

Abb.: Der Drakensberg ist Teil der Großen Randstufe (Great Escarpment) in...
Abb.: Der Drakensberg ist Teil der Großen Randstufe (Great Escarpment) in Südafrika.
Quelle: J. Braun, GFZ

Plateaus sind Teil der ältesten Strukturen der Kontinente, der Kratone, die mehrere Milliarden Jahre alt sind. Diese alten Strukturen der Kontinente werden als tektonisch enorm stabil erachtet. Die vertikalen Bewegungen dieser kontinentalen Kerngebiete gehören nach wie vor zu den am wenigsten verstandenen Aspekten der Platten­tektonik. Begrenzt werden viele der kra­tonischen Kontinental­fragmente von steilen Gelände­formen. Eine solche immense und markante Geländeform ist die „Große Randstufe“, die sich nahezu entlang der gesamten Küste im südlichen Afrika zieht und die dortigen Hochebenen − zum Teil in großer Entfernung − umgibt. Sie entstand vor mehr als 120 Millionen Jahren mit dem Zerbrechen des Urkontinents Gondwana. Bisher nahm man an, dass die Entstehung von Kratonen und Randstufen unabhängig voneinander abläuft, da sie in der Landschaft häufig räumlich weit voneinander getrennt zu finden sind – manchmal beträgt die Distanz zwischen ihnen sogar mehrere tausend Kilometer. 

Um geologische Prozesse dieser Art zu untersuchen, haben die Wissen­schaftlerinnen und Wissenschaftler sowohl geologische Beobachtungen und statistische Analysen, als auch geodynamische Simulationen und Landschafts­entwicklungs­modelle miteinander kombiniert. Das daraus resultierende physikalische Modell verbindet zwei Phänomene, also Kratone und Randstufen, mechanis­tisch mit dem kontinentalen Rifting. Methodisch baut diese Arbeit auf der einer Studie aus dem vergangenen Jahr auf, die den Zusammen­hang zwischen dem Auftreten von Diamanten an der Erd­oberfläche und dem Auseinander­brechen von Kontinenten untersucht hat. Die Forschenden hatten herausgefunden, dass beim Auseinander­brechen von Kontinenten die Dehnung der kontinen­talen Kruste zu Bewegungen im Erdmantel führt. 

Dies führt zu gewaltigem Vulkanismus, der Diamanten, die im oberen Erdmantel in großen Tiefen von über 150 Kilometern entstehen, an die Oberfläche befördert. Bevor eine Kontinental­platte auseinander­bricht, dünnt sie sich im Laufe vieler Millionen Jahre aus, was als „Rifting“ bezeichnet wird. Dabei senkt sich die Erdoberfläche ab und bildet einen Grabenbruch wie das Rift Valley in Ostafrika. Irgendwann strömt Meerwasser ein, wie es beim Roten Meer der Fall ist. Gleicher­maßen verändert sich die Unterseite der Erdplatte. Stücke der Plattenunterseite, auch als Kiele bezeichnet, sinken in den tiefen Erdmantel, während heißeres Gestein von unten in den frei­werdenden Raum einfließt. 

In der Folge kommt es zu Schmelzvorgängen: Das vorher zähplastische Gestein wird flüssig, bahnt sich seinen Weg nach oben und bringt dabei auch Diamanten an die Erdoberfläche. Die Strömungen entlang der Unterseite von Erdplatten entfernen eine beträcht­liche Menge an Gestein, das Dutzende von Kilometern dick ist. Die Ketten­reaktion erreicht dabei letztlich auch zentrale Regionen der Kontinente, die in großer Entfernung von Riftzonen liegen. Nun hat das Wissenschafts­team herausgefunden, dass Randstufen und Hochebenen überhaupt erst dadurch entstehen, dass Instabilitäten im Erdmantel kratonische Kiele abtragen und sich dadurch auch das Innere des Kratons hebt. 

Die Insta­bilitäten im Erdmantel entstehen zunächst mit dem Auseinander­brechen der Kontinente − in diesem Fall entlang der Grabenbrüche. Von dort aus wandern die Insta­bilitäten entlang der Plattenunterseite mit einer Rate von etwa fünfzehn bis zwanzig Kilometer pro einer Million Jahre in Richtung des stabilen Bereichs der Kontinente (Kratone) und tragen dabei allmählich die kratonischen Kiele ab. Zur Hebung und damit zur Bildung der Hochebenen, kommt es, wenn die Kratone leichter werden, weil kühlere, schwere Teile der kratonischen Kiele in den tieferen Erdmantel absinken. Das kann man sich vorstellen, wie wenn man von einem Heißluftballon Gewicht abwirft und er dann steigt. Dieser Prozess löst eine synchroni­sierte Hebungs- und Erosionswelle aus, die über Dutzende von Millionen Jahren andauert und sich mit ähnlicher Geschwindigkeit wie die Insta­bilitäten über den Kontinent ausbreitet. 

Das Teams liefert eine neue Erklärung für die rätsel­haften verti­kalen Bewegungen von Kratonen weit entfernt von den Rändern der Kontinente. Die tiefen Stockwerke der Erdplatten können demnach sehr großen Einfluss auf die Entwicklung der Oberfläche haben. So konnten die Wissenschaftler zeigen, dass ein einziger Prozess – das nacheinander stattfindende Ablösen von tiefen Schichten der Kontinental­platten – sowohl die Existenz der „Großen Randstufe“, die Hebung der Plateaus und die Erosion im Landesinneren ermöglicht als auch den Vulkanismus bedingt, durch den Diamanten an die Erd­oberfläche gelangen. Diese Phänomene treten im Südlichen Afrika bis zu tausend Kilometer voneinander entfernt auf und sind somit nicht einfach in Verbindung zu bringen. Laut der Studie sind Kratone dynamischer als bisher vermutet.

GFZ / JOL

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