10.02.2017

Kupfer mit Geschichte

Eisbohrkern aus den Anden offenbart Beginn der Kupferverhüttung in Südamerika.

Der Bergbau Südamerikas versorgt den halben Globus mit Kupfer. In den Anden liegen die weltgrößten Minen. Doch wann die Kupfer­produktion dort begann, blieb bislang unklar. Von den frühen Hoch­kulturen in Peru, Chile und Bolivien sind kaum Über­lieferungen und Artefakte erhalten. Forscher des Paul Scherrer Instituts PSI in Villigen sind dem Geheimnis nun trotzdem auf die Spur gekommen. Durch die Analyse des Eises am Illimani-Gletscher in den bolivianischen Anden fanden sie heraus: In Südamerika wurde etwa ab dem Jahr 700 v. Chr. Kupfer gewonnen.

Abb.: Blick von La Paz auf den Gletscher des Nevado Illimani in Bolivien (Bild: T. Jenk / PSI)

Kupferbergbau hat in Südamerika eine enorme Bedeutung: Chile und Peru sind die beiden größten Kupfer­produzenten der Welt; allein Chile fördert über 30 Prozent des globalen Aufkommens. Die Anfänge dieses zentralen Wirtschafts­zweiges lagen bislang jedoch im Dunkeln. Gewissheit hatte man nur aus Zeiten der Moche-Kultur, die 200 bis 800 n. Chr. an der nördlichen Küste Perus blühte. Von ihr hat man zahlreiche Kupfer­objekte wie Schmuck und rituelle Werkzeuge gefunden. Aus der Zeit davor gibt es jedoch kaum Funde und keinerlei Aufzeichnungen.

Das Eis eines Gletschers ist im Prinzip eine Art Archiv; in seiner Schichtung sind wie in den Jahres­ringen eines Baums die regionale Klima­entwicklung und Luft­qualität der Vergangenheit gespeichert. Jedes Jahr kommt eine neue Schicht gefrorener Niederschlag obendrauf. Und jedes Mal werden Staub­teilchen eingelagert, die zu jener Zeit durch die Luft schwebten. Bohrt man also tief in den Gletscher hinein und zieht eine lange Säule Eis heraus, kann man sie vorsichtig und unter Kühlung in ein Labor bringen und untersuchen. Und so nahm sich das Team um Anja Eichler und Projekt­leiterin Margit Schwikowski einen 139 Meter langen Eisbohr­kern vor, der 1999 während einer Expedition in rund 6300 Metern Höhe auf dem Illimani-Gletscher in Bolivien gebohrt wurde, und analysierten speziell die Ablagerungen von Metallstaub.

In einem Kühlraum des PSI schmolzen die Forscher den Eisbohr­kern mit einem eigens entwickelten Gerät kontinuierlich Schicht für Schicht ein und analysierten das Schmelz­wasser mit einem Massen­spektrometer. Dieses Instrument kann verschiedene chemische Elemente voneinander trennen und mengen­mässig bestimmen. „So arbeiteten wir uns in der Zeit zurück bis ungefähr 4500 v. Chr. – das entsprechende Eis dieser Zeit lag in ungefähr 134 Metern Tiefe“, berichtet Anja Eichler. „Und wir stellten fest, dass die ersten höheren Kupfer­konzentrationen, die auf den Menschen zurückgehen müssen, um das Jahr 700 v. Chr. auftraten.“

Abb.: Anja Eichler (links) und Margit Schwikowski im Kühlraum des PSI mit dem Eisbohrkern (Bild: T. Jenk / PSI)

Zu jener Zeit lebte nordwestlich des Gletschers die Chavin-Kultur, die erste Zivilisation in den peruanischen Anden und in unmittelbarer Nähe am Titicacasee die Chiripa-Kultur, eine einfachere Gesellschaft. Das weiß man von archäologischen Ausgrabungen. Womöglich beide betrieben demnach Kupfer­metallurgie, schmolzen also Kupfererz ein, um reines Kupfer für die Herstellung von Gegenständen zu gewinnen. „Die flüchtigen Partikel, die dabei frei wurden, sind über Winde bis hoch zum Gletscher gelangt und haben sich dort in den entsprechenden Eis­schichten abgelagert“, sagt Margit Schwikowski. Die Partikel kamen zu dem natürlichen metallhaltigen Staub hinzu und sorgten so für besonders hohe Kupfer­konzentrationen.

Anja Eichler recherchierte daraufhin in den Archiven zahlreicher Museen und konnte als Belege immerhin zwei Kupfer­artefakte aus jener Zeit finden: Eine verbogene Nadel der Chiripa­kultur, die 1934 gefunden wurde und seither im American Museum for Natural History in New York aufbewahrt wird. Und ein Armband, das in Bolivien gefunden wurde und ausgestellt wird, sich aber keiner Kultur klar zuordnen ließ. Zwar gibt es auch Kupfer­objekte aus der Zeit zwischen 1400 und 1100 v. Chr. – also noch früher. „Dabei handelt es sich aber um gehämmerte Bleche aus gediegenem Kupfer“, erklärt Margit Schwikowski. „Das ist elementares Kupfer, das so auch in der Natur vorkommt. Es ist aber sehr selten. Für Kupfer in größeren Mengen muss man Erz abbauen und daraus durch Schmelzen das reine Kupfer gewinnen.“

Überlieferungen von entsprechenden Schmelzöfen gibt es zwar erst aus der späteren Moche-Kultur, für die sich ebenfalls erhöhte Kupfer­konzentrationen im Gletschereis feststellen lassen. „Angehörige dieser Kultur nutzten offenbar eine Art Keramik­ofen“, sagt Anja Eichler. Dieser hatte mehrere Löcher, durch die man mit Blas­rohren Luft zuführen konnte, um das Feuer auf gut über 1000 Grad anzuheizen. „Wann genau das erste Mal solche Öfen benutzt wurden, ist jedoch nicht bekannt“, erläutert der an der Studie beteiligte Archäometallurge Thilo Rehren vom University College London (UCL). Womöglich warfen die Schmiede der früheren Kulturen das Kupfererz aber auch in einfache Grubenöfen. In deren Feuer entstanden dann kleine Metall­kuchen, die sich in Tiegeln weiter bearbeiten ließen.

Die Kupferpartikel in den Schichten eines Gletschers stammen aus zwei verschiedenen Quellen: Natürlicher Mineralstaub, der durch den Wind von der Gesteins­oberfläche der Berge abgetragen wird und neben anderen Metallen Kupfer enthält. Und die Staub­partikel, die bei der Kupfer­verhüttung in die Luft gelangen. Um herauszufinden, wann diese Verhüttung einsetzte, mussten die PSI-Forscher also den natürlichen Kupfer­anteil herausrechnen. Dies gelang ihnen, indem sie eins der anderen Metalle, die im natürlichen Staub enthalten sind, betrachteten: „Wir haben quasi einfach die Kupfer­konzentration durch die Konzentration des Metalls Cer, das in natürlichem Staub immer mit dem Kupfer einhergeht, geteilt“, erklärt Anja Eichler. Und das über Jahrtausende hinweg. Kupfer­anreicherungen über das natürliche Maß hinaus ließen sich auf diese Weise eindeutig erkennen.

Zwar schwankt auch der natürliche Eintrag im Laufe der Zeit. So war die Kupfer­konzentration zwischen 4500 und 2500 v. Chr. sogar höher als zu Zeiten der späteren Hoch­kulturen. Ein Vergleich mit dem Verlauf des Seespiegels des Titicacasees ergab jedoch, dass dies an einer langen Periode ausgeprägter Trockenheit und entsprechend größeren Staub­mengen in der Luft gelegen haben muss. Deshalb war parallel dazu auch der Cer-Gehalt im Eis entsprechend höher. Als später die Metallurgie einsetzte, stieg dagegen nur die Konzentration von Kupfer an, nicht jedoch die von Cer. Analog passierte dies in Zeiten späterer süd­amerikanischer Hoch­kulturen wie Moche, Tiwanaku, Wari und Inka sowie während der Kolonial­zeit und im 20. Jahrhundert.

Mit ihrer Studie korrigieren die Forscher ein Bild, das eine andere Studie einige Jahre zuvor ergeben hatte. In dieser postulierte eine andere Forscher­gruppe, die Kupfer­verhüttung in Südamerika habe noch früher, schon um 2000 v. Chr. begonnen. Die Gruppe hatte auf ähnliche Weise einen Torfbohr­kern aus Feuerland analysiert und bereits für diese frühe Zeit einen starken Anstieg der Kupfer­konzentration festgestellt. Torf bildet ähnlich wie Eis Schichten über die Jahre und Jahrhunderte, die die Umwelt­verschmutzung vergangener Zeiten speichern. „Allerdings liegt Feuerland rund 3000 Kilometer südlich von den Zentren der Metallurgie in den Anden“, sagt Anja Eichler. „Außerdem reichte der Torfbohrkern in der Zeit nur wenig weiter zurück als jene 2000 v. Chr. – unser Eisbohr­kern dagegen bis über 4500 v. Chr. hinaus. Dadurch waren wir in der Lage, die natürlichen Schwankungen in der Ablagerung von Kupfer­staub vor dem Beginn der Verhüttung zu quantifizieren. Und unsere Ergebnisse legen nahe, dass der damalige Anstieg in Feuerland eine regionale natürliche Schwankung war.“

PSI / DE

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