Die ATLAS-Kollaboration hat starke Hinweise dafür gefunden, dass das Higgs-Teilchen unter anderem in Quarks zerfällt. Die Forschergruppe, an der auch die Freiburger Arbeitsgruppe von Karl Jakobs und Christian Weiser mitgewirkt hat, hat Datensätze analysiert, die in den Jahren 2015 und 2016 mit dem ATLAS-Detektor am weltweit größten Teilchenbeschleuniger, dem Large Hadron Collider (LHC) am Europäischen Forschungszentrum für Elementarteilchenphysik CERN in Genf/Schweiz, aufgezeichnet wurden.
Abb.: Bei diesem Ereignis könnte es sich um den gesuchten Zerfall eines Higgs-Teilchens in Quarks handeln. (Bild: ATLAS-Kollaboration)
„Die starken Hinweise, dass das Higgs-Teilchen, wie von der Theorie vorhergesagt, auch in Quarks zerfällt, fügt dem Wissen über dieses Teilchen einen weiteren wichtigen Baustein hinzu“, sagt Weiser, der diese Aktivitäten in Freiburg leitet. „Ziel ist nun, die Existenz dieses Zerfalls zweifelsfrei nachzuweisen und auf dieser Grundlage die Eigenschaften des Higgs-Teilchens genauer zu messen.“ Die Vermessung des Zerfalls ist den Forschern zufolge enorm wichtig, um die kurze Lebensdauer des Higgs-Teilchens zu erklären. Messbare Abweichungen von den Vorhersagen der Standardtheorie könnten auf neue Physik jenseits des Standardmodells hindeuten.
Die Entdeckung des Higgs-Teilchens durch die Experimente ATLAS und CMS am LHC-Beschleuniger am CERN im Jahr 2012 stellte einen Meilenstein der Physik dar, war die Existenz dieses Teilchens doch bereits nahezu fünfzig Jahre zuvor vorhergesagt worden. Es ist ein äußerst kurzlebiges Teilchen, das nahezu sofort nach seiner Produktion in andere Teilchen zerfällt. Die Häufigkeit, mit der diese Zerfälle in verschiedene Teilchen auftreten, kann im Rahmen der zu Grunde liegenden Theorie berechnet werden.
Bisher haben Wissenschaftler Zerfälle in andere Teilchen – etwa in W- und Z-Bosonen, Photonen und Tau-Leptonen – zweifelsfrei nachgewiesen. Den Zerfall des Higgs-Teilchens in ein Paar von b-Quarks, der mit einer Wahrscheinlichkeit von fast sechzig Prozent am häufigsten auftreten sollte, konnten sie bisher jedoch nicht beobachten. Dies liegt daran, dass es eine Vielzahl anderer Prozesse gibt, die von Zerfällen des Higgs-Teilchens in b-Quarks nur schwierig zu unterscheiden sind und mit einer ungleich höheren Rate auftreten. Nun jedoch sind starke Hinweise aufgetreten: Die Wahrscheinlichkeit, dass das beobachtete Signal ausschließlich von anderen Prozessen vorgetäuscht wird, beträgt lediglich 0,018 Prozent. Die Präsentation dieses Ergebnisses war einer der Höhepunkte der Konferenz der Europäischen Physikalischen Gesellschaft (EPS), die vom 5. bis 12. Juli 2017 in Venedig/Italien stattfand.
ALU / DE