Leinen los für Ships
Hamburger Wissenschaftler suchen versteckte Photonen – mit einem Teleskop ohne Eingang.
An der Hamburger Sternwarte beginnt jetzt mit dem Experiment Ships (Solar Hidden Photon Search) eine neue Ära astronomischer Beobachtungen: die Suche nach Versteckten Photonen. Versteckte Photonen (Hidden Photons) sind eine Klasse bisher kaum erforschter Elementarteilchen von möglicherweise fundamentaler physikalischer und astrophysikalischer Bedeutung. Sie sollen für bislang noch rätselhafte Phänomene im Weltall verantwortlich und eventuell Bestandteile der geheimnisvollen Dunklen Materie sein. Das Ship-Team benutzt dafür ein Teleskop, in das kein Licht eindringen darf.
Abb.: Neu trifft auf alt: Das SHIPS-Teleskop ist auf das Oskar-Lühning-Teleskop der Hamburger Sternwarte montiert. (Bild: Desy)
„Mit Ships schaffen wir eine ganz neue Kategorie von astronomischen Beobachtungsstationen für diese noch hypothetischen, aber hoch interessanten Elementarteilchen“, erklärt Günter Wiedemann von der Sternwarte der Universität Hamburg. An Ships sind außer der Hamburger Sternwarte Wissenschaftler von Desy und dem Max-Planck-Institut für Physik (München) beteiligt. Im Experiment soll der Beweis der Existenz von Hidden Photons erbracht sowie deren Masse und Anzahl herausgefunden werden.
Hidden Photons sind mit normaler Materie nur sehr schwach wechselwirkende Elementarteilchen, deren Existenz und Verhalten von theoretischen Modellen beschrieben werden. „Der Theorie nach kann es eine ganze Serie von versteckten leichten Teilchen geben, die aber bisher niemand experimentell nachweisen konnte“, sagt Andreas Ringwald (Desy), der zusammen mit Günter Wiedemann das Projekt leitet. „Diese Teilchen könnten die von vielen Beobachtungen geforderte Dunkle Materie ausmachen, aus der etwa ein Fünftel unseres Universums besteht.“
Die gesuchten Teilchen werden in einer langen evakuierten und auf die Sonne gerichteten optischen Reaktionskammer beobachtet. Wegen der vermutlich sehr schwachen Signale, und weil nur die im Teleskop entstehenden Photonen detektiert werden sollen, müssen die Optik und der hochempfindliche Detektor sorgfältig gegen jegliches Umgebungslicht abgeschirmt werden. Mit ersten aussagefähigen Messungen rechnen die Wissenschaftler bereits nach wenigen Wochen.
Versteckte Photonen gehören zu einer Kategorie sehr leichter (bis masseloser) Teilchen, die von Stringtheorie-inspirierten Erweiterungen des Standardmodells der Teilchenphysik vorhergesagt werden. Nach dieser Theorie können Photonen sporadisch ihren Zustand ändern und zwischen der gängigen elektromagnetischen und der sehr seltenen „versteckten“ Erscheinungsform oszillieren.
Auf diese Art entstehen in lichtstarken Objekten wie der Sonne in großer Zahl aus normalen elektromagnetischen Photonen Hidden Photons, die sich während der weitgehend ungehinderten Ausbreitung mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit wieder in normale Lichtteilchen umwandeln.
Für die erste Stufe des Experiments wurde ein zwei Meter langes Stahlrohr mit einem eigens entwickelten, gewichtsreduzierten Wölbstrukturrohr zu einem vier Meter langen Vakuum-Helioskop kombiniert, und an der vollbeweglichen und fernsteuerbaren Montierung des Oskar-Lühning-Teleskops der Sternwarte angebracht.
Die notwendige Optik wird in der ersten Version durch große Fresnel-Linsen realisiert, als Detektoren kommen rauscharme Photomultiplier und neuartige Electron-Multiplication-CCDs zum Einsatz.
Durch die symmetrische Auslegung mit doppelter Optik und Detektoren blickt das Teleskop gleichzeitig in entgegengesetzte Richtungen. Da die gesuchten Teilchen fast ungehindert die Erde durchdringen, kann die Sonne theoretisch kontinuierlich, also auch bei Nacht beobachtet werden, obwohl das Oskar-Lühning-Teleskop als Träger selbst nur den Tagbereich abdeckt.
Desy / PH