Meereisflächen in der Arktis so klein wie nie
Bremer Umweltphysiker belegen Negativrekord anhand neuer Satellitendaten.
Die Ausdehnung des arktischen Meereises hat am 8. September 2011 mit 4,24 Millionen km² ein neues historisches Rekordminimum erreicht. Umweltphysiker der Universität Bremen bestätigten jetzt die seit Juli 2011 bestehende Befürchtungen, die Eisschmelze der Arktis könne weiter voranschreiten und sogar das bisherige historische Meereisminimum von 2007 übertreffen – eine weitere Konsequenz der Menschen gemachten Klimaerwärmung mit globalen Konsequenzen. Dies schränkt unmittelbar die Lebensgrundlage von Kleinlebewesen, Fischen, Vögeln und Säugetieren wie Eisbären und Robben mehr und mehr ein.
Abb.: Sowohl maximale als auch minimale Eisbedeckung der Arktis nehmen seit rund fünfzig Jahren ab. (Bild: U. Bremen)
Die Arbeitsgruppe von Georg Heygster am Institut für Umweltphysik der Universität Bremen untersucht seit vielen Jahren die Meereisausdehnung mit Hilfe von Satellitenmessungen. Sie erstellen mit Förderung der Esa täglich Karten der aktuellen Meereisausdehnung. Seit 1972 beträgt der Rückgang des sommerlichen Eises bereits 50 Prozent. Für Kleinlebewesen, die an der Unterseite des Eises leben, bleibt immer weniger Lebensraum. Sie stehen am Beginn der Nahrungskette für Fische, Säugetieren und auch Menschen.
Die Ausdehnung des arktischen Meereises besitzt einen ausgeprägten Jahresgang mit etwa 15 Millionen km² im März und fünf Millionen km² im September. In 2007 waren es jedoch nur 4,267 Millionen km², dem niedrigsten Wert seit Beginn der Satellitenbeobachtungen 1972 und mit hoher Wahrscheinlichkeit seit dem letzten Klimaoptimum vor etwa 8000 Jahren. In den nächsten Wochen könnte die Fläche noch geringfügig weiter schrumpfen. Die Eiskarten des Instituts zeigen zudem, dass in diesem Jahr auch wieder Nordost- und Nordwestpassage gleichzeitig eisfrei. Erstmals war dies in 2008 eingetreten, inzwischen beginnt ihre kommerzielle Nutzung.
Abb.: Eisausbreitung beim alten (l.: 2007) und dem neuen historischen Tiefstand am 8. September 2011 (r.): die Schiffsrouten zwischen Nordatlantik und -pazifik sind befahrbar. (Bild: U. Bremen)
Dass das diesjährige Minimum Rekordniveau erreichen könnte, war bereits im Sommer abzusehen. Denn da lag bereits eine minimale Eisausdehnung vor, verglichen mit demselben Monat der Vorjahre. Wegen der hohen Sonnenstände und langen Tage im Juli ist die Eisausdehnung zu dieser Zeit klimatologisch bedeutsamer als diejenige im September. Die vermehrte Sonneneinstrahlung in das offene Wasser im Juli erwärmt es, was zur zusätzlichen Eisschmelze von unten beiträgt und Bildung neuen Eises im folgenden Herbst verzögert.
Die Abnahme des sommerlichen Meereises lässt sich nicht mit der natürlichen Variabilität von Jahr zu Jahr erklären. Klimamodelle zeigen, dass sie vielmehr mit der globalen Erwärmung zusammenhängt, die in der Arktis aufgrund des Eis-Albedo-Effektes besonders ausgeprägt ist: Eisfläche, die aufgrund eines geringen Temperaturanstieges schmilzt, ist dann als offenes Wasser dunkler als vorher, nimmt deshalb mehr Sonnenstrahlung auf und trägt so zu einer zusätzlichen Erwärmung bei.
Zwar frieren im Winter große Gebiete wieder zu, dieses erstjährige Eis ist jedoch deutlich dünner als mehrjähriges Eis, welches mindestens einen Sommer überstanden hat. Deshalb schmilzt die Sonneneinstrahlung im Sommer das erstjährige Eis viel leichter als das mehrjährige Eis, und nach einem Minimum wie 2007 braucht die Eisdecke selbst bei unverändertem Klima mehrere Jahre, um sich zu erholen. Beobachtungen der vergangenen Jahre zeigen, dass außerdem die mittlere Eisdicke abnimmt. Die Gesamtmasse des arktischen Meereises schwindet also sowohl durch die Reduzierung der Fläche als auch der Dicke, was die Gesamtentwicklung verschärft.
U. Bremen / OD